Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung

ERSTES HALBHUNDERT (Mūlapaṇṇāsam)

Dritter Teil (Vaggo Tatiyo) - Buch der Gleichnisse (opamadhammavaggo)

30. (III,10) Cūlasāropama Sutta (Das Gleichnis vom Kernholz II)

 

DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Sie­gerwalde, im Garten Anāthapindikos. Da nun begab sich der Brahmane Pingala­koccho dorthin wo der Erhabene weilte, wechselte höflichen Gruß und freund­liche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und setzte sich zur Seite nieder. Hierauf nun sprach der Brahmane Pingalakoccho zum Erhabenen also:

 

            "Die da, o Gotamo, Asketen und Priester sind, von zahlreichen Jüngern und Anhängern umschart, Häupter der Schulen, bekannte, gefeierte Bahn­brecher, die viel bei den Leuten gelten, als wie Purano Kassapo, Makkhali Gosalo, Ajito Kesakambalo, Pakudho Kaccayano, Sanjayo Belatthaputto, Ni­gantho Nathaputto, haben alle die, wie ein jeder versichert, verstanden, oder haben alle eben nichts verstanden? Oder aber haben die einen verstan­den, und die anderen nichts verstanden?"

 

            "Genug, Brahmane: laß' es gut sein, ob alle die, wie ein jeder ver­sich­ert, verstanden haben, oder ob alle eben nichts verstanden haben, oder ob etwa die einen verstanden haben, und die anderen nichts verstanden haben. Die Satzung, Brahmane, werd' ich dir aufweisen; höre zu und achte wohl auf meine Rede."

 

            "Gewiß, o Herr!" sagte da aufmerksam der Brahmane Pingalakoccho zum Erhabenen. Der Erhabene sprach also:

 

            "Gleichwie etwa, Brahmane, wenn ein Mann, der Kernholz begehrt, Kern­holz sucht, auf Kernholz ausgeht, gerade über das Kernholz eines großen, kernig dastehenden Baumes hinaufkletterte, über das Grünholz hinaufklet­terte, über die Rinde hinaufkletterte, über das Geäst hinaufkletterte, einen Blätterzweig abschnitte, mitnähme und in dem Gedanken 'Das ist Kernholz' fortginge: den habe ein scharfsehender Mann beobachtet: 'Dieser liebe Mann kennt wahrlich weder das Kernholz, noch das Grünholz, weder die Rinde, noch das Geäst, noch das Laubgezweig; daher ist nun dieser liebe Mann, der Kernholz begehrt, Kern­holz sucht, auf Kernholz ausgeht, gerade über das Kernholz des großen, kernig dastehenden Baumes hinaufgeklettert, über das Grünholz hinaufgeklet­tert, über die Rinde hinaufgeklettert, über das Geäst hinaufgeklettert, hat einen Blät­ter­zweig abgeschnitten, mitgenommen und ist in der Meinung, dies wäre Kern­holz, fortgegangen; was aber aus dessen Kerne als Kern gewinnbar ist, das wird seinem Zwecke nicht entsprechen':

 

            "Gleichwie, ferner noch, Brahmane, wenn ein Mann der Kernholz begehrt, Kernholz sucht, auf Kernholz ausgeht, gerade über das Kernholz eines großen, kernig dastehenden Baumes hinaufkletterte, über das Grünholz hinauf­kletterte, über die Rinde hinaufkletterte, einen Ast abschnitte, mitnähme und in dem Gedanken 'Das ist Kernholz' fortginge; den habe ein scharf­sehender Mann be­obachtet: 'Dieser liebe Mann kennt wahrlich weder das Kernholz, noch das Grünholz, weder die Rinde, noch das Geäst, noch das Laubgezweig; daher ist nun dieser liebe Mann, der Kernholz begehrt, Kernholz sucht, auf Kernholz ausgeht, gerade über das Kernholz des großen, kernig dastehenden Baumes hinauf­geklet­tert, über das Grünholz hinaufgeklettert, über die Rinde hinauf­geklettert, hat einen Ast abgeschnitten, mitge­nommen und ist in der Meinung, dies wäre Kern­holz, fortgegangen; was aber aus dessen Kerne als Kern gewinnbar ist, das wird seinem Zweck nicht entsprechen':

