DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Nālanda, am Saume des Mangowaldes der Stadt Pāvā. Da ist denn der ehrwürdige Sāriputto zum Erhabenen hingekommen, hat den Erhabenen ehrerbietig begrüßt und sich beiseite gesetzt. Beiseite sitzend hat dann der ehrwürdige Sāriputto zum Erhabenen also gesprochen:
«So klar geworden bin ich, o Herr, am Erhabenen: es war nicht und es wird nicht sein und ist auch gegenwärtig nicht ein anderer Asket oder Priester reicher als der Erhabene an Weistum, und zwar im Erwachtsein.»
«Gewaltig ist, Sāriputto, das kühne Wort, das du gesprochen, schlechthin behauptet, als Löwenruf hast erschallen lassen: <So klar geworden bin ich, o Herr, am Erhabenen: es war nicht und es wird nicht sein und ist auch gegenwärtig nicht ein anderer Asket oder Priester reicher als der Erhabene an Weistum, und zwar im Erwachtsein'; wie denn, Sāriputto: die da in vergangenen Zeiten Heilige, vollkommen Erwachte waren, alle jene Erhabenen hast du im Geiste geistig erfassend erkannt: <Also gelebt hatten jene Erhabenen, so und so, also gelehrt, also gewußt, also geweilt, also erlöst waren jene Erhabenen, so und so>?»
«Das wohl nicht, o Herr.»
«Wie aber, Sāriputto: die da in künftigen Zeiten Heilige, vollkommen Erwachte sein werden, alle jene Erhabenen hast du im Geiste geistig erfassend erkannt: <Also leben werden jene Erhabenen, so und so, also lehren, also wissen, also weilen, also erlöst sein werden jene Erhabenen, so und so>?»
«Das wohl nicht, o Herr.»
«Wie aber, Sāriputto: hast du gegenwärtig mich als Heiligen, vollkommen Erwachten im Geiste geistig erfassend erkannt: <Also lebt der Erhabene, so und so, lehrt also, weiß also, weilt also, also erlöst ist der Erhabene, so und so>?»
«Das wohl nicht, o Herr.»
«So hast du eben da, Sāriputto, von den vergangenen, künftigen, gegenwärtigen Heiligen, vollkommen Erwachten keine geistig durchdringende Kunde: wie denn also nur, Sāriputto, konntest du das gewaltige Wort, kühne Wort sprechen, schlechthin behaupten, als Löwenruf erschallen lassen: 'So klar geworden bin ich, o Herr, am Erhabenen: es war nicht und es wird nicht sein und ist auch gegenwärtig nicht ein anderer Asket oder Priester reicher als der Erhabene an Weistum, und zwar im Erwachtsein'?»
«Freilich gibt es, o Herr, von den vergangenen, künftigen, gegenwärtigen Heiligen, vollkommen Erwachten keine solche geistig durchdringende Kunde: gleichwohl hab' ich folgerecht erkannt. - Gleichwie etwa, o Herr, als wenn an des Königs Grenzen eine Burg steht, mit mächtigem Walle, mächtigen Mauern und Zinnen, und einem Eingang: da sei ein Torhüter, klug, erfahren, besonnen, der Unbekannte abweist, Bekannte einläßt. Der würde, indem er rings um die Festung im Kreisweg herumschritte, keinen Spalt in der Mauer, keinen Schlitz in der Mauer bemerken, nicht einmal um ein Kätzchen durchschlüpfen zu lassen, so daß er sich sagte: <Was auch immer für größeres Wesen diese Burg betreten oder verlassen will, ein jedes muß eben durch dieses Tor eintreten oder austreten (*31).> Ebenso nun auch, o Herr, hab' ich folgerecht erkannt: die da, o Herr, in vergangenen Zeiten, Heilige, vollkommen Erwachte waren, alle jene Erhabenen hatten die fünf Hemmungen (nivarana) aufgehoben, die Schlacken des Gemütes kennen gelernt, die lähmenden, hatten bei den vier Grundlagen der Achtsamkeit (satipatthana) den Geist wohlaufgepflanzt, die sieben Erweckungen (bojjhanga) der Wahrheit gemäß erwirkt, waren in der unvergleichlichen vollkommenen Erwachung auferwacht. Und die da, o Herr, in künftigen Zeiten Heilige, vollkommen Erwachte sein werden, alle jene Erhabenen werden die fünf Hemmungen aufheben, die Schlacken des Gemütes kennenlernen, die lähmenden, bei den vier Grundlagen der Achtsamkeit den Geist wohlaufpflanzen, die sieben Erweckungen der Wahrheit gemäß erwirken, werden in der unvergleichlichen vollkommenen Erwachung auferwachen. Der Erhabene aber, o Herr, hat jetzt als Heiliger, vollkommen Erwachter die fünf Hemmungen aufgehoben, die Schlacken des Gemütes kennen gelernt, die lähmenden, hat bei den vier Grundlagen der Achtsamkeit den Geist wohlaufgepflanzt, die sieben Erweckungen der Wahrheit gemäß erwirkt, ist in der unvergleichlichen vollkommenen Erwachung auferwacht.
«Einst war ich, o Herr, zum Erhabenen gekommen um die Lehre zu hören (*32). Da hat mir, o Herr, der Erhabene die Lehre dargelegt, weiter und weiter, inniger und inniger, mit ihren Teilen von dunkel und licht (*33). Je mehr und mehr nun, o Herr, der Erhabene die Lehre dargelegt hat, weiter und weiter, inniger und inniger, mit ihren Teilen von dunkel und licht, desto mehr und mehr hab' ich bei dieser Lehre Hellsicht erlangt und schon ein Ding bei den Dingen sicher herausgefunden, bin am Meister klar geworden: <Vollkommen erwacht ist der Erhabene, wohlkundgetan vom Erhabenen die Satzung, wohlvertraut die Jüngerschaft.>
«Ferner aber, o Herr, ist das unübertrefflich, wie der Erhabene die Lehre darlegt an heilsamen Dingen. Da sind dies die heilsamen Dinge, und zwar: die vier Grundlagen der Achtsamkeit, die vier gewaltigen Kämpfe, die vier Machtgebiete, die fünf Fähigkeiten, die fünf Vermögen, die sieben Erweckungen, der heilige achtfältige Weg. Da kann, o Herr, ein Mönch den Wahn versiegen lassen und die wahnlose Gemüterlösung, Weisheiterlösung noch bei Lebzeiten sich offenbar machen, verwirklichen und erringen. Das ist, o Herr, unübertrefflich an heilsamen Dingen, das hat der Erhabene restlos verstanden; und weil das der Erhabene restlos verstanden hat, gibt es darüber hinaus nichts mehr zu verstehen, wobei etwa ein anderer Asket oder Priester reicher als der Erhabene an Weisheit wäre, und zwar bei heilsamen Dingen.
