So habe ich es gehört:
Einst weilte der Erhabene in Anāthapindikas Bhikkhuheim im Jetahain bei Sāvatthi. Damals sprach der ehrwürdige Sāriputta zu den Bhikkhus:
«Vier Arten von Menschen sind in der Welt anzutreffen: Die einen erkennen nicht ihre Schuld, wenn sie Unrechtes getan haben; die zweiten erkennen ihre Schuld, wenn sie Unrechtes getan haben; die dritten sind sich, wenn sie sich untadelig verhalten haben, dessen nicht bewußt; die vierten sind sich dessen bewußt, wenn sie sich Untadelig verhalten haben. Von den beiden ersten Arten gelten diejenigen als die schlechteren, die ihre Schuld nicht erkennen, und diejenigen, die ihre Schuld erkennen, als die besseren. Von den beiden letzten Arten gelten diejenigen als die schlechteren, die sich nicht bewußt sind, daß sie untadelig gehandelt haben, und diejenigen als die besseren, die sich ihres guten Verhaltens bewußt sind.»
Darauf fragte der ehrwürdige Moggallāna den ehrwürdigen Sāriputta: «Warum ist das so?» - Sāriputta erwiderte:
«Wenn ein Mensch, der Unrecht getan hat, seine Schuld nicht erkennt, so ist von ihm zu erwarten, daß er nicht den Willen aufbringen, sich nicht bemühen und nicht die Kraft entfalten werde, seine Schuld zu sühnen; dieser wird mit Gier, Haß, Verblendung und Schuld beladen, mit unreinem Geist sterben. Das ist so, wie wenn eine auf dem Markt oder in der Schmiede gekaufte Bronzeschale, die staubig und fleckig ist, von den Eigentümern nicht benutzt und nicht geputzt, sondern in die Rumpelkammer geworfen wird. Würde diese nicht mit der Zeit immer staubiger und fleckiger werden?» - «Ja, lieber Freund!» - «Von einem Menschen aber, der, wenn er Unrechtes getan hat, seine Schuld erkennt, ist zu erwarten, daß er den Willen aufbringen, sich bemühen und die Kraft entfalten werde, seine Schuld zu sühnen; dieser wird frei von Gier, Haß, Verblendung und Schuld, mit ungetrübtem Geist sterben. Das ist so, wie wenn eine staubige und fleckige Bronzeschale von den Eigentümern benutzt und geputzt und nicht in die Rumpelkammer geworfen wird. Würde diese nicht mit der Zeit sauber und glänzend werden?» - «Ja, lieber Freund!» - «Wenn ein Mensch, der sich untadelig verhalten hat, sich dessen nicht bewußt ist, so ist von ihm zu erwarten, daß er auf ein günstiges Vorzeichen achten werde und daß infolgedessen Begierde seinen Geist verderben werde. Dieser Mensch wird mit Gier, Haß, Verblendung und Schuld beladen, mit unreinem Geist, sterben. Das ist so, wie wenn eine saubere und fleckenlose Bronzeschale von den Eigentümern nicht benutzt, nicht geputzt und in die Rumpelkammer geworfen wird. Würde diese nicht mit der Zeit staubig und fleckig werden?» - «Ja, lieber Freund!» - «Wenn aber ein Mensch, der sich untadelig verhalten hat, sich dessen bewußt ist, so ist von ihm zu erwarten, daß er nicht auf ein günstiges Vorzeichen achten werde und daß keine Begierde seinen Geist verderben werde. Dieser Mensch wird frei von Gier, Haß, Verblendung und Schuld, mit ungetrübtem Geist sterben. Das ist so, wie wenn eine saubere und fleckenlose Bronzeschale von den Eigentümern benutzt, geputzt und nicht in die Rumpelkammer geworfen wird. Würde diese nicht mit der Zeit immer sauberer und glänzender werden?» - «Ja, lieber Freund!» - Das, lieber Moggallāna, ist der Grund, weshalb von den beiden Paaren je der eine als der schlechtere und der andere als der bessere gilt.