 

            "Gleichwie, ferner noch, Brahmane, wenn ein Mann, der Kernholz begehrt, Kernholz sucht, auf Kernholz ausgeht, gerade über das Kernholz eines großen, kernig dastehenden Baumes hinaufkletterte, über das Grünholz hin­aufkletterte, Rinde wegschnitte, mitnähme und in dem Gedanken 'Das ist Kernholz' fortginge; den habe ein scharfsehender Mann beobachtet: 'Dieser liebe Mann kennt wahrlich weder das Kernholz, noch das Grünholz weder die Rinde, noch das Geäst, noch das Laubgezweig; daher ist nun dieser liebe Mann, der Kernholz begehrt, Kern­holz sucht, auf Kernholz ausgeht, gerade über das Kernholz des großen, kernig dastehenden Baumes hinaufgeklettert, über das Grünholz hinauf­geklettert, hat Rinde weggeschnitten, mitgenom­men und ist in der Meinung, dies wäre Kernholz, fortgegangen; was aber aus deren Kerne als Kern gewinnbar ist, das wird seinem Zwecke nicht ent­sprechen':

 

            "Gleichwie, ferner noch, Brahmane, wenn ein Mann, der Kernholz be­gehrt, Kernholz sucht, auf Kernholz ausgeht, gerade über das Kernholz eines großen, kernig dastehenden Baumes hinaufkletterte, Grünholz absägte, mit­nähme und in dem Gedanken: 'Das ist Kernholz' fortginge; den habe ein scharfsehender Mann beobachtet: 'Dieser liebe Mann kennt wahrlich weder das Kernholz, noch das Grünholz, weder die Rinde, noch das Geäst, noch das Laubgezweig; daher ist nun dieser liebe Mann, der Kernholz begehrt, Kern­holz sucht, auf Kernholz ausgeht, gerade über das Kernholz des großen, ker­nig dastehenden Baumes hinauf­geklet­tert, hat Grünholz abgesägt, mitge­nommen und ist in der Meinung, dies wäre Kernholz, fortgegangen; was aber aus dessen Kerne als Kern gewinnbar ist, das wird seinem Zwecke nicht ent­sprechen':

 

            "Gleichwie, ferner noch, Brahmane, wenn ein Mann, der Kernholz begehrt, Kernholz sucht, auf Kernholz ausgeht, gerade das Kernholz eines großen, ker­nig dastehenden Baumes heraussägte, mitnähme und in der Erkenntnis 'Das ist Kern­holz' fortginge; den habe ein scharfsehender Mann beobachtet: 'Die­ser liebe Mann kennt wahrlich das Kernholz, kennt das Grünholz, kennt die Rinde, kennt das Geäst, kennt das Laubgezweig; daher hat nun dieser liebe Mann, der Kern­holz begehrt, Kernholz sucht, auf Kernholz ausgeht, gerade das Kernholz des großen, kernig dastehenden Baumes herausgesägt, mit­genommen und ist in der Erkenntnis, daß dies Kernholz sei, fortgegangen; und was aus dessen Kerne als Kern gewinnbar ist, das wird seinem Zwecke entsprechen':

 

            "Ebenso nun auch, Brahmane, ist da einer von Zuversicht bewogen aus dem Hause in die Hauslosigkeit gewandert: 'Versunken bin ich in Geburt, in Altern und Sterben, in Wehe, Jammer und Leiden, in Gram und Verzweif­lung, in Leiden versunken, in Leiden verloren! O daß es doch etwa möglich wäre dieser ganzen Leidensfülle ein Ende zu machen!' Mit solcher Gesinnung hat er der Welt ent­sagt und erlangt Almosen, Ehre und Ruhm. Diese Erlan­gung von Almosen, Ehre und Ruhm erfreut ihn und er wird voller Willens­regungen. Er brüstet sich dieser Erlangung von Almosen, Ehre und Ruhm und verachtet die anderen: 'Ich bin be­liebt und berühmt, diese anderen Mönche aber sind unbekannt, unbedeu­tend.' Jene ferneren Dinge aber, die höher und herrlicher sind als die Erlangung von Almosen, Ehre und Ruhm, die Verwirklichung dieser Dinge ersehnt und erkämpft er nicht, ist bequem­lich und schlaff.