«Ferner aber, o Herr, ist das unübertrefflich, wie der Erhabene die Lehre darlegt beim Aufweisen der Bereiche. Sechs gibt es, o Herr, der innerlich-äußerlichen Bereiche: das Auge und die Formen, das Ohr und die Töne, die Nase und die Düfte, die Zunge und die Säfte, den Leib und die Tastungen, das Denken und die Dinge. Das ist, o Herr, unübertrefflich beim Aufweisen der Bereiche, das hat der Erhabene restlos verstanden; und weil das der Erhabene restlos verstanden hat, gibt es darüber hinaus nichts mehr zu verstehen, wobei etwa ein anderer Asket oder Priester reicher als der Erhabene an Weisheit wäre, und zwar beim Aufweisen der Bereiche.
«Ferner aber, o Herr, ist das unübertrefflich, wie der Erhabene die Lehre darlegt in Bezug auf die Empfängnis. Vier Arten gibt es, o Herr, der Empfängnis: da kommt eben, o Herr, einer unbewußt in den Schoß der Mutter herab, unbewußt bleibt er im Schoße der Mutter, unbewußt kehrt er aus dem Schoße der Mutter hervor; das ist die erste Art der Empfängnis. Weiter sodann, o Herr: da kommt einer bewußt in den Schoß der Mutter herab, unbewußt bleibt er im Schoße der Mutter, unbewußt kehrt er aus dem Schoße der Mutter hervor; das ist die zweite Art der Empfängnis. Weiter sodann, o Herr: da kommt einer bewußt in den Schoß der Mutter herab, bewußt bleibt er im Schoße der Mutter, unbewußt kehrt er aus dem Schoße der Mutter hervor; das ist die dritte Art der Empfängnis. Weiter sodann, o Herr: da kommt einer bewußt in den Schoß der Mutter herab, bewußt bleibt er im Schoße der Mutter, bewußt kehrt er aus dem Schoße der Mutter hervor; das ist die vierte Art der Empfängnis. Das ist, o Herr, unübertrefflich in Bezug auf die Empfängnis.
«Ferner aber, o Herr, ist das unübertrefflich, wie der Erhabene die Lehre darlegt je nach der Art bestimmter Voranzeige. Vier Arten gibt es, o Herr, von bestimmter Voranzeige: da kann, o Herr, einer aus Anzeichen voranzeigen: <Daran denkst du, dies bedenkst du, das ist dein Gedanke>: und wenn er auch viel voranzeigt, genau so ist es, nicht anders; das ist die erste Art bestimmter Voranzeige. Weiter sodann, o Herr: da zeigt einer nicht wohl aus Anzeichen voran, vielmehr hat er von Menschen oder von Nichtmenschen oder von Geistern Töne vernommen, die er dann auslegt: <Daran denkst du, dies bedenkst du, das ist dein Gedanke>: und wenn er auch viel voranzeigt, genau so ist es, nicht anders; das ist die zweite Art bestimmter Voranzeige.
Weiter sodann, o Herr: da zeigt einer nicht wohl aus Anzeichen voran, noch auch hat er von Menschen oder von Nichtmenschen oder von Geistern Töne vernommen, die er dann auslegt, vielmehr hat er nachgesonnen und nachgedacht und nachsinnend einen Nachhall gehört, den er auslegt: <Daran denkst du, dies bedenkst du, das ist dein Gedanke>: und wenn er auch viel voranzeigt, genau so ist es, nicht anders; das ist die dritte Art bestimmter Voranzeige.
Weiter sodann, o Herr: da zeigt einer nicht wohl aus Anzeichen voran, noch auch hat er von Menschen oder von Nichtmenschen oder von Geistern Töne vernommen, die er dann auslegt, er hat auch nicht nachgesonnen und nachgedacht und nachsinnend einen Nachhall gehört, den er dann auslegt, aber in sinnend gedenkende Schauung eingegangen erfaßt er geistig den Geist und erkennt: <Wie bei diesem Lieben die gedanklichen Unterscheidungen gerichtet sind, so muß es bei ihm unverzüglich zu der und der geistigen Vorstellung kommen>: und wenn er auch viel voranzeigt, genau so ist es, nicht anders; das ist die vierte Art bestimmter Voranzeige. Das ist, o Herr, unübertrefflich je nach der Art bestimmter Voranzeige.
«Ferner aber, o Herr, ist das unübertrefflich, wie der Erhabene die Lehre darlegt bei der Erfüllung der Gesichte. Vier Arten gibt es, o Herr, von Erfüllung der Gesichte: da hat, o Herr, irgendein Asket oder Priester in heißer Buße, in stetem Kampfe, in ernster Übung, in unermüdlichem Eifer, in tiefer Bedachtsamkeit eine geistige Einigung errungen, wo er innig im Herzen eben diesen Körper da von der Sohle bis zum Scheitel, den hautüberzogenen, den unterschiedliches Unreine ausfüllt, sich betrachten kann: <Dieser Körper trägt einen Schopf, ist behaart, hat Nägel und Zähne, Haut und Fleisch, Sehnen und Knochen und Knochenmark, Nieren, Herz und Leber, Zwerchfell, Milz, Lungen, Magen, Eingeweide, Weichteile und Kot, hat Galle, Schleim, Eiter, Blut, Schweiß, Lymphe, Tränen, Serum, Speichel, Rotz, Gelenköl, Urin>; das ist die erste Art Erfüllung der Gesichte (*34).
Weiter sodann, o Herr: da hat irgendein Asket oder Priester in heißer Buße, in stetem Kampfe, in ernster Übung, in unermüdlichem Eifer, in tiefer Bedachtsamkeit eine geistige Einigung errungen, wo er innig im Herzen eben diesen Körper da von der Sohle bis zum Scheitel, den hautüberzogenen, den unterschiedliches Unreine ausfüllt, sich also betrachten kann: und indem er weiter eindringt in des Menschen Haut und Fleisch und Blut betrachtet er sich das Gerippe; das ist die zweite Art Erfüllung der Gesichte.
Weiter sodann, o Herr: da hat irgendein Asket oder Priester in heißer Buße, in stetem Kampfe, in ernster Übung, in unermüdlichem Eifer, in tiefer Bedachtsamkeit eine geistige Einigung errungen, wo er innig im Herzen sich darüber erhebt und am Menschen die Wellen des Bewußtseins gewahr wird, wie sie nach beiden Seiten ununterbrochen dahinfließen, in Brandung zu dieser Welt, in Brandung zu jener Welt; das ist die dritte Art Erfüllung der Gesichte.
Weiter sodann, o Herr: da hat irgendein Asket oder Priester in heißer Buße, in stetem Kampfe, in ernster Übung, in unermüdlichem Eifer, in tiefer Bedachtsamkeit eine geistige Einigung errungen, wo er innig im Herzen sich darüber erhebt und am Menschen die Wellen des Bewußtseins gewahr wird, wie sie nach beiden Seiten ununterbrochen dahinfließen, ohne Brandung zu dieser Welt, ohne Brandung zu jener Welt; das ist die vierte Art Erfüllung der Gesichte. Das ist, o Herr, unübertrefflich bei der Erfüllung der Gesichte.
