Majjhima Nikāya, Mittlere Sammlung

Erstes Halbhundert - Mūlapannāsam

V. BUCH: KLEINE PAARE - Cūlayamakavaggo

46. Lebensführung II - Mahādhammasamādāna Sutta

 

So habe ich es gehört: 

In Anāthapindikas Bhikkhuheim im Jetahain bei Sāvatthi sprach der Erhabene einst zu den Bhikkhus:

«Allgemein wünschen die Wesen, daß Unerfreuliches und Unangenehmes schwinde und Erfreuliches und Angenehmes gedeihe. Dabei gedeiht ihnen aber Unerfreuliches und Unangenehmes, während Erfreuliches und Angenehmes schwindet. Wißt ihr, meine Bhikkhus, warum das so ist?» - «Im Erhabenen wurzelt unser Wissen, vom Erhabenen wird es geleitet und gefördert. Bitte, Erhabener, erklärt uns den Sinn Eures Ausspruchs!» - «So höret denn zu, meine Bhikkhus und denkt darüber nach! Ich will es euch sagen:

Ein unbelehrter gewöhnlicher Mensch, der die Lehre der Edlen nicht kennt[1], weiß nicht, was man pflegen muß und was man nicht pflegen darf, womit man sich beschäftigen muß und womit man sich nicht beschäftigen darf. Er pflegt das, was man nicht pflegen darf, und pflegt nicht, was man pflegen muß, er beschäftigt sich mit dem, womit man sich nicht beschäftigen darf, und beschäftigt sich nicht mit dem womit man sich beschäftigen muß. So gedeiht ihm das Unerfreuliche und Unangenehme, und das Erfreuliche und Angenehme schwindet ihm, und zwar deshalb, weil er unwissend ist. Ein wohl belehrter Edeljünger aber, der die Lehre der Edlen kennt, weiß, was man pflegen muß und was man nicht pflegen darf. Er pflegt, was man pflegen muß, und pflegt nicht, was man nicht pflegen darf. So gedeiht ihm das Erfreuliche, und das Unerfreuliche schwindet ihm, und zwar deshalb, weil er wissend ist.

 

Es gibt vier Arten der Lebensführung: die eine ist in der Gegenwart unerfreulich und zeitigt in der Zukunft unerfreuliche Folgen, die zweite ist in der Gegenwart erfreulich und zeitigt in der Zukunft unerfreuliche Folgen, die dritte ist in der Gegenwart unerfreulich und zeitigt in der Zukunft erfreuliche Folgen, die vierte ist in der Gegenwart erfreulich und zeitigt in der Zukunft erfreuliche Folgen.

 

Bei der Lebensführung, die gegenwärtig unerfreulich ist und unerfreuliche Folgen zeitigt, weiß der Unwissende nicht, daß sie so ist; er pflegt sie und meidet sie nicht. So gedeiht ihm das Unerfreuliche und das Erfreuliche schwindet ihm, und zwar deshalb, weil er unwissend ist. Bei der Lebensführung, die gegenwärtig erfreulich ist, aber unerfreuliche Folgen zeitigt, weiß der Unwissende nicht, daß sie so ist; er pflegt sie und meidet sie nicht. So gedeiht ihm das Unerfreuliche und das Erfreuliche schwindet ihm, und zwar deshalb, weil er unwissend ist. Bei der Lebensführung, die gegenwärtig unerfreulich ist, aber erfreuliche Folgen zeitigt, weiß der Unwissende nicht, daß sie so ist; er pflegt sie und meidet sie nicht. So gedeiht ihm das Unerfreuliche und das Erfreuliche schwindet ihm, und zwar deshalb, weil er unwissend ist. Bei der Lebensführung, die gegenwärtig erfreulich ist und erfreuliche Folgen zeitigt, weiß der Unwissende nicht, daß sie so ist; er pflegt sie nicht, sondern meidet sie. So gedeiht ihm das Unerfreuliche, und das Erfreuliche schwindet ihm, und zwar deshalb, weil er unwissend ist.