 

            "Wie jener Mann, Brahmane, der Kernholz begehrt, Kernholz sucht, auf Kernholz ausgeht, aber gerade über das Kernholz eines großen, kernig da­stehenden Baumes hinaufklettert, über das Grünholz hinaufklettert, über die Rinde hinaufklettert, über das Geäst hinaufklettert, einen Blätterzweig ab­schneidet, mitnimmt und in dem Gedanken 'Das ist Kernholz' fortgeht ‑ doch was aus dessen Kerne als Kern gewinnbar ist, das kann seinem Zwecke nicht ent­sprechen ‑: so erscheint mir, Brahmane, ein solcher.

 

            "Da ist ferner, Brahmane, einer von Zuversicht bewogen aus dem Hause in die Hauslosigkeit gewandert: 'Versunken bin ich in Geburt, in Altern und Ster­ben, in Wehe, Jammer und Leiden, in Gram und Verzweiflung, in Leiden ver­sun­ken, in Leiden verloren! O daß es doch etwa möglich wäre dieser gan­zen Lei­dens­fülle ein Ende zu machen!' Mit solcher Gesinnung hat er der Welt entsagt und erlangt Almosen, Ehre und Ruhm. Diese Erlangung von Almo­sen, Ehre und Ruhm erfreut ihn nicht, macht ihn nicht voller Willensregungen. Er brüstet sich nicht dieser Erlangung von Almosen, Ehre und Ruhm, verachtet nicht die ander­en. Und jene ferneren Dinge, die höher und herrli­cher sind als die Erlangung von Almosen, Ehre und Ruhm, die Verwirkli­chung dieser Dinge ersehnt und er­kämpft er, ist nicht bequemlich, nicht schlaff. Er erkämpft sich die Ordens­tugenden. Durch diese Ordenstugenden wird er erfreut und voller Willensre­gun­gen. Dieser Ordenstugenden brüstet er sich und verachtet die anderen: 'Ich bin tüchtig, bin rechtschaffen, diese anderen Mönche aber sind untüchtig, sind Sünder.'Jene ferneren Dinge aber, die höher und herrlicher sind als die Or­dens­tugenden, die Verwirklichung dieser Dinge ersehnt und erkämpft er nicht, ist bequemlich und schlaff.

 

            "Wie jener Mann, Brahmane, der Kernholz begehrt, Kernholz sucht, auf Kernholz ausgeht, aber gerade über das Kernholz eines großen, kernig da­stehenden Baumes hinaufklettert, über das Grünholz hinaufklettert, über die Rinde hinaufklettert, einen Ast abschneidet, mitnimmt und in dem Gedan­ken 'Das ist Kernholz' fortgeht ‑ doch was aus dessen Kerne als Kern gewinn­bar ist, das kann seinem Zwecke nicht entsprechen ‑: so erscheint mir, Brah­mane, ein sol­cher.

 