«Ferner aber, o Herr, ist das unübertrefllich, wie der Erhabene die Lehre darlegt beim Aufweisen der Personen. Sieben Arten gibt es, o Herr, von Personen: da ist
Das ist, o Herr, unübertrefflich beim Aufweisen der Personen (*35).
«Ferner aber, o Herr, ist das unübertrefflich, wie der Erhabene die Lehre darlegt in Bezug auf die Kämpfe. Sieben gibt es, o Herr, der Erweckungen (bojjhanga), und zwar:
Das ist, o Herr, unübertrefflich in Bezug auf die Kämpfe.
«Ferner aber, o Herr, ist das unübertrefflich, wie der Erhabene die Lehre darlegt je nachdem man vorschreiten kann. Nach viererlei Art, o Herr, kann man vorschreiten: auf einem schmerzlichen Pfade, wo man langsam verstehen lernt, auf einem schmerzlichen Pfade, wo man eilends verstehen lernt; auf einem fröhlichen Pfade, wo man langsam verstehen lernt, auf einem fröhlichen Pfade, wo man eilends verstehen lernt. Was nun, o Herr, den Pfad betrifft, der schmerzlich und langsam zum Verständnis führt: ein solches Vorschreiten, o Herr, wird eben zwiefach als minder bezeichnet, wegen der Schmerzlichkeit und wegen der Langsamkeit. Was aber, o Herr, den Pfad betrifft, der schmerzlich und eilends zum Verständnis führt: ein solches Vorschreiten, o Herr, wird wegen der Schmerzlichkeit als minder bezeichnet. Was dann, o Herr, den Pfad betrifft, der fröhlich und langsam zum Verständnis führt: ein solches Vorschreiten, o Herr, wird wegen der Langsamkeit als minder bezeichnet. Und was nun, o Herr, den Pfad betrifft, der fröhlich und eilends zum Verständnis führt: ein solches Vorschreiten, o Herr, wird eben zwiefach als vorzüglich bezeichnet, wegen der Fröhlichkeit und wegen der Schnelligkeit. Das ist, o Herr, unübertrefflich in Bezug auf das Vorschreiten.
«Ferner aber, o Herr, ist das unübertrefflich, wie der Erhabene die Lehre darlegt je nachdem man zu reden hat. Da mag, o Herr, einer nicht wohl zur Lüge neigende Sprache führen, auch nicht Verkehrtes angeben, hinterrücks reden, auch keinen Anstoß erregen mit der Absicht auf Trumpf: besonnen, besonnen nur spricht er sich aus, reich an Inhalt, zur rechten Zeit. Das ist, o Herr, unübertrefflich in Bezug auf das Reden.
«Ferner aber, o Herr, ist das unübertrefflich, wie der Erhabene die Lehre darlegt je nachdem der Mensch sich betragen soll. Da mag, o Herr, einer wahrhaft sein und vertrauenswürdig, kein Späher und Verräter, kein Bezichtiger und Auskundschafter, nicht Vorteil um Vorteil zu erwuchern trachten; er wird die Tore der Sinne hüten, beim Mahle Maß halten, unbestechlich sein, der Wachsamkeit sich weihen, beharrlich, standhaft bleiben, kundig, einsichtig, begütigend bereit sein als einer, der Weg und Steg und Rat weiß, es reizen ihn keine Genüsse, sinnig und heiter wandelt er dahin. Das ist, o Herr, unübertrefflich in Bezug auf menschliches Betragen.
«Ferner aber, o Herr, ist das unübertrefflich, wie der Erhabene die Lehre darlegt je nach der Art des Gehorsams. Vier Arten gibt es, o Herr, von Gehorsam:
Das ist, o Herr, unübertrefflicher Bescheid je nach der Art des Gehorsams.
«Ferner aber, o Herr, ist das unübertrefflich, wie der Erhabene die Lehre darlegt eben also je nach dem Wissen von der Erlösung bei anderen Personen. Das ist, o Herr, unübertrefflicher Bescheid in Bezug auf das Wissen von anderer Personen Erlösung.
«Ferner aber, o Herr, ist das unübertrefflich, wie der Erhabene die Lehre darlegt bei den Behauptern der Ewigkeit. Drei Arten gibt es, o Herr, wie Ewigkeit behauptet wird.
«Ferner aber, o Herr, ist das unübertrefflich, wie der Erhabene die Lehre darlegt bei der erinnernden Erkenntnis früherer Daseinsformen. Da kann, o Herr, irgendein Asket oder Priester in heißer Buße, in stetem Kampfe, in ernster Übung, in unermüdlichem Eifer, in tiefer Bedachtsamkeit eine geistige Einigung erringen, wo er innig im Herzen an manche verschiedene frühere Daseinsform sich erinnert, mit je den eigentümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Beziehungen. Nun gibt es, o Herr, Wesen, bei denen es nicht möglich ist mit Zählen oder mit Rechnen die Dauer zu bestimmen; aber in was für einer Selbstgestaltung man auch einstmals bestanden haben mag, war es nun in formhafter Welt oder in formloser Welt, in bewußter Sphäre oder in unbewußter Sphäre oder in weder bewußt noch unbewußter Wesen Bereich: mit je den eigentümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Beziehungen ist da die erinnernde Erkenntnis früherer Daseinsformen erreichbar. Da gibt es, o Herr, unübertrefflichen Bescheid, wenn frühere Daseinsform erinnernd erkannt werden soll.
«Ferner aber, o Herr, ist das unübertrefflich, wie der Erhabene die Lehre darlegt bei der Erkenntnis vom Verschwinden und Erscheinen der Wesen. Da kann, o Herr, irgendein Asket oder Priester in heißer Buße, in stetem Kampfe, in ernster Übung, in unermüdlichem Eifer, in tiefer Bedachtsamkeit eine geistige Einigung erringen, wo er innig im Herzen mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Grenzen hinausreichenden, die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen sieht, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, er kann erkennen wie die Wesen je nach den Taten wiederkehren. <Diese lieben Wesen sind freilich in Taten dem Schlechten zugetan, in Worten dem Schlechten zugetan, in Gedanken dem Schlechten zugetan, tadeln Heiliges, achten Verkehrtes, tun Verkehrtes; bei der Auflösung des Leibes, nach dem Tode, geraten sie auf den Abweg, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in untere Welt. Jene lieben Wesen sind aber in Taten dem Guten zugetan, in Worten dem Guten zugetan, in Gedanken dem Guten zugetan, tadeln nicht Heiliges, achten Rechtes, tun Rechtes; bei der Auflösung des Leibes, nach dem Tode, geraten sie auf gute Fährte, in selige Welt.> So kann er mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Grenzen hinausreichenden, die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen sehn, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, er kann erkennen wie die Wesen ja nach den Taten wiederkehren. Da gibt es, o Herr, unübertrefflichen Bescheid, wenn das Verschwinden und Erscheinen der Wesen erkannt werden soll.
