So habe ich es gehört:
Einst weilte der Erhabene unter einem Salbaum im Subhaga-Hain bei Ukkattha. Dort sprach er zu den Bhikkhus: Ich will euch die Wurzel aller Dinge darlegen; höret zu und merkt es euch! - Die Bhikkhus stimmten zu, und der Erhabene sprach:
Wenn ein unbelehrter gewöhnlicher Mensch, der die Lehre der Edlen nicht kennt und nicht von guten Menschen erzogen worden ist, Festes wahrnimmt, dann denkt er daran, denkt darüber nach, denkt, es gehöre ihm, und findet Gefallen daran, und zwar deshalb, weil er es nicht durchschaut, sage ich. Wenn er Flüssiges, Warmes und Luftartiges wahrnimmt, dann denkt er daran, denkt darüber nach, denkt, es gehöre ihm, und findet Gefallen daran, und zwar deshalb, weil er es nicht durchschaut, sage ich [1].
Wenn aber ein Bhikkhu, der noch Schüler ist, noch lernen muß und nach dem höchsten Frieden strebt, Festes, Flüssiges, Warmes und Luftartiges erkennt, dann soll er nicht daran denken, nicht darüber nachdenken, nicht denken, es gehöre ihm, und nicht Gefallen daran finden, und zwar deshalb, weil er es durchschauen soll, sage ich.
Und wenn ein Bhikkhu, der ein Heiliger geworden ist, der die Anwandlungen (āsavā) abgetan, die Bürde abgeworfen, die Daseinsfesseln gesprengt hat und durch rechtes Wissen erlöst ist, Festes, Flüssiges, Warmes und Luftartiges erkennt, dann durchschaut er es und denkt nicht daran, denkt nicht darüber nach, denkt nicht, es gehöre ihm, und findet nicht Gefallen daran, und zwar deshalb, weil er es durchschaut hat, sage ich. Er findet nicht Gefallen daran, weil Begierde, Haß und Verblendung in ihm überwunden sind.
Wenn aber ein Vollendeter, ein Heiliger, vollkommen Erwachter, Festes, Flüssiges, Warmes und Luftartiges erkennt, dann denkt er nicht daran, denkt nicht darüber nach, denkt nicht, es gehöre ihm, und findet nicht Gefallen daran, und zwar deshalb, weil er es durchschaut hat, sage ich, weil er weiß, daß Gefallenfinden (an weltlichem Besitz und an weltlichen Genüssen) die Wurzel [2] des Übels ist, daß (Haften am) Leben zu Wiedergeburt führt und daß Gewordenes welken und sterben muß. Darum ist ein Vollendeter nach gänzlicher Vernichtung des Durstes völlig erwacht, sage ich.
So sprach der Erhabene, und die Bhikkhus nahmen seine Belehrung mit Freude und Dank an [3].
[1] Hier folgt [vermutlich] jedesmal eine Einschaltung aus späterer Zeit: «Wenn er Geister (bhūtā), himmlische Wesen (devā). Götter von sechs Götterklassen, Denkgebilde der abstrakten Versenkungen, wie das Gebiet der Raumunendlichkeit usw., Gegenstände der Sinne, ferner Einheit, Vielheit, Allheit und das Nirvana wahrnimmt, dann denkt er. . . (wie oben) . . . sage ich.» - Es war die literarische Manier einer späteren Zeit, ältere Texte mit solchen Aufzählungen <auszuschmücken>, ohne Rücksicht darauf, daß es widersinnig ist, anzunehmen, ein gewöhnlicher Mensch könne die Götter, die Raumunendlichkeit oder gar das Nirvana <wahrnehmen>.
[2] Dies ist das einzige Mal, daß in diesem Sutta, mit Ausnahme der Einleitung, das Wort mūla (Wurzel) vorkommt, nach dem das Sutta benannt worden ist. Wahrscheinlich deshalb, weil es diesen Namen führte, wurde es bei der Zusammenstellung des Majjhimanikāya an die Spitze gestellt, denn das Wort mūla hat im späteren Pali die Bedeutung <Ursprung, Anfang. angenommen.
[3] Der Sinn des vorstehenden Sutta wird erklärt im Majjhimanikāya 62 (Gespräch Buddhas mit Rāhula). Zu Rāhula sprach Buddha: «Alles an dir, was sich hart oder fest anfühlt, zum Beispiel Kopfhaare, Körperhaare, Nägel, Zähne, Haut, Fleisch, Sehnen, Knochen..., das nennt man das Erdartige, Feste an dir. Alles Erdartige, Feste an dir und außerhalb... solltest du so betrachten: Dies ist nicht mein, ich bin dies nicht, dies ist nicht mein Ich.» Dasselbe gilt von den drei anderen Elementen. An dieser Stelle wird von Buddha maßgeblich erklärt, was er meint, wenn er von den vier Elementen spricht, nämlich nicht: «die Erde, das Wasser, das Feuer, die Luft», sondern «das Feste, das Flüssige, das Warme, das Luftartige». Darum muß man es auch so übersetzen, wenn man den Sinn richtig wiedergeben will. Die Auslegung Buddhaghosas in seinem Kommentar Papañcasūdaní und des Subkommentars von Dhammapala Acariya ist nicht überzeugend, und die Lesart des Schlußsatzes: na te bhikkhū Bhagavato bhāsitam abhinandun ti (die Bhikkhus nahmen die Rede des Erhabenen nicht mit Freude und Dank an) ist trotz der Kommentarerklärung unwahrscheinlich.