            "Da ist ferner, Brahmane, einer von Zuversicht bewogen aus dem Hause in die Hauslosigkeit gewandert: 'Versunken bin ich in Geburt, in Altern und Ster­ben, in Wehe, Jammer und Leiden, in Gram und Verzweiflung, in Leiden ver­sun­ken, in Leiden verloren! O daß es doch etwa möglich wäre dieser gan­zen Lei­dens­fülle ein Ende zu machen!' Mit solcher Gesinnung hat er der Welt entsagt und erlangt Almosen, Ehre und Ruhm. Diese Erlangung von Almo­sen, Ehre und Ruhm erfreut ihn nicht, macht ihn nicht voller Willensregun­gen. Er brüstet sich nicht dieser Erlangung von Almosen, Ehre und Ruhm, verachtet nicht die ander­en. Und jene ferneren Dinge, die höher und herrli­cher sind als die Erlangung von Almosen, Ehre und Ruhm, die Verwirkli­chung dieser Dinge ersehnt und er­kämpft er, ist nicht bequemlich, nicht schlaff. Er erkämpft sich die Or­denstugenden. Durch diese Ordenstugenden wird er erfreut, aber nicht voller Willensregungen. Er brüstet sich nicht die­ser Ordenstugenden, verachtet nicht die anderen. Und jene ferneren Dinge, die höher und herrlicher sind als die Ordenstugenden, die Verwirklichung dieser Dinge ersehnt und erkämpft er, ist nicht bequemlich, nicht schlaff. Er erkämpft sich das Glück der Selbstver­tiefung. Durch dieses Glück der Selbst­vertiefung wird er erfreut und voller Willensregungen. Er brüstet sich dieses Glücks der Selbstvertiefung, verachtet die anderen: 'Ich bin vertieft, geein­ten Gemütes, diese anderen Mönche aber sind nicht vertieft, sind zerfahre­nen Gemütes.' Jene ferneren Dinge aber, die höher und herrlicher sind als das Glück der Selbstvertiefung, die Verwirk­lichung dieser Dinge ersehnt und er­kämpft er nicht, ist bequemlich und schlaff.

 

            "Wie jener Mann, Brahmane, der Kernholz begehrt, Kernholz sucht, auf Kernholz ausgeht, aber gerade über das Kernholz eines großen, kernig da­stehenden Baumes hinaufklettert, über das Grünholz hinaufklettert, Rinde abschneidet, mitnimmt und in dem Gedanken 'Das ist Kernholz' fortgeht ‑ doch was aus deren Kerne als Kern gewinnbar ist, das kann seinem Zwecke nicht ent­sprechen ‑: so erscheint mir, Brahmane, ein solcher.

 

            "Da ist ferner, Brahmane, einer von Zuversicht bewogen aus dem Hause in die Hauslosigkeit gewandert: 'Versunken bin ich in Geburt, in Altern und Ster­ben, in Wehe, Jammer und Leiden, in Gram und Verzweiflung, in Leiden versun­ken, in Leiden verloren! O daß es doch etwa möglich wäre dieser gan­zen Lei­densfülle ein Ende zu machen!' Mit solcher Gesinnung hat er der Welt entsagt und erlangt Almosen, Ehre und Ruhm. Diese Erlangung von Almo­sen, Ehre und Ruhm erfreut ihn nicht, macht ihn nicht voller Willensregun­gen. Er brüstet sich nicht dieser Erlangung von Almosen, Ehre und Ruhm, verachtet nicht die ander­en. Und jene ferneren Dinge, die höher und herrli­cher sind als die Erlangung von Almosen, Ehre und Ruhm, die Verwirkli­chung dieser Dinge ersehnt und er­kämpft er, ist nicht bequemlich, nicht schlaff. Er erkämpft sich die Ordens­tugenden. Durch diese Ordenstugenden wird er erfreut, aber nicht voller Wil­lensregungen. Er brüstet sich nicht die­ser Ordenstugenden, verachtet nicht die anderen. Und jene ferneren Dinge, die höher und herrlicher sind als die Or­denstugenden, die Verwirklichung dieser Dinge ersehnt und erkämpft er, ist nicht bequemlich, nicht schlaff. Er erkämpft sich das Glück der Selbst­­ver­tiefung. Durch dieses Glück der Selbst­vertiefung wird er erfreut, aber nicht voller Willensregungen. Er brüstet sich nicht dieses Glücks der Selbstver­tiefung, verachtet nicht die anderen. Und jene ferneren Dinge, die höher und herrlicher sind als das Glück der Selbst­vertiefung, die Verwirklichung dieser Dinge ersehnt und erkämpft er, ist nicht bequemlich, nicht schlaff. Er er­kämpft sich die Wissensklarheit. Diese Wissensklarheit erfreut ihn, und er wird voller Willensregungen. Er brüstet sich dieser Wissensklarheit, verachtet die anderen: 'Ich bin klar­wissend, diese anderen Mönche aber sind unwissend, unklar.' Jene ferneren Dinge aber, die höher und herrlicher sind als die Wissensklarheit, die Ver­wirklichung dieser Dinge ersehnt und erkämpft er nicht, ist bequemlich und schlaff.

