PETA-VATTHU

Buch I - Uraga Vagga

I,4: Die Teig-Puppe - Piṭṭhadhītalikapetavatthu

Anāthapindiko hatte eine Enkelin, die noch ein kleines Kind war. Ihre Amme gab ihr eines Tages eine Puppe aus Teig, aus Mehl gebacken, zum Spielen. Das Kind freute sich sehr darüber und sprach von dieser Puppe nur als von ihrer Tochter. Als sie aber einmal nicht aufpasste, da fiel die Puppe auf die Erde, und der Keksteig, der ganz hart geworden war, zerbrach. Das Kind aber war untröstlich und jammerte immer: "Meine Tochter ist gestorben. "Niemand vermochte sie zu trösten.

Damals hatte Anāthapindiko gerade den Buddha zum Mahle geladen, und beide saßen zusammen. Da kam die Amme mit dem Kind zu Anāthapindiko. Er fragte, warum sie denn weine. Die Amme erzählte den Grund. Da nahm er das Kind auf den Schoß und sagte tröstend: "Ich werde für deine Tochter Almosen spenden." Dann wandte er sich an den Buddha und sprach: "Ich möchte gern für die Puppe, meine Urenkelin, Almosen spenden. Gut wäre es, wenn der Erhabene mit 500 Mönchen morgen zum Mahle zu mir käme." Der Erwachte stimmte schweigend zu. Am nächsten Tage fand das Essen statt. Am Ende wandte sich der Buddha mit folgenden Versen an Anāthapindiko:

 

(10)
Auf wen bezogen man auch ist,
wenn ohne Geiz man Gabe gibt,
sei's für die Vorverstorbenen,
sei's für des Hauses Götter hier,
 
 (11)
für die Vier Großen Könige,
die Weltenhüter, ruhmesreich,
Kuvero, Dhatarattho auch,
Virūpakkho,Virūlhako,
die werden alle so verehrt,
und Geber sind nicht ohne Frucht.
 
(12)
Was aber Weinen, Kummer ist,
Wehklagen oder was es sei,
nicht nützen die Verwandten so
dem Peta im geringsten nur.
 
(13)
Doch wer hier jene Gabe gibt,
verwendend für den Orden sie,
dem wird für lange Zeiten dies
zum Vorteil dienen ganz gewiß.

Bemerkungen:

Vers 10: Vorverstorbene (pubba-peta). Hier steht Peta im allgemeinen Sinne als Tote, aber durch die Konfrontation mit den dann genannten Göttern doch auf die Welt der Gespenster (Peta) bezogen. (Ebenso siehe Pv A p. 92 (Ü: S. 100 für Pv II,5)

Die Hausgötter (vatthu-deva) sind die Erdgötter von Grund und Boden (vatthu), den römischen Laren vergleichbar. Sie gehören zu den Untergebenen der Vier Großkönige, deren Namen in Vers 11 genannt sind. Jeder steht einer Gruppe Jenseitiger vor.

