Die dritte Vergehensklasse des Bhikkhunīvibhaṅga bilden die nissaggiya-pācittiya-Vergehen. [1] So erfordert der Verstoß gegen eine Vorschrift dieser Vergehenskategorie die Herausgabe des in der Regel behandelten Gegenstands und die Beichte des Vergehens. [3]
Alle Nissaggiya-Pācittiya-Regeln beziehen sich auf Gegenstände, die unrechtmäßig erworben wurden, die unangemessen hergestellt oder benutzt wurden oder regeln allgemein den Umgang mit diesen Objekten. Die behandelten Gegenstände sind als Folge des Regelverstoßes an den Saṃgha, einen Gaṇa oder Einzelne herauszugeben. Die Vorgehensweise bei der Bestrafung des Verstoßes gegen eine Nissaggiya-Pācittiya-Regel im Nonnenorden entspricht der im Mönchsorden völlig und erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst muss der Ordensangehörige den in Frage stehenden Gegenstand formell übergeben:
"Und so, ihr Mönche, ist (der Gegenstand) herauszugeben. Die Nonne soll sich zum Orden begeben, das Obergewand über einer Schulter drapieren, die Füße der älteren Nonnen verehren, sich hinhocken und die Begrüßung mit aneinandergelegten Händen vollziehen (und dann) so sprechen: ,Dies, ihr edlen Frauen, ist mein [Gegenstand], der einzubüßen ist, ich gebe ihn an den Orden heraus'."
Erst daraufhin erfolgt die "Sühne" (pācittiya). Nachdem sie (den Gegenstand) herausgegeben hat, ist das Vergehen zu bekennen. Die (Bekenntnis des) Vergehens ist von einer fähigen, kompetenten Nonne anzunehmen.
Die geschilderte Einbuße des Gegenstands ist jedoch kein Dauerzustand, er wird dem betreffenden Ordensmitglied nach dem Geständnis des Vergehens formell wieder zurückgegeben. [7] Es handelt sich bei der Einbuße also um einen symbolischen Akt.
Der Verlauf der Einbuße in den Regeln NP 18, 19 und 22 (M+N) unterscheidet sich von der Vorgehensweise bei den anderen Nissaggiya-Pācittiya-Vorschriften. In den WfWKen zu diesen drei Regeln ist die Angabe enthalten, dass die Gegenstände dem betreffenden Ordensangehörigen nicht zurückgegeben werden. Für NP 18 und 19 (M+N) liegt die Begründung für diese Vorgehensweise in der Regel NP 18 (M+N) selbst: ein Angehöriger des Ordens darf kein Gold und Silber annehmen bzw. für sich annehmen lassen oder hinterlegen lassen. Die Rückgabe wäre somit sinnlos (s. a. Entrance I, 123). Daher ist in den WfWKen zu diesen beiden Regeln nur die Möglichkeit erwähnt, das Gold und Silber dem Saṃgha zu übergeben, [9] zumal gaṇa hier im Sinne von "mehrere Mönche" gebraucht ist, und anderen Einzelmönchen der Besitz bzw. die Annahme von Gold und Silber ebenfalls untersagt ist. Ähnliches gilt auch für NP 22 (M+N). In dieser Vorschrift ist der betreffende Gegenstand eine Almosenschale, wobei in der Regel selbst dargestellt ist, dass der Schuldige die Schale nicht zurückerhält. Er bekommt vielmehr eine andere, schlechtere als die, die er unrechtmäßig besaß. Dort besteht ebenfalls nur die Möglichkeit, die Schale an den Saṃgha herauszugeben."
[1] Im Bhikkhuvibhaṅga sind die Nissaggiya-Pācittiya-Vergehen als viertes Kapitel angeführt, an dritter Stelle stehen dort die beiden Aniyata-Vorschriften. Diese Regeln gelten nicht für Nonnen
[3] Die Nissaggiya-Pācittiya-Regeln bilden somit eine Sonderabteilung der ihr folgenden Pācittiya-Vergehensklasse. Auch die sog. chedanaka-, bhedanaka- und uddālanaka-pācittiya-Vergehen können als Sonderklasse der Pācittiya-Vergehenskategorie bezeichnet werden. Sie sind jedoch im Suttavibhaṅga nicht gesondert aufgeführt sondern in der Pācittiya-Vergehensklasse enthalten, da sie nicht mit besonderen Rechtshandlungen einhergehen.
[7] Vin IV 244,13-17: "Die übergebene Schale ist (mit folgenden Worten zurückzugehen: 'Es höre mich, ihr edlen Frauen, der Orden. Diese Schale, die von der Nonne Soundso einzubüßen ist, ist dem Orden übergeben worden. Wenn der Orden bereit ist, möge der Orden diese Schale der Nonne Soundso (zurück)geben".
[9] NP 18, (Vin III 238,7-8): "Es ist vor dem Orden einzubüßen ist: weil Silber nämlich unpassend ist, deshalb ist es einzubüßen; es ist nicht gesagt, dem Orden oder einem Gaṇa oder einem Einzelnen'. Weil er aber, allein schon, wenn er dies angenommen hat, dadurch ein in keiner Weise erlaubtes Gut erhalten hat, deshalb ist gesagt: vor dem Orden einzubüßen, um angemessen den Gebrauch zu zeigen."