Die Nonnen Regeln - Bhikkhunī Pāṭimokkha

4. Pācittiya - Einleitung

Das Pācittiya-Kapitel ist die vierte und gleichzeitig umfangreichste Vergehensklasse des Bhikkhunīvibhaṅga. Im Bhikkhuvibhaṅga bildet der Pācittiya-Abschnitt hingegen das fünfte Kapitel, da zwischen der Saṃghādisesa-Vergehenskategorie und der Nissaggiya-Pācittiya-Vergehensklasse die beiden Aniyata-Regeln stehen, die für Nonnen nicht vorgesehen sind.

Die Nichtbeachtung einer Pācittiya-Vorschrift ist durch das bloße Gestehen des Vergehens zu bereinigen. Das Geständnis hat spätestens vor der Uposatha-Zeremonie zu erfolgen, da ein Ordensangehöriger, um an der Rezitation teilnehmen zu können, "nicht mit Vergehen behaftet" sein darf. Innerhalb der Pācittiya-Vergehensklasse geht das Strafmaß nur aus der Vergehensbezeichnung selbst und aus den Kasuistiken zu einer kleinen Gruppe von Pācittiya-Vorschriften hervor, die neben der Beichte eine zusätzliche Strafe beinhalten.

An der entsprechenden Stelle des Bhikkhunīvibhaṅga (Pāc 22, N) heißt es: "Nachdem sie (den in Frage stehenden Gegenstand) beim Erhalt abgeschnitten hat, ist (noch) ein Pācittiya(-Vergehen) zu gestehen". [7] In den acht Pācittiya-Regeln, die neben dem bloßen Geständnis des Vergehens noch andere Strafmaßnahmen beinhalten, werden die richtigen Maße und in zwei Fällen ― die richtigen Materialien für die Herstellung bestimmter Textilien bzw. Utensilien vorgeschrieben. [8]

Innerhalb dieser Gruppe bilden die sog. chedanaka-Pācittiya-Regeln die größte Abteilung. Chedanaka bedeutet "das Abschneiden einschließend". Der behandelte Gegenstand ist zu groß und muß vor der Benutzung durch die Ordensangehörigen auf die vorgeschriebenen Maße zurückgeschnitten werden. [10]

Ferner gibt es eine bhedanaka-Pācittiya-Vorschrift ("das Abbrechen einschließend": Pāc 86, M+N) sowie eine uddālanaka-Pācittiya-Vorschrift ("das Herunterziehen einschließend": Pāc 88, M+N). Im einen Fall ist das Zerbrechen eines aus unerlaubten Materialien hergestellten Nadelkästchens, im anderen Fall das Entfernen des Baumwollüberzugs von Bett und Stuhl vorgesehen. Diese Pācittiya-Vorschriften sind analog zu den Nissaggiya-Pācittiya-Regeln formuliert, und in ihnen ist ebenfalls jeweils ein Gegenstand behandelt.

Im Unterschied zu den Nissaggiya-Pācittiya-Vorschriften jedoch erfolgt die über die einfache Beichte hinausgehende Strafe nicht im Rahmen einer Rechtshandlung, sondern stellt nur eine einfache Verpflichtung für den sich vergehenden Ordensangehörigen dar (s. o., und Anm. 7). Nur eine dieser insgesamt acht besonderen Pācittiya-Regeln ist im Bhikkhunīvibhaṅga enthalten: in Pāc 22 (N) wird das rechte Maß für ein ― nur für Nonnen vorgesehenes ― Badegewand angegeben. Diese Vorschrift gehört ebenfalls der chedanaka-Pācittiya-Gruppean.

Von der üblichen Formulierung der Pātimokkha-Regeln wird innerhalb der Pācittiya-Vergehenskategorie in weiteren vierzehn Fällen abgewichen. In diesen Fällen handelt es sich meist um sehr kurze Regeln, in welchen das untersagte Verhalten als Lokativ von pācittiyaṃ abhängt.

Es ist bemerkenswert, daß in den WfWKen zu fünf dieser vierzehn besonders kurzen Vorschriften nicht nur die in den Regeln benutzten Wörter kommentiert werden, sondern daß der Kommentar selbst auf die gleiche Weise erläutert wird. Dies mag auf ein relativ hohes Alter der Regeln und des ersten Kommentars hindeuten, da man sich offensichtlich veranlasst sah, dem alten Kommentar, der aufgrund der Kürze der Regeln schon früh notwendig geworden war, weitere Erläuterungen beizufügen, die ihrerseits Bestandteil der kanonischen Überlieferung sind.


[7] Vin IV 279,18: Analog geht dies auch aus den Kasuistiken zu den Nissaggiya-Pācittiya-Vorschriften hervor.
 Dort ist ebenfalls geschildert, daß nach der Herausgabe des Gegenstands noch "das Vergehen zu gestehen" sei (āpatti desetabbā). Die Vorgehensweise bei diesem Geständnis wird im
 Suttavibhaṅga nicht dargestellt, ist jedoch dem Uposathakkhandhaka des Mahāvagga zu entnehmen
 (Mv 11.27.1): "Ihr Mönche, jener Mönch muß sich zu einem (anderen) Mönch begeben, das Obergewand über einer Schulter drapieren, sich niederhocken, die Begrüßung mit aneinandergelegten Händen
durchführen und so sprechen: ,Ich, Ehrwürdiger, habe ein Soundso-Vergehen begangen, dies gestehe
 ich.' Jener (andere) muß sagen: 'Siehst du es?' ― Ja, ich sehe es.' ― 'Enthalte dich (dieses Verhaltens) in Zukunft!'."

[8] Es ist davon auszugehen, daß diese besonderen Vorschriften erst nach der grundsätzlichen Erlaubnis der betreffenden Gegenstände entstanden sind. Die Erlaubnis ist jeweils in den Khandhakas enthalten (s. a. BD III, xix).

[10] Zur entsprechenden Formulierung in der Kasuistik zur Chedanaka-Pācittiya-Regel Pāc 87 (M+N)
 kommentiert die Samantapāsādikā (Sp 883,33-884,3): chinditvā paribhuñjati 'ti ettha sace na chinditukāmo hoti bhūmiyaṃ nikhaṇitvā pamāṇaṃ upari dasseti uttānaṃ katvā paribhuñjati. ukkhipitvā vā
tulāsaṅghāṭe thapetvā aṭṭaṃ katvā paribhuñjati sabbaṃ vaṭṭati: "Er benutzt (das Bett oder den
 Stuhl), nachdem er (die zu hohen Beine) abgeschnitten hat, ist: wenn er hier (die Beine) nicht abschneiden möchte, zeigt er auf das Maß, nachdem er (die Beine) in der Erde versenkt hat. Nachdem er
 (es so) deutlich gemacht hat, benutzt er (den Stuhl oder das Bett). Nachdem er (den Stuhl oder das 
Bett) wieder hochgehoben hat und die Bein-Pfosten entfernt hat und (so) den Fall erledigt hat, benutzt
er es, (dies) alles ist erlaubt."


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