Vers 12/3 = Vers 23/4


I,5: Außerhalb der Mauern - Tirokuṭṭapetavatthu

In jenem Weltzeitalter, das dem 91. Äon mit dem Buddha Vipassi unmittelbar voranging, lebte in einer Stadt namens Kāsipurī König Jayasena. Seine Frau, Königin Sīrimā, gebar einen Sohn, Phussa. Dieser war ein Bodhisatta und ging bald in die Hauslosigkeit und erreichte die Erwachung. Der König war sehr stolz auf seinen Sohn und nahm in Anspruch, daß er allein für ihn und den Orden sorgte. Der König hatte aber noch drei Söhne, von einer anderen Frau, die dachten, daß ein Buddha für die ganze Welt erscheint, nicht nur für einen Menschen, wie ihren Vater. So veranlaßten sie, daß an der Grenze Unruhe auszubrechen schien. Als der König davon hörte, sandte er seine drei Söhne zur Beschwichtigung. Sie waren erfolgreich. Der König war hocherfreut und stellte ihnen die Erfüllung eines Wunsches in Aussicht. Da wünschten sie, auch dem Buddha Phussa aufwarten zu dürfen. Der König aber schüttelte den Kopf: "Alles könnt ihr wünschen, nur das nicht." Sie baten, wenigstens für eine Zeit den Ordenversorgen zu dürfen. Für sieben Jahre? Sie gingen immer weiter herunter, aber jedes Mal verweigerte der König es. Als sie schließlich bei drei Monaten angekommen waren, gab er nach. So versorgten die drei den Buddha, ihren Halbbruder, für die drei Monate der Regenzeit mit allem Notwendigen. Sie hatten dafür ihren Gouverneur in der Gegend, wo der Buddha weilen würde, instruiert, ein Kloster zu bauen und alles heranzuschaffen, was nötig war. Als alles bereit war und die Regenzeit begann, begaben sie sich mit zahlreichen Helfern zu dem neuen Kloster und versorgten den Buddha und den Orden die drei Monate. Alles wurde gut organisiert, und die Bevölkerung half eifrig mit. Es gab aber ein paar Chaoten, die versuchten, die Spenden zu verhindern. Sie unterschlugen sie und aßen selber davon. Dann steckten sie den Eßsaal in Brand. Das Spenden aber konnten sie nicht verhindern. Nach Ablauf der Regenzeit kehrten die Prinzen und ihre Helfer nach Kāsipurī zurück. Der Buddha Phussa aber wanderte mit ihnen und ging dann ins Nirvāna ein.

Nachdem die drei Königssöhne und ihr Gouverneur und andere Helfer gestorben waren, wurden sie in den Himmeln wiedergeboren. Die Chaoten aber in den Höllen. Und wenn diese beiden Gruppen in ihrem Bereich gestorben waren, erschienen sie jeweils dort wieder, die einen in Himmeln, die anderen in Höllen. So ging das 92 Weltzeitalter lang. In unserem glücklichen Weltzeitalter, das fünf Buddhas trägt, geschah es, dass die Chaoten unter dem Buddha Kassapo erstmals wieder die Hölle verlassen konnten und ins Petareich aufstiegen. Als Petas sahen sie, wie Menschen spendeten und damit ihren Peta-Verwandten nützten. Da fragten sie den Buddha Kassapo, wodurch sie dies auch erreichen könnten. Er sagte, das sei noch nicht möglich. Erst wenn später ein Buddha namens Gotamo erscheinen werde, dann werde auch ein König namens Bimbisāro erscheinen, der sei ihr Verwandter vor 92 Äonen gewesen, und was er dem Buddha spende, das könne ihnen zugute kommen. Da freuten sie sich so, daß ihnen war, als ob dies schon am nächsten Tag eintreten würde.

Als dann der Buddha Gotamo in der Welt erschien, kamen die drei Königssöhne und viele Begleiter aus der Götterwelt erstmals wieder als Menschen zu irdischer Geburt. Sie wurden bald Asketen, und zwar die drei Brüder der Flechtenträger von Gāya, die der Buddha Gotamo bald belehrte, bekehrte und die bald Heilige wurden. Ihr Gouverneur aber wurde König Bimbisāro. Als der König bald den Buddha einlud, da freuten sich die Petas und hofften, er würde ihnen die Gabe widmen. Der König aber dachte allein daran, wie er dem Buddha ein Kloster stiften könne. Da heulten und jammerten die Petas, und zwar nachts so laut, daß der König es hörte. Er bekam einen Schreck und fragte am Morgen den Buddha, was das nächtliche Geistergejammer wohl zu bedeuten habe, ob ein Unglück bevorstehe. Der Buddha aber beruhigte ihn und erklärte ihm, daß frühere Verwandte aus dem 92. Weltzeitalter um Hilfe bäten. Da spendete der König dem Buddha und dem Orden, und mittels der Kraft des Buddha wurden die Petas ihm dabei sichtbar, wie sie außerhalb der Mauern standen.