«Ferner aber, o Herr, ist das unübertrefflich, wie der Erhabene die Lehre darlegt bei der Entfaltung von Macht. Zwei Arten sind es, o Herr, von Machtentfaltung: es gibt, o Herr, eine Macht mit Wahn bestanden, mit Haften bestanden, die <nicht heilig> genannt wird; es gibt, o Herr, eine Macht ohne Wahn bestanden, ohne Haften bestanden, die <heilig> genannt wird. Was ist das aber, o Herr, für eine Macht, die mit Wahn bestanden, mit Haften bestanden, <nicht heilig> genannt wird? Da hat, o Herr, irgendein Asket oder Priester in heißer Buße, in stetem Kampfe, in ernster Übung, in unermüdlichem Eifer, in tiefer Bedachtsamkeit eine geistige Einigung errungen, wo er innig im Herzen auf mannigfaltige Weise Machtentfaltung an sich erfahren mag: als nur einer etwa vielfach zu werden, und vielfach geworden wieder einer zu sein; oder sichtbar und unsichtbar zu werden; auch durch Mauern, Wälle, Felsen hindurchzuschweben wie durch die Luft; oder auf der Erde auf- und unterzutauchen wie im Wasser; auch auf dem Wasser zu wandeln ohne unterzusinken wie auf der Erde; oder auch durch die Luft sitzend dahinzufahren wie der Vogel mit seinen Fittichen; auch etwa diesen Mond und diese Sonne, die so mächtigen, so gewaltigen, mit der Hand zu befühlen und zu berühren; etwa gar bis zu den Brahmawelten den Körper in seiner Gewalt zu haben. Das ist, o Herr, eine Macht mit Wahn bestanden, mit Haften bestanden, die <nicht heilig> genannt wird. Was ist es nun aber, o Herr, für eine Macht, die ohne Wahn bestanden, ohne Haften bestanden, <heilig> genannt wird? Da kann, o Herr, ein Mönch, wenn er sich wünscht: <Bei Widerwärtigem will ich unwiderwärtig gewahrbleiben>, dabei unwiderwärtig gewahrbleiben; wenn er sich wünscht: <Bei Unwiderwärtigem will ich widerwärtig gewahrbleiben>, dabei widerwärtig gewahrbleiben; wenn er sich wünscht: <Bei Widerwärtigem und Unwiderwärtigem will ich unwiderwärtig gewahrbleiben>, dabei unwiderwärtig gewahrbleiben; wenn er sich wünscht: <Bei Unwiderwärtigem und Widerwärtigem will ich widerwärtig gewahrbleiben>, dabei widerwärtig gewahrbleiben; wenn er sich wünscht: <Widerwärtiges und Unwiderwärtiges, beides will ich von mir weisen und gleichmütig bleiben, besonnen, klar bewußt>, dabei gleichmütig bleiben, besonnen, klar bewußt. Das nun, o Herr, ist eine Macht ohne Wahn bestanden, ohne Haften bestanden, die <heilig> genannt wird. Das ist, o Herr, der unübertreffliche Bescheid, wenn Macht entfaltet werden soll, das hat der Erhabene restlos verstanden; und weil das der Erhabene restlos verstanden hat, gibt es darüber hinaus nichts mehr zu verstehn, wobei etwa ein anderer Asket oder Priester reicher als der Erhabene an Weisheit wäre, und zwar bei der Entfaltung von Macht.
«Was da, o Herr, mit Vertrauen einem edlen Sohne erreichbar ist durch mutige Beharrlichkeit, Beständigkeit, durch Mannesgewalt, Manneskraft, Mannestapferkeit, Mannesausdauer: es ist vom Erhabenen erreicht worden. Denn der Erhabene, o Herr, ist nicht dem Genießen, am Wohlgenuß klebend, hingegeben, dem gewöhnlichen, gemeinen, alltäglichen, unheiligen, unheilsamen, und auch keiner Selbstkasteiung hingegeben, der leidigen, unheiligen, unheilsamen: dagegen hat der Erhabene die vier Schauungen, die das Herz erquicken, schon im Leben beseligen, nach Wunsch gewonnen, in ihrer Fülle und Weite.
«Wenn man, o Herr, mich da fragen würde: <Wie denn nun, Bruder Sāriputto: hat es in vergangenen Zeiten andere Asketen oder Priester gegeben, die reicher als der Erhabene an Weisheit waren, im Erwachtsein?>, so würd' ich, o Herr, auf diese Frage mit Nein antworten. <Oder wird es wohl, Bruder Sāriputto, in künftigen Zeiten andere Asketen oder Priester geben, die reicher als der Erhabene an Weisheit sein werden, im Erwachtsein?> Auch darauf, o Herr, würd' ich Nein sagen. <Wie aber nun, Bruder Sāriputto: gibt es in der Gegenwart andere Asketen oder Priester, die reicher als der Erhabene an Weisheit sind, im Erwachtsein?> Auch dies, o Herr, würd' ich mit Nein beantworten. Wenn man, o Herr, mich da fragen würde: <Wie aber nun, Bruder Sāriputto: hat es in vergangenen Zeiten andere Asketen oder Priester gegeben, die dem Erhabenen ganz gleich waren im Erwachtsein?>, so würd' ich, o Herr, auf diese Frage mit Ja antworten. <Und wird es wohl, Bruder Sāriputto, in künftigen Zeiten andere Asketen oder Priester geben, die dem Erhabenen ganz gleich sein werden im Erwachtsein?> Auch darauf, o Herr, würd' ich Ja sagen. <Wie denn aber, Bruder Sāriputto: gibt es in der Gegenwart andere Asketen oder Priester, die dem Erhabenen ganz gleich sind im Erwachtsein?> Darauf würd' ich, o Herr, mit Nein antworten. Und wenn man mich, o Herr, nun weiter befragte: <Warum hat wohl der ehrwürdige Sāriputto das eine zugegeben und das andere nicht zugegeben?>, so würd' ich, o Herr, auf diese Frage derart antworten: <Von Angesicht hab' ich es, Brüder, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: 'Es hat in vergangenen Zeiten Heilige, vollkommen Erwachte gegeben, die mir ganz gleich waren im Erwachtsein'; von Angesicht hab' ich es, Brüder, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: 'Es wird in künftigen Zeiten Heilige, vollkommen Erwachte geben, die mir ganz gleich sein werden im Erwachtsein'; von Angesicht hab' ich es, Brüder, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: 'Unmöglich ist es und kann nicht sein, daß in ein und derselben Weltordnung zwei Heilige, vollkommen Erwachte zugleich auftreten könnten: ein solcher Fall kommt nicht vor.'> Vielleicht hab' ich, o Herr, mit solcher Antwort auf solche Frage auch wirklich die Worte des Erhabenen gebraucht und den Erhabenen nicht mit Unrecht angeführt und der Lehre gemäß geredet, so daß sich da kein entsprechender Folgesatz als ungehörig erweisen kann.»
