Majjhima Nikāya, Mittlere Sammlung

DRITTER TEIL: DIE SPÄTEREN FÜNFZIG – Uparipannāsam

XIII. BUCH: LEERHEIT – Suññatavaggo

123. Wunderbare Eigenschaften – Accariyabbhutadhamma Sutta

 

Vorbemerkung: Hier wird eine Legende aus spätbuddhistischer Zeit so dargestellt, als ob Ānanda sie vorgetragen und Buddha sie bestätigt hätte. Um ihr den Anschein der Glaubwürdigkeit zu geben, lässt man Ānanda neunzehnmal sagen: «Vom Erhabenen selbst habe ich gehört» (in der Übersetzung ist diese Formel an einigen Stellen weggelassen worden). Diese Legende ist in der buddhistischen Kunst oft dargestellt worden.

 

So habe ich es gehört:

  Als der Erhabene einst in Anāthapindikas Bhikkhuheim im Jetahain bei Sāvatthi weilte, saßen eines Nachmittags viele Bhikkhus in der Versammlungshalle beisammen und sprachen miteinander darüber, wie wunderbar es sei, daß der Vollendete alle Einzelheiten aus dem Leben der früheren Buddhas wisse. Ānanda aber sagte: «Vollendete haben erstaunliche und wunderbare Eigenschaften.» Während dieses Gesprächs erschien der Erhabene in der Versammlungshalle und fragte die Bhikkhus, worüber sie gesprochen hätten. Nachdem sie es ihm gesagt hatten, forderte er Ānanda auf, noch mehr von den wunderbaren Eigenschaften eines Vollendeten zu erzählen, und Ānanda sprach:

  «Vom Erhabenen selbst habe ich gehört, daß der Bodhisatta, der künftige Buddha, achtsam und wissensklar im Himmel der Tūsitagötter erschienen ist, dort ein Leben lang gelebt hat, dann von dort abgeschieden und in den Mutterleib eingegangen ist. Vom Erhabenen selbst habe ich gehört, daß damals, als er in den Mutterleib einging, in der ganzen Welt ein unermeßlicher Glanz aufleuchtete, der die Pracht der Götter überstrahlte. Dieser Glanz drang sogar in die Zwischenwelten ein, die finsteren, wo weder Mond noch Sonne scheint, und die dortigen Wesen konnten einander sehen und erfuhren dadurch, daß außer ihnen auch andere Wesen dort waren. Dabei bebte die zehntausendfache Welt. Zugleich kamen die vier Engel, welche die vier Himmelsrichtungen hüten, herbei, um den Bodhisatta und seine Mutter zu beschützen.

  Vom Erhabenen selbst habe ich gehört, daß die Mutter des Bodhisatta, nachdem dieser in den Mutterleib eingegangen war, von Natur sittenrein blieb. Sie verletzte kein lebendes Wesen, stahl nicht, lebte keusch, log nicht und berauschte sich nicht. Sie hatte kein Verlangen nach einem Verkehr mit Männern und konnte von keinem Mann leidenschaftlich berührt werden. Sie genoß, was die Sinne bieten, und wurde dabei behütet. Sie wurde nicht mehr krank, befand sich wohl und sah in ihrem Leib den Bodhisatta mit allen seinen Gliedern und Sinnesorganen, wie man in einem durchsichtigen kostbaren Edelstein einen hindurch gezogenen bunten Faden sehen kann. Vom Erhabenen selbst habe ich gehört, daß die Mutter des Bodhisatta sieben Tage nach dessen Geburt starb und in den Himmel der Tūsitagötter einging. Während andere Frauen die Leibesfrucht neun oder zehn Monate im Leibe tragen und dann gebären, hat die Mutter den Bodhisatta zehn Monate im Leibe getragen und dann geboren. Während andere Frauen sitzend oder liegend gebären, hat die Mutter des Bodhisatta stehend geboren.

  Vom Erhabenen selbst habe ich gehört, daß der Bodhisatta, als er aus dem Mutterleib herauskam, zuerst von Engeln (Devas) und dann erst von Menschen entgegengenommen wurde. Er berührte nicht den Erdboden, sondern wurde von vier Engeln entgegengenommen und der Mutter mit den Worten gereicht <Freue dich, Fürstin! Ein hochbegabter Sohn ist dir erstanden.> Vom Erhabenen selbst habe ich gehört, daß der Bodhisatta rein aus dem Mutterleib herauskam, nicht benetzt von Wasser, Schleim oder Blut, sondern ganz rein, wie ein kostbarer Edelstein, der in ein Tuch von Benares-seide eingehüllt ist, weder das Seidentuch beschmutzt noch von dem Seidentuch beschmutzt wird, weil beide ganz rein sind. In der Luft erschienen zwei Wasserbehälter, einer mit kaltem, einer mit warmem Wasser; damit wurden der Bodhisatta und seine Mutter abgespült.

  Vom Erhabenen selbst habe ich gehört, daß der Bodhisatta unmittelbar nach der Geburt mit beiden Füßen feststand, mit dem Gesicht nach Norden, während über ihm ein weißer Schirm schwebte, daß er sich nach allen Seiten umblickte und mit gewaltiger Stimme rief: <Ich bin der Erste, der Höchste, der Beste von der Welt; dies ist meine letzte Geburt; für mich gibt es keine Wiedergeburt mehr.>

  Vom Erhabenen selbst habe ich gehört, daß damals, als der Bodhisatta aus dem Mutterleib herauskam, in der ganzen Welt mit ihren Göttern und Menschen ein unermeßlicher Glanz aufleuchtete, der die Pracht der Götter überstrahlte. Dieser Glanz drang sogar in die Zwischenwelten ein, die finsteren, wo weder Mond noch Sonne scheint, und die dortigen Wesen konnten einander sehen und erfuhren dadurch, daß außer ihnen auch andere Wesen dort waren. Dabei bebte die zehntausendfache Welt.

  Das sind die erstaunlichen und wunderbaren Eigenschaften des Erhabenen, die ich mir gemerkt habe.»

  «Dann, Ānanda, merke dir noch diese wunderbare Eigenschaft eines Vollendeten: Empfindungen, Wahrnehmungen und Gedanken steigen einem Vollendeten bewußt auf, bewußt bleiben sie und bewußt verschwinden sie. Merke dir auch diese wunderbare Eigenschaft eines Vollendeten.» – «Auch diese will ich mir merken, Herr!»

  So sprach Ānanda und fand die Billigung des Meisters. Mit Freude und Dank nahmen die Bhikkhus Ānandas Worte auf.

 


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