Wenn der König Trinkwasser spendete und sagte, es möge seinen Verwandten zugute kommen, da erschienen schon in der Petawelt reiche Lotusteiche mit entzückenden Blumen. Sie tranken davon, badeten dort und labten sich. Durst und Schwäche vergingen ihnen, und ihre Haut wurde gülden. Als Bimbisāro Reisgrütze spendete und andere Nahrungsmittel, da bekamen sie ebenso zu essen. Sie genossen es und wurden gekräftigt. Der König gab Kleidung und Unterkunft, da entstanden Paläste mit bestem Mobiliar und viele Kleider. Danach sprach der Buddha zur Erklärung zum König folgende Verse:


(14)
Buddha:
Sie stehen vor den Mauern da,
an Kreuzungen, an Plätzen auch,
sie stehn an Pfosten vor der Tür,
zum eignen Haus gekommen her.
 
(15)
Zum Essen, Trinken, Fülle gibt's
an Nahrung, die vorhanden ist,
doch niemand an die Wesen denkt,
die einst sich so ihr Losgewirkt.
 
(16)
Nur wenn von Mitleid sind erfüllt
Verwandte, solche geben dann
rechtzeitig, was erlesen, rein,
an passend Essen, Trinken ist:
"Für unsere Verwandten sei's,
Verwandte sollen glücklich sein."
 
(17)
Und diese dann versammeln sich,
Verwandte aus der Petawelt.
Was ist an Essen, Trinken, da,
des freuen sie aufrichtig sich:
 
(18)
Petas:
"Lang mögen leben Unsrige,
von denen dieses wir erlangt,
die uns gewürdigt und verehrt,
denn Geben bleibt nicht ohne Frucht."
 
(19)
Buddha:
Nicht gibt's im Jenseits Ackerland,
nicht findet man auch Viehzucht dort,
nicht gibt es Handel, so wie hier,
nicht gibt es Geld, Kauf und Verkauf.
Nur das, was hier gegeben ward,
den Petas drüben kommt zu gut.
 
(20)
Wie Regen, der auf Bergen fiel,
nun stets bergabwärts weiter fließt,
so kommt, was hier gegeben ist,
den Petas drüben wohl zu gut.
 
(21)
Wie große Ströme, übervoll,
den Ozean erfüllen stets,
so kommt, was hier gegeben ist,
den Petas drüben wohl zu gut.
 
(22)
Peta:
"Sie gaben, taten wohl für mich,
Genossen, Freunde, wer verwandt,
uns Petas möge geben man,
gedenkend, was man sich erwirkt."
 
(23)
Buddha:
Was aber Weinen, Kummer ist,
Wehklagen oder was es sei,
nicht nützen die Verwandten so
dem Peta im geringsten nur.
 
(24)
Doch wer hier jene Gabe gibt,
verwendend für den Orden sie,
dem wird für lange Zeiten dies
zum Vorteil dienen ganz gewiß.
 
(25)
Dies ist die Pflicht Verwandter, hier beschrieben:
Den Petas ist Verehrung reichlich worden,
den Mönchen aber hat man Kraft gegeben,
nicht wenig also ist Verdienst, was ihr gewirkt.

Bemerkungen:

Diese 12 Verse kehren wörtlich als 7. Stück des Khuddakapātha wieder.

Vers 23 - 24 = Vers 12 - 13.

Die Geschichte klingt phantastisch und scheint dem Gesetz des Wandelseins zu widersprechen. Wie können Wesen 92 Äonenlang in der Hölle oder im Himmel bleiben? Wie ist solche Beständigkeit innerhalb der allgemeinen Unbeständigkeit des Daseins möglich?