«Gewiß hast du, Sāriputto, mit solcher Antwort auf solche Frage auch wirklich meine Worte gebraucht und mich nicht mit Unrecht angeführt und der Lehre gemäß geredet, so daß sich da kein entsprechender Folgesatz als ungehörig erweisen kann.»
Nach diesem Bezeugnis hat der ehrwürdige Udāyī sich also an den Erhabenen gewandt:
«Wunderbar, o Herr, außerordentlich, o Herr, ist des Vollendeten Genügsamkeit, Zufriedenheit, Abgeschiedenheit, da ja doch der Vollendete so hohe Macht, so hohe Gewalt erworben hat, aber sich eben nicht zu erkennen geben mag. Wäre davon, o Herr, auch nur ein oder das andere Ding den andersfährtigen Pilgern bei sich zu gewahren möglich, sie würden damit schon eine Flagge aufhissen. Wunderbar, o Herr, außerordentlich, o Herr, ist des Vollendeten Genügsamkeit, Zufriedenheit, Abgeschiedenheit, da ja doch der Vollendete so hohe Macht, so hohe Gewalt erworben hat, aber sich eben nicht zu erkennen geben mag.»
«Ja sieh' nur, Udāyī, wie der Vollendete genügsam, zufrieden, abgeschieden bleibt, da ja doch der Vollendete so hohe Macht, so hohe Gewalt erworben hat, aber sich eben nicht zu erkennen geben mag. Wäre freilich, Udāyī, davon auch nur ein oder das andere Ding den andersfährtigen Pilgern bei sich zu gewahren möglich, so würden sie damit schon eine Flagge aufhissen. Ja sieh' nur, Udāyī, wie der Vollendete genügsam, zufrieden, abgeschieden bleibt, da ja doch der Vollendete so hohe Macht, so hohe Gewalt erworben hat, aber sich eben nicht zu erkennen geben mag (*37).»
Da hat nun der Erhabene sich an den ehrwürdigen Sāriputto gewandt:
«Wohlan denn, Sāriputto, so magst du diesen Gedankengang wiederholt darstellen, vor Mönchen und Nonnen, vor Anhängern und Anhängerinnen. Denn wenn auch wohl, Sāriputto, unter eitlen Menschen manche am Vollendeten ein Zweifel oder ein Bedenken ankommen mag, so können auch solche, wenn sie diesen Gedankengang vernommen haben, Zweifel oder Bedenken am Vollendeten verlieren.»
So hat da der ehrwürdige Sāriputto im Angesicht des Erhabenen die Klarheit
kundgetan. Darum eben ist diese Ausführung 'Um klar zu werden' benannt.
Fußnoten:
(*31) Das Tor gilt als Eingang zur Ewigkeit, amatam, eigentlich Unsterblichkeit, wo es kein Geborenwerden, Altern und Sterben mehr gibt. Ebenso in unserer 14. u. 18. Rede, in der 26., 52. u. 85. der Mittleren Sammlung, auch im Samyuttakanikāyo II 53-55 (56-59): «an das Tor der Unsterblichkeit getreten.» Daher ist zu verstehen, warum Gotamo den Vollender einen «Riegelheber» genannt hat, ukkbittapaligho iti, Mittlere Sammlung 163. Auf die vermerkten, wohlbekannten Andeutungen und Hinweise des Meisters nimmt Sāriputto, im Gleichnis oben, mit Bezug wenn er sagt, daß einem jeden nur «eben durch dieses Tor» der Eintritt oder Austritt möglich sei.
(*32) Das ganze vorangehende Stück ist in unserer 16. Rede wiederholt. Es zeigt die Zuversicht des Anhalts, die in der Anschauung wurzelt und beim erfahrenen Jünger durch keinerlei wetterwendische Gezeiten und Gewalten irgend wieder verstört und verwaschen werden kann, nach der schönen Darstellung am Ende des Simsapāvana-vaggo des Samyuttakanikāyo, mitgeteilt in der Anmerkung zu v. 229 der Bruchstücke der Reden. Auch darf hier wohl einer Unterredung mit dem Sakkerfürsten Godhā gedacht werden, desselben, von dem die Strophen 842-865 der Lieder der Mönche überliefert sind; jener Unterredung, die gleichfalls in den Samyuttakanikāyo 55.23 aufgenommen wurde. Die beiden befreundeten Sakkerfürsten Mahānāmo und Godhā begeben sich, als Gotamo auf der Wanderschaft bei Kapilavatthu verweilt, zum Meister hin. Nachdem nun Mahānāmo, aus der 14. Rede der Mittleren Sammlung uns bereits bekannt, sein Gespräch mit Godhā über die begründete Zuversicht zum Meister, zur Lehre, zur Jüngerschaft und viertens ganz allgemein zu den von Verständigen gepriesenen Eigenschaften dargelegt hat, sagt er dann noch:
<Es könnte etwa, o Herr, bei der Lehre irgendein neuer Begriff entstehen: auf der einen Seite wäre der Erhabene, auf der anderen Seite die Schar der Mönche, der Nonnen, der Anhänger und Anhängerinnen, die Welt mit ihren Göttern, ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schar von Priestern und Büßern, Göttern und Menschen. Wo aber da der Erhabene wäre, da wäre auch ich: so klar geworden möge mich, o Herr, der Erhabene betrachten.> Nun fragt der Meister: <Was hast du, Godhā, Mahānāmo dem Sakker darauf zu erwidern?> Und Godhā antwortet: <Darauf hab' ich, o Herr, Mahānāmo dem Sakker nicht das geringste zu erwidern, außer daß es recht und billig ist.>
Eine solche Zuversicht ist weit entfernt vom bloßen Glauben. Wie unverbindlich übrigens Gotamo alle bloße Glaubenszuversicht und dergleichen gehalten hat, ist seinen Ansprachen und Darlegungen oft und oft zu entnehmen, jederzeit, z.B. in der 22. und 38. Rede der Mittleren Sammlung, insbesondere bei der letzteren. So findet sich auch im Samyuttakanikāyo ein sehr bezeichnendes Stück, ed. Siam. vol. IV p. 171-174 (PTS 138-140), in der folgenden kurzen Ansprache an die Jünger.