Bei der Lebensführung, die gegenwärtig unerfreulich ist und unerfreuliche Folgen zeitigt, weiß der Wissende, daß sie so ist; er pflegt sie nicht, sondern meidet sie. So gedeiht ihm das Erfreuliche, und das Unerfreuliche schwindet ihm, und zwar deshalb, weil er wissend ist. Bei der Lebensführung, die gegenwärtig erfreulich ist, aber unerfreuliche Folgen zeitigt, weiß der Wissende, daß sie so ist; er pflegt sie nicht, sondern meidet sie. So gedeiht ihm das Erfreuliche, und das Unerfreuliche schwindet ihm, und zwar deshalb, weil er wissend ist. Bei der Lebensführung, die gegenwärtig unerfreulich ist, aber erfreuliche Folgen zeitigt, weiß der Wissende, daß sie so ist; er pflegt sie und meidet sie nicht. So gedeiht ihm das Erfreuliche, und das Unerfreuliche schwindet ihm, und zwar deshalb, weil er wissend ist. Bei der Lebensführung, die gegenwärtig erfreulich ist und erfreuliche Folgen zeitigt, weiß der Wissende, daß sie so ist; er pflegt sie und meidet sie nicht. So gedeiht ihm das Erfreuliche, und das Unerfreuliche schwindet ihm, und zwar deshalb, weil er wissend ist.

Dies ist eine Lebensführung, die gegenwärtig unerfreulich ist und unerfreuliche Folgen zeitigt: verdrießlich und mißgestimmt tötet jemand lebende Wesen, nimmt, was ihm nicht gegeben wird, führt einen unsittlichen Lebenswandel, lügt, verleumdet, schimpft, schwatzt, ist habgierig und boshaft und hat falsche Ansichten. Infolgedessen erleidet er Verdruß und Mißstimmung und gerät nach dem Tode abwärts in höllisches Elend.

Dies ist eine Lebensführung, die gegenwärtig erfreulich ist, aber unerfreuliche Folgen zeitigt: Mit Lust und Behagen tötet jemand lebende Wesen, nimmt, was ihm nicht gegeben wird, führt einen unsittlichen Lebenswandel, lügt, verleumdet, schimpft, schwatzt, ist habgierig und boshaft und hat falsche Ansichten. Infolgedessen genießt er Lust und Behagen, aber nach dem Tode gerät er abwärts in höllisches Elend.

Dies ist eine Lebensführung, die gegenwärtig unerfreulich ist, aber erfreuliche Folgen zeitigt: Es wird jemandem schwer, lebende Wesen nicht zu töten, nichts zu nehmen, was ihm nicht gegeben wird, keinen unsittlichen Lebenswandel zu führen, nicht zu lügen, nicht zu verleumden, nicht zu schimpfen, nicht zu schwatzen, Habsucht und Bosheit zu vermeiden und rechte Einsicht zu erlangen. Infolgedessen muß er sich quälen, das Unrechte zu lassen, aber nach dem Tode gelangt er aufwärts in himmlische Welt.

Dies ist eine Lebensführung, die gegenwärtig erfreulich ist und erfreuliche Folgen zeitigt: Mit Lust und Behagen meidet jemand das Töten lebender Wesen, nimmt er nichts, was ihm nicht gegeben wird, meidet er unsittlichen Lebenswandel, vermeidet er, zu lügen, zu ver1eumden, zu schimpfen und zu schwatzen, ist er weder habgierig noch boshaft und erlangt rechte Einsicht. Infolgedessen genießt er Lust und Behagen, und nach dem Tode gelangt er aufwärts in himmlische Welt. Dies sind die vier Arten der Lebensführung.

 

Angenommen, eine Kürbisflasche sei mit Gift angefüllt und man sage zu einem Manne, der zu leben und nicht zu sterben wünscht