Was das himmlische, übermenschliche Dasein angeht, so hat dies ja viele Ebenen. Es heißt hier nur, daß die Wesen nicht unterhalb davon sanken, also nicht Menschen oder gar untermenschliche Wesen wurden. Die Himmel selber sind sehr unterschiedlich, auch die Brahmas gehören dazu. Und die leben äonenlang.

Angesichts dessen wird die Zeitangabe schon relativer. Dann ist ein Leben, das eines höheren Brahma, mehrere Äonen lang.

Schwieriger ist indes das gleich bleibende Höllendasein zu verstehen. Wenn Devadatto für viel schlimmere Taten, als die hier beschriebenen Chaoten sie begangen haben, "nur" ein halbes Äon in die Hölle kam, wieso sollen dann jene 92 Äonen leiden. Wo ist da die Gerechtigkeit und die Saat-Ernte Verhältnismäßigkeit? Dazu wäre zu sagen: Erstens heißt es von Devadatto, daß er in die Erzhölle kam, in die schlimmste Leidensform. Davon ist hier, im Gegensatz zu Pv I,3, nie die Rede. Es könnte doch sein, daß ein halbes Äon Erzhölle schlimmer ist als 92 Äonen "normale" Hölle.

Zweitens sind die Höllen ebenso unterschiedlich gestaffelt wie das Petareich. Die "mildesten" Formen sind von den höllennahen Gespenstern kaum zu unterscheiden. Die Chaoten könnten dann immer nur an dieser Grenze erschienen sein.

Drittens gehören zur Hölle auch die Höllenwächter, die Quälgeister, die sozusagen "glückliche Höllische" sind, weil sie während dieser Zeit selber nicht leiden, sondern andere leiden lassen. Das mag die Leidenszeit schon erheblich verkürzen.

Viertens, und vor allem aber, gibt es Höllen nur, solange es die Sinnenwelt gibt. Und die Sinnenwelt gibt es nur während der Weltausbreitung, nicht während der Weltzusammenballung. Dann bestehen die Wesen nur aus Brahmas. Also steht das Höllendasein der Chaoten unter der stillschweigenden Voraussetzung einer Wenn-dann-Klausel. Wenn es Höllen gibt, dann sind sie dort. Wenn es diese nicht gibt, dann sind sie Brahmas wie die anderen Wesen.

Trotzdem mag der Eindruck des Phantastischen bleiben. Aber noch viel phantastischer ist es, daß im geschlossenen Leidenskreislauf des Samsāro ein Buddha erscheinen kann. Das ist ein ungleich größeres Wunder, als 92 Äonen in Himmel oder Hölle zu weilen. Und das Spenden oder Verweigern gegenüber einem Buddha hat ebenfalls wunderbare und phantastisch klingende Auswirkungen. Wer in den Anziehungsbereich eines Buddha kommt - im Guten oder Bösen -, der erlebt einen Abglanz von Beständigkeit.

Die Rahmenerzählung zeigt auch die große Bedeutung dieses 92. Äons. Im 91. Äon lebte der Buddha Vipassi, von dem noch heute Jünger als Nichtwiederkehrer im Himmel der Reinhausigen existieren, wie es in D 14 beschrieben ist. Und die Laien, die seit dem 92. Äon in Himmeln lebten, stellten zu Lebzeiten des Buddha die größte Schar von Indern, die geschlossen dem Orden beitraten und binnen kurzem samt und sonders Heilige wurden. Das waren die drei Kassapos, die Führer jeweils von Hunderten von Asketen. So wie sie vor 92 Äonen mit ihren Freunden dem Buddha Phussa aufgewartet hatten, so dienten sie nun als Mönche geistig dem Buddha Gotamo. Das 92. Äon scheint das jenige zu sein, das noch Ausstrahlungen bis in die Zeit des Buddha hatte. Soweit zurück lagen die karmischen Ursachen für die drei Kassapos und für Bimbisāro.


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