 

            "Wie jener Mann, Brahmane, der Kernholz begehrt, Kernholz sucht, auf Kernholz ausgeht, aber gerade über das Kernholz eines großen, kernig da­stehenden Baumes hinaufklettert, Grünholz absägt, mitnimmt und in dem Gedanken 'Das ist Kernholz' fortgeht ‑ doch was aus dessen Kerne als Kern gewinnbar ist, das wird seinem Zwecke nicht entsprechen ‑: so erscheint mir, Brahmane, ein solcher.

 

            "Da ist ferner, Brahmane, einer von Zuversicht bewogen aus dem Hause in die Hauslosigkeit gewandert: 'Versunken bin ich in Geburt, in Altern und Ster­ben, in Wehe, Jammer und Leiden, in Gram und Verzweiflung, in Leiden versun­ken, in Leiden verloren! O daß es doch etwa möglich wäre dieser gan­zen Lei­densfülle ein Ende zu machen!' Mit solcher Gesinnung hat er der Welt entsagt und erlangt Almosen, Ehre und Ruhm. Diese Erlangung von Almo­sen, Ehre und Ruhm erfreut ihn nicht, macht ihn nicht voller Willensregun­gen. Er brüstet sich nicht dieser Erlangung von Almosen, Ehre und Ruhm, verachtet nicht die ander­en. Und jene ferneren Dinge, die höher und herrli­cher sind als die Erlangung von Almosen, Ehre und Ruhm, die Verwirkli­chung dieser Dinge ersehnt und er­kämpft er, ist nicht bequemlich, nicht schlaff. Er erkämpft sich die Or­denstugenden. Durch diese Ordenstugenden wird er erfreut, aber nicht voller Willensregungen. Er brüstet sich nicht die­ser Ordenstugenden, verachtet nicht die anderen. Und jene ferneren Dinge, die höher und herrlicher sind als die Ordenstugenden, die Verwirklichung dieser Dinge ersehnt und erkämpft er, ist nicht bequemlich, nicht schlaff. Er erkämpft sich das Glück der Selbstver­tiefung. Durch dieses Glück der Selbstvertiefung wird er erfreut, aber nicht voller Willensregungen. Er brüstet sich nicht dieses Glücks der Selbstver­tiefung, verachtet nicht die anderen. Und jene ferneren Dinge, die höher und herrlicher sind als das Glück der Selbstvertiefung, die Verwirklichung dieser Dinge ersehnt und erkämpft er, ist nicht bequemlich, nicht schlaff. Er er­kämpft sich die Wissensklarheit. Durch diese Wissensklarheit wird er erfreut, aber nicht voller Willensregungen. Er brüstet sich nicht dieser Wissens­klar­heit, verachtet nicht die anderen. Und jene ferneren Dinge, die höher und herrlicher sind als die Wissensklarheit, die Verwirklichung dieser Dinge er­sehnt und erkämpft er, ist nicht bequemlich, nicht schlaff.

 

            "Und welche Dinge, Brahmane, sind höher und herrlicher als die Wissens­klarheit?

            "Da erwirkt, Brahmane, der Mönch, gar fern von Begierden, fern von un­heilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Heiterkeit die Weihe der ersten Schauung.

            "Das aber, Brahmane, ist ein Ding höher und herrlicher als die Wissens­klarheit.

 

            "Weiter sodann, Brahmane: nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens erreicht der Mönch die innere Meeresstille, die Einheit des Gemütes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene selige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung.

            "Das aber, Brahmane, ist ein Ding höher und herrlicher als die Wissens­klarheit.