«Es gibt», sagt da Gotamo, «eine Art und Weise, bei welcher der Mönch auch ohne Glauben, ohne Billigung, ohne Hörensagen, ohne Erwägung der Umstände, ohne geduldig in die Sätze Einsicht zu nehmen die Gewißheit bekunden kann: <Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum, gewirkt das Werk>, und er <nicht mehr ist diese Welt> versteht. Was ist das aber, ihr Mönche, für eine Art und Weise? Hat da, ihr Mönche, ein Mönch mit dem Auge eine Form gesehen, und er empfindet noch Gier, Haß, Irre, so weiß er <Ich empfinde noch Gier, Haß, Irre>; empfindet er nicht mehr Gier, Haß, Irre, so weiß er <Ich empfinde nicht mehr Gier, Haß, Irre.> Wenn nun, ihr Mönche, ein Mensch also weiß, sind dann wohl etwa, ihr Mönche, diese Dinge durch Glauben zu erklären, oder durch Billigung, oder durch Hörensagen, oder durch Erwägung der Umstände, oder durch geduldiges Einsichtnehmen in die Sätze?» - «Gewiß nicht, o Herr.» - «Sind sie da nicht, ihr Mönche, als durch Weisheit erkannt zu erklären?» - «So ist es, o Herr.» - «Das aber ist, ihr Mönche, eine Art und Weise, bei welcher der Mönch auch ohne Glauben, ohne Billigung, ohne Hörensagen, ohne Erwägung der Umstände, ohne geduldig in die Sätze Einsicht zu nehmen die Gewißheit zu bekunden vermag: <Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum, gewirkt das Werk>, und er <nicht mehr ist diese Welt> versteht. Weiter sodann, ihr Mönche: hat ein Mönch mit dem Ohr einen Ton gehört, mit der Nase einen Duft gerochen, mit der Zunge einen Saft geschmeckt, mit dem Leibe eine Tastung getastet, mit dem Gedenken ein Ding erkannt, und er empfindet noch Gier, Haß, Irre, so weiß er <Ich empfinde noch Gier, Haß, Irre>; empfindet er nicht mehr Gier, Haß, Irre, so weiß er <Ich empfinde nicht mehr Gier, Haß, Irre.> Wenn nun, ihr Mönche, ein Mönch also weiß, sind dann wohl etwa, ihr Mönche, diese Dinge durch Glauben zu erklären, oder durch Billigung, oder durch Hörensagen, oder durch Erwägung der Umstände, oder durch geduldiges Einsichtnehmen in die Sätze?» - «Gewiß nicht, o Herr.» - «Sind sie da nicht, ihr Mönche, als durch Weisheit erkannt zu erklären?» - «So ist es o Herr.» - «Das aber ist ihr Mönche, eine Art und Weise, bei welcher der Mönch auch ohne Glauben, ohne Billigung, ohne Hörensagen, ohne Erwägung der Umstände, ohne geduldig in die Sätze Einsicht zu nehmen die Gewißheit zu bekunden vermag: <Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum, gewirkt das Werk>, und er <nicht mehr ist diese Welt> versteht.» -
Man darf den gotamidischen Jünger mit Recht den ungläubigsten Menschen nennen, da ihm nicht anders wie dem Meister selbst das Bekenntnis zukommt: «Das aber sag' ich und hab es nicht etwa von irgend einem Asketen oder Priester reden hören: sondern was ich eben selbst erkannt, selbst gesehen, selbst gefunden habe, das nur sage ich»: Mittlere Sammlung 295 u. 973. Dem Orden Gotamos ist also nichts ferner als Geheimniskrämerei, Adeptenweihe, Hagiosität, alles was man kurz mit dem übelberüchtigten Worte Mystik bezeichnet. Wie das Leuchten der Sonne offenbar ist und nicht geheim, so ist auch das Leuchten der Lehre und Ordnung, die der Vollendete anzeigt, offenbar und nicht geheim, erklärt Gotamo, Angutaranikāyo III.132 (PTS 129).
Gerade im Gegensatz dazu steht das ängstliche Blinzeln und die Verschwommenheit, der trübe, kümmerliche Anblick, worüber sich BERTHOLD VON REGENSBURG so ehrlich ausspricht: Wenn nun die lichte Sonne den heiligen Christenglauben bezeichnet, so sollt ihr doch nicht fest in die Sonne sehn. Es hat niemand so starke Augen, und will er zu lange und zu fest in die Sonne und in das strahlende Rad der Sonne sehn, so wird er überaus krank an seinen Augen, daß er's nimmer überwindet; oder er wird gar blind, daß ihm stockfinster wird. Auf gleiche Weise soll niemand zu fest in den rechten Christenglauben sehn: denn sonst wird er so krank an dem Glauben, daß er's nimmer überwindet, oder er wird aber gar zu einem Ketzer: ed. PFEIFFER I, p.265.
Bei allen unseren Gesprächen nun über das bloße Hörensagen und über den Glaubenspunkt ergibt sich so klar wie oben im Text aus der Unterredung Sāriputtos mit dem Meister, daß die Satzung Gotamos eine ganz unpersönliche ist, rein sachlich gefaßt und vorgetragen: ein echtes Anzeichen, eine sichere Gewähr, wenn auch zunächst absonderlich, gerade für die ungeheuere Geisteskraft und Geisteszucht einer Persönlichkeit, die jede eigene, nach Zeit und Ort bestimmte Beschränkung vollständig überwunden hatte. Einer der merkwürdigsten Belege dafür ist auch der Bericht über Sāriputtos Tod, im Samyuttakanikāyo, letzter Band, S. 175-177 der siamesischen Ausgabe (PTS 161-163). Ein junger Mönch kommt zu Anando und bringt ihm die Nachricht, daß der ehrwürdige Sāriputto nach einer schweren Erkrankung gestorben, erloschen ist: und er überreicht ihm zugleich dessen Mantel und Almosenschale. Da sucht nun Anando den Erhabenen auf, verbeugt sich ehrerbietig und setzt sich beiseite. Dann erzählt er das Ereignis, weist Mantel und Schale vor und fügt hinzu: «Da ist mir denn, o Herr, der Körper wie süßen Mostes trunken geworden, und ich weiß nicht links und nicht rechts und kann an nichts mehr denken, seitdem ich erfahren habe: der ehrwürdige Sāriputto ist erloschen!» Daraufhin fragt nun der Meister: «Hat denn wohl, Anando, Sāriputto die Stücke der Tugend dir weggenommen und ist damit erloschen? Oder hat er die Stücke der Einigung, hat er die Stücke der Weisheit, die Stücke der Erlösung, die Stücke der Wissensklarheit von der Erlösung dir weggenommen und ist damit erloschen?» -«Das wohl nicht, o Herr: aber der ehrwürdige Sāriputto war mir ein Lehrer; er hat mich aufgeklärt, ermuntert, ermutigt, erregt und erheitert, unermüdlich war er im Darlegen der Satzung, ein Förderer der rechten Asketen: wie kräftig und mächtig der ehrwürdige Sariputto die Lehre gefördert hat, dessen gedenken wir.» - «Hab' ich denn das, Anando, nicht vorher schon verkündet, daß alles, was einem lieb und angenehm ist, verschieden werden, aus werden, anders werden muß? Wie doch nur wär' es, Anando, möglich, daß was geboren, geworden, zusammengesetzt, dem Verfall unterworfen ist, da doch nicht verfallen sollte: das gibt es nicht. Gleichwie etwa, Anando, wenn bei einem großen kräftig bestehenden Baume sein größter Zweig abstürbe: ebenso nun auch, Anando, ist bei der großen kräftig bestehenden Jüngerschaft Sāriputto erloschen. Wie doch nur wär' es, Anando, möglich, daß was geboren, geworden, zusammengesetzt, dem Verfall unterworfen ist, da doch nicht verfallen sollte: das gibt es nicht. Darum aber, Anando, wahrt euch selber als Leuchte, selber als Zuflucht, ohne andere Zuflucht, die Lehre als Leuchte, die Lehre als Zuflucht, ohne andere Zuflucht.» Und es folgt nun die wohlbekannte Darstellung der vier Grundlagen der Achtsamkeit, die den Mittelpunkt der Lehre Gotamos bilden, den geraden Weg anzeigen, der zur Läuterung der Wesen, zur Überwältigung des Schmerzes und Jammers, zur Zerstörung des Leidens und der Trübsal, zur Gewinnung des Rechten, zur Verwirklichung der Erlöschung führt: die allen Erwachten eigentümliche Lehre, die doch ohne Eigentum und ohne Persönlichkeit immer gilt. Gotamo hat hier nichts weiter getan als diese Lehre auf die einfachste Formel zu bringen.