Was versteht man nun unter Unrecht und Schuld? Das böse und unheilsame Verhalten gegenüber Wünschen. Falls zum Beispiel ein Bhikkhu wünscht, daß seine Mitbrüder es nicht erfahren sollen, wenn er gegen die Ordensregeln verstoßen hat, und sie es doch erfahren, dann ärgert er sich und ist verdrossen. Dieser Ärger und dieser Verdruß sind beide Unrecht und Schuld. Oder falls er wünscht, daß seine Mitbrüder ihm seinen Verstoß im geheimen vorhalten, nicht vor versammelter Gemeinde, und sie ihn doch vor versammelter Gemeinde tadeln, dann ärgert er sich und ist verdrossen. Dieser Ärger und dieser Verdruß sind beide Unrecht und Schuld. Dasselbe gilt, falls ein Bhikkhu wünscht und es nicht erreicht, daß ihm ein Ebenbürtiger, nicht ein Geringerer, den Verstoß vorhält; daß der Meister im Zwiegespräch mit ihm, nicht mit einem andern Bhikkhu, den Bhikkhus die Lehre darlegt; daß beim Gang ins Dorf zum Speisesammeln die Bhikkhus ihm den Vortritt lassen; daß er bei der Mahlzeit den besten Platz, das beste Wasser und die beste Speise erhält, daß er beim Essen satt wird; daß er den im Bhikkhuheim versammelten Bhikkhus oder Bhikkhunis die Lehre darlegen darf; daß die Bhikkhus, die Bhikkhunis und die Laienanhänger ihn und nicht einen andern ehren und hochschätzen; daß er die schönsten Gewänder, die beste Speise, die beste Lagerstätte erhält. In allen diesen Fällen ist das böse und unheilsame Verhalten gegenüber solchen Wünschen Unrecht und Schuld.
Wenn man bei einem Bhikkhu solch böses und unheilsames Verhalten gegenüber Wünschen sieht oder hört, so wird er von seinen Mitbrüdern nicht geehrt und nicht hochgeschätzt, selbst wenn er ein Waldeinsiedler strengster Observanz ist. Das ist so, als wenn eine blanke, saubere Messingschale mit Schlangen- oder Hunde- oder Menschenfleisch gefüllt und mit einer anderen Schale zugedeckt wird und ihr Besitzer sie auf dem Markt ausstellt. Wenn dann jemand fragt, welche Köstlichkeit darin verborgen sei, den Deckel aufhebt und hineinschaut, dann schaudert er zurück vor Ekel, und selbst Hungrigen vergeht der Appetit, geschweige denn Gesättigten.
Wenn man aber sieht oder hört, daß ein Bhikkhu solch böses, unheilsames Verhalten gegenüber Wünschen überwunden hat, dann ehren ihn seine Mitbrüder und schätzen ihn hoch, auch wenn er im Dorfe verkehrt, Einladungen annimmt und ein von Laien gespendetes Gewand trägt. Das ist so, als wenn eine blanke, reine Messingschale mit auserlesenem Reis nebst feinen Gewürzen und Zutaten gefüllt und mit einer anderen Schale zugedeckt wird und ihr Besitzer sie auf dem Markt ausstellt. Wenn dann jemand fragt, welche Köstlichkeit darin verborgen sei, den Deckel aufhebt und hineinschaut, dann ist er entzückt, hat keinen Widerwillen, und selbst ein Gesättigter bekommt Appetit, geschweige denn ein Hungriger.»
Darauf sagte der ehrwürdige Mahamoggallāna zum ehrwürdigen Sāriputta: «Hier fällt mir ein Gleichnis ein.» - «Laß uns dein Gleichnis hören!» erwiderte Sāriputta, und Moggallāna sprach:
«Als ich einmal auf einem Berge bei Rājagaha weilte und am Vormittag in die Stadt ging, um Speise zu sammeln, arbeitete der Stellmacher Samíti gerade an einem Rad, und der Asket Panduputta, der früher selbst Stellmacher gewesen war, stand dabei und dachte: Möchte doch Samíti an dem Rad diese Unebenheit, diese Krümmung und diesen Fehler weghobeln, so daß das Rad glatt und fehlerfrei wird! Während er so dachte, hobelte Samíti jene Unebenheit, jene Krümmung und jenen Fehler weg. Da rief Panduputta erfreut aus: <Er hobelt mir aus dem Herzen!> Ebenso hast du, lieber Bruder, an allen jenen, die nicht aus Überzeugung, sondern nur um versorgt zu sein, Bhikkhus geworden sind, den Heuchlern, den Schwätzern, den Unbeherrschten, den Dummen mit deiner Lehrdarlegung mir aus dem Herzen gehobelt. Für die ehrlichen und strebsamen Bhikkhus aber ist deine Lehrdarlegung gleichsam Trank und Speise für Geist und Gemüt. Gut hast du die Mitbrüder vor dem Unheilsamen gewarnt und im Heilsamen gefestigt. Wie junge, eitle Menschen sich den Kopf waschen, dann Blumen pflücken, einen Kranz binden und sich damit den Kopf schmücken, ebenso hast du die ehrlichen, strebsamen Mitbrüder vor dem Unheilsamen gewarnt und sie im Heilsamen gefestigt.»
So haben sich die beiden Großen gegenseitig mit guten Reden erfreut.