 

            "Weiter sodann, Brahmane: in heiterer Ruhe verweilt der Mönch gleich­mütig, einsichtig, klar bewußt, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: 'Der gleichmütig Einsichtige lebt beglückt'; so erwirkt er die Weihe der dritten Schauung.

            "Das aber, Brahmane, ist ein Ding höher und herrlicher als die Wissens­klarheit.

 

            "Weiter sodann, Brahmane: nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erreicht der Mönch die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmütig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung.

            "Das aber, Brahmane, ist ein Ding höher und herrlicher als die Wissens­klarheit.

 

            "Weiter sodann, Brahmane: nach völliger Überwindung der Formwahr­nehm­un­gen, Vernichtung der Gegenwahrnehmungen, Verwerfung der Viel­heitwahrnehmungen gewinnt der Mönch in dem Gedanken 'Grenzenlos ist der Raum' das Reich des unbegrenzten Raumes.

            "Das aber, Brahmane, ist ein Ding höher und herrlicher als die Wissens­klarheit.

 

            "Weiter sodann, Brahmane: nach völliger Überwindung der unbegrenzten Raumsphäre gewinnt der Mönch in dem Gedanken 'Grenzenlos ist das Be­wußtsein' das Reich des unbegrenzten Bewußtseins.

            "Das aber, Brahmane, ist ein Ding höher und herrlicher als die Wissens­klarheit.

 

            "Weiter sodann, Brahmane: nach völliger Überwindung der unbegrenzten Bewußtseinsphäre gewinnt der Mönch in dem Gedanken 'Nichts ist da' das Reich des Nichtdaseins.

            "Das aber, Brahmane, ist ein Ding höher und herrlicher als die Wissens­klarheit.

 

            "Weiter sodann, Brahmane: nach völliger Überwindung der Nichtdasein­sphäre erreicht der Mönch die Grenzscheide möglicher Wahrnehmung.

            "Das aber, Brahmane, ist ein Ding höher und herrlicher als die Wissens­klarheit.

 

            "Weiter sodann, Brahmane: nach völliger Überwindung der Grenzscheide möglicher Wahrnehmung erreicht der Mönch die Auflösung der Wahrnehm­barkeit' und des weise Sehenden Wahn ist aufgehoben.

            "Das aber, Brahmane, ist ein Ding höher und herrlicher als die Wissens­klarheit.

 

            "Das sind die Dinge, Brahmane, die höher und herrlicher sind als die Wis­sensklarheit.

 

            "Wie jener Mann, Brahmane, der Kernholz begehrt, Kernholz sucht, auf Kernholz ausgeht und gerade das Kernholz eines großen, kernig dastehenden Baumes heraussägt, mitnimmt und in der Erkenntnis 'Das ist Kernholz' fort­geht ‑ und was aus dessen Kerne als Kern gewinnbar ist, das wird seinem Zwecke ent­sprechen ‑: so erscheint mir, Brahmane, ein solcher.

 

            "Und so ist der Gewinn des Asketentums, Brahmane, nicht Almosen, Ehre und Ruhm, nicht Ordenstugend, nicht Glück der Selbstvertiefung, nicht Wissens­klarheit. Jene unerschütterliche Gemüterlösung aber, Brahmane, das ist der Zweck, dies, Brahmane, ist das Asketentum, das ist der Kern, das ist das Ziel."

 

            Nach diesen Worten sprach der Brahmane Pingalakoccho zum Erhabenen also:

            "Vortrefflich, o Gotamo, vortrefflich, o Gotamo! Gleichwie etwa, o Go­tamo, als ob einer Umgestürztes aufstellte, oder Verdecktes enthüllte, oder Ver­irrten den Weg wiese, oder Licht in die Finsternis brächte: 'Wer Augen hat wird die Dinge sehn': ebenso auch hat Herr Gotamo die Lehre auf mannig­ faltige Weise dargelegt. Und so nehm' ich bei Herrn Gotamo Zuflucht, bei der Lehre und bei der Jüngerschaft, als Anhänger soll mich Herr Gotamo be­trachten, von heute an zeitlebens getreu."


 Home Oben Zum Index Zurueck Voraus