(*33) Dunkel und licht, oder schwarz und weiß, kanhasukkam, was wir gewöhnlich gut und böse heißen. Vergl. die 18. Rede. Wie die Überwindung der beiden Gegensätze zu verstehn sei, ist anschaulich durch das Gleichnis vom Floß gezeigt, in der 22. Rede der Mittleren Sammlung: die Lehre des Meisters gilt dem Jünger als Floß, das er sich selber aus ihr zusammenfügen muß, um sodann, mit Händen und Füßen arbeitend, vom diesseitigen Ufer voller Gefahren und Schrecken an das jenseitige Ufer heil hinüber zu gelangen. Ist er aber dort, im sicheren Hafen, angelangt, so läßt er nun das Floß hinter sich liegen und kümmert sich nicht mehr darum. So behandelt er das Floß nach Gebühr. «Ebenso nun auch, ihr Mönche», schließt dann Gotamo ab, «habe ich die Lehre als Floß dargestellt, zum Entrinnen tauglich, nicht zum Festhalten.
Die ihr das Gleichnis vom Floße, ihr Mönche, verstehet,
Ihr habt auch das Rechte zu lassen, geschweige das Unrecht.»
(*34) Der tiefere Gehalt dieser Betrachtung wird von Sāriputto in der 28. Rede der Mittleren Sammlung erörtert, wobei sich ergibt, daß ein <Ich> oder <Mein> oder <Bin> dem Körper nicht zugesprochen werden kann, vielmehr <Nichts ist sein> in Wirklichkeit gilt.
Die geistig gepflegte Leichenbetrachtung ist als eine gründliche Erkenntnis des Unschönen, asubbam, im Orden Gotamos eines der auszeichnenden Merkmale, das immer eifriger Beachtung empfohlen wird. Als sich der Meister einmal wieder, wie er das von Zeit zu Zeit zu tun liebte, auf ein paar Wochen in gänzliche Einsamkeit zurückzieht, hält er vorher noch eine Ansprache an die Jünger, zeigt ihnen auf mannigfache Weise eben jene Unschönheit an, empfiehlt die Übung in solcher Gedankenzucht. - Wie nun der Herr nach einigen Wochen aus der Einsamkeit wiederkehrt, findet er nur mehr wenige Mönche vor und fragt Anando, wie es komme, daß die Schar der Jünger so spärlich geworden. Anando gibt alsbald die Aufklärung und berichtet, daß die Jünger sich die Worte des Meisters über die Unschönheit zu Herzen genommen und gar eifrig solche Gedankenzucht gepflegt hatten. Da wurden sie denn über diesen Körper entsetzt, es kam sie Grauen und Abscheu an; und ihrer viele sind freiwillig aus dem Leben geschieden, haben zur Waffe gegriffen, sich umgebracht; erst zehn Mönche täglich, dann zwanzig, dreißig Mönche sind an einem Tage abgeschieden. Da möge jetzt der Erhabene so gut sein und auf andere Weise die Satzung darlegen, damit diese Jüngerschaft wissend geworden ausharre. Auf diesen Bescheid hin läßt Gotamo die übriggebliebenen Jünger durch Anando zu sich berufen. Nachdem sie versammelt sind, spricht nun der Meister nicht etwa irgendeine Mißbilligung über das Geschehene aus, sondern sagt nur: auch die Pflege und Ausbildung der bedachtsam geübten Ein- und Ausatmung wirkt einigend, beruhigend, ist da ein edler, erquickender, glücklicher Zustand, wo man schlechte, unheilsame Dinge, die einen je und je ankommen, sehr wohl schwinden lassen, auflösen kann. Samyuttakanikāyo, ed. Siam. vol. V p. 312-314 (PTS 320-322).
(*35) Die Ausführung findet sich in der Mittleren Sammlung 511-513. Den Körperzeugen, kāyasakkhī, erklärt Anando, nach dem Worte des Meisters, dahin, daß es ein Mönch ist, der die acht Wohlzustände, phāsuvihārā, erworben hat: die vier Schauungen und die vier unbegrenzten Bereiche der Raumsphäre usw.; je mehr und mehr er nun da Bereich um Bereich versteht, desto mehr und mehr hat er es leibhaftig erfahren und gefunden. «Insofern aber, ihr Brüder, hat der Erhabene von einem Körperzeugen gesprochen, je nach dem Standpunkt. Weiter sodann, ihr Brüder, hat der Mönch nach völliger Überwindung der Grenzscheide möglicher Wahrnehmung die Auflösung der Wahrnehmbarkeit erreicht, und des weise Sehenden Wahn versiegt; je mehr und mehr er nun den Bereich da versteht, desto mehr und mehr hat er es leibhaftig erfahren und gefunden. Insofern aber, ihr Brüder, hat der Erhabene von einem Körperzeugen gesprochen, nach keinerlei Standpunkt.» Anguttaranikāyo, Navakanipāto 43, ed. Siam. p. 113f.
(*36)
Die Ansicht, daß das Selbst und die Welt ewig bestehe; also die Lehre von der
Ewigkeit der Weltseele usw., ist bekanntlich der unerschöpfliche Stoff der
Upanischaden. Bei Gotamo gilt so etwas natürlich nur als müßige Ansicht, als mit
eine von den Lehren, die nur in Geschwätz auslaufen können. Denn trotz aller
Schönrednerei handelt es sich auch dort schließlich doch immer bloß wieder um
die fünf Stücke des Anhangens, woran der Mensch nicht genug haben kann, mag er
seine Gedanken auch noch so erhaben einkleiden und verkleiden, mag er sie auch
so tief zu deuten verstehn. Über jene fünf Stücke kommt er nie hinaus. In ihnen
ist daher auch die Ansicht von der Weltseele beschlossen und mit ihnen erledigt.
«Wenn was ist», fragt Gotamo, Samyuttakanikāyo ed. Siam. vol. III p. 180 (PTS
202), «woran gehangen, worin bestanden, kommt eine solche Ansicht auf: 'Keine
Winde wehen, keine Flüsse strömen, keine Schwangeren gebären, kein Mond und
keine Sonne gehn auf und gehn unter, an grundfest gegründeter Stätte'?» Und die
Antwort gibt der Meister selbst: «Wenn Form ist, an Form gehangen, in Form
bestanden, in Gefühl, in Wahrnehmung, in Unterscheidungen, in Bewußtsein
bestanden, kommt diese Ansicht auf: 'Keine Winde wehen, keine Flüsse strömen,
keine Schwangern gebären, kein Mond und keine Sonne gehn auf und gehn unter, an
grundfest gegründeter Stätte'.» Da nun alles was gesehn, gehört, gedacht,
erkannt, erreicht, erforscht, im Geiste untersucht wird, vergänglich, leidig,
wandelbar ist, zweifelt der erfahrene Jünger nicht mehr an dem leeren Gerede
auch über die Weltseele oder die grundfest gegründete Stätte, wo keine
Schwangeren gebären usw.; oder wie JESUS gesagt hat: wo es kein freien und
gefreit werden mehr geben soll. Denn wäre der Jünger, bis dahin vorgedrungen,
schon damit zufrieden, so hätte er zwar viel erreicht, aber doch noch die zarte
Sphäre der Mignon gestreift, wo es heißt:
Und jene himmlischen Gestalten,
Sie fragen nicht nach Mann und Weib.
Gotamos glatte Ablehnung des Vernünftelns über was immer für ein Ding an sich, das Ansichseiende oder Ansichnichtseiende usw., zeigt unzweifelhaft an, daß die von mancher Seite gern vorgebrachten transszendenten oder übergreiflichen Stellen aus dem letzten Abschnitt des Udānam, deren Bedenklichkeit auch DAHLKE gemerkt hat, Buddhismus als Religion und Moral, Leipzig 1914, S. 171-173, nur spätere Zutat sein können.
(*37) Udāyī, an den sich hier Sāriputto gleichsam epodisch abschließend gewandt hat, war einer der hervorragenderen Jünger. Er erscheint noch in der Mittleren Sammlung 429f., 482-490, 998 und in den Liedern der Mönche ist ein herrlicher Strophengesang unter seinem Namen überliefert, Thera. 689-704. Er selbst stellt den Gang seiner geistigen Entwicklung sehr schön dar, im Samyuttakanikāyo erhalten, Mahāvāravaggo Ende des Udāyivaggo, vol. V. (Die Ausgabe der Pali Textsociety ist auch bei dieser Sammlung leider so flüchtig hergestellt, daß sie oft im Stiche läßt und daher nur wegen der Varianten und vergleichsweise zu benützen ist: so schließt z.B. der Bericht vol. V p.90, mit dem Schreibfehler pajānissāmī ti ab, während die Handschriften und die ed. Siam. natürlich das richtige pajānissasī ti haben usw.) Udāyīs eigenes kurzes Bekenntnis ist für ihn und jene großen Gestalten und Erinnerungen so bezeichnend, daß es hier vollständig folgen mag:
«Zu einer Zeit weilte der Erhabene im Lande der Sumbher, bei Setakam, wie eine Burg im Sumbherlande heißt. Da ist denn der ehrwürdige Udāyī zum Erhabenen herangekommen, hat den Erhabenen ehrerbietig begrüßt und beiseite Platz genommen. Beiseite sitzend wandte sich nun der ehrwürdige Udāyī also an den Erhabenen: <Erstaunlich, o Herr, außerordentlich ist es, o Herr, wie gar sehr es mich eben, o Herr, gefördert hat, daß ich beim Erhabenen Liebe und Ergebenheit gewonnen, demütig und mürbe werden gelernt habe! Denn früher, o Herr, als ich im häuslichen Stande lebte, hab' ich mir nicht viel aus der Lehre gemacht, nicht viel aus der Jüngerschaft gemacht. Als ich aber, o Herr, zu merken anfing, daß ich beim Erhabenen Liebe und Ergebenheit empfand, demütig und mürbe zu werden begann, bin ich aus dem Hause in die Hauslosigkeit gezogen. Da hat mir denn der Erhabene die Lehre dargelegt: 'So ist die Form, so entsteht sie, so löst sie sich auf; so ist das Gefühl, so entsteht es, so löst es sich auf; so ist die Wahrnehmung, so entsteht sie, so löst sie sich auf; so sind die Unterscheidungen, so entstehen sie, so lösen sie sich auf; so ist das Bewußtsein, so entsteht es, so löst es sich auf.' Und ich bin dann, o Herr, in eine leere Klause gegangen und habe diese fünf Stücke des Anhangens nach oben und nach unten herumgedreht und habe 'Das ist das Leiden' der Wahrheit gemäß verstanden, Das ist die Leidensentwicklung' der Wahrheit gemäß verstanden, 'Das ist die Leidensauflösung' der Wahrheit gemäß verstanden, 'Das ist der zur Leidensauflösung führende Pfad' der Wahrheit gemäß verstanden. Die Lehre hab' ich, o Herr, begriffen, die Fährte hab' ich betreten, die mich bei Pflege und Übung und immer weiterem Vordringen dahin bringen wird, daß ich 'Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt' verstehen werde.
Der Achtsamkeit Erweckung, o Herr, der Gesetzesergründung, der Willenskraft, der Verzückung, der Gestilltheit, der Sammlung, des Gleichmuts Erweckung hab' ich gefunden; die werden mich bei Pflege und Übung und immer weiterem Vordringen dahin bringen, daß ich 'Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt' verstehn werde. Das ist, o Herr, die Fährte, die ich gefunden habe: die wird mich bei Pflege und Übung und immer weiterem Vordringen dahin bringen, daß ich 'Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt' verstehn werde.> - <Recht so, recht so, Udāyī. Da hast du wohl, Udāyī, jene Fährte gefunden, die dich bei Pflege und Übung und immer weiterem Vordringen dahin bringen wird, daß du 'Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt' verstehn wirst.>»
Mit der gerechten Würdigung und Wertschätzung, die oben am Ende der Rede
Udāyī und Sāriputto verlauten lassen, vergleiche man die entsprechende Stelle in
der 4. und 12. Rede der Mittleren Sammlung, S. 25 und 93, über das «wahnlose
Wesen» als das sich Gotamo selbst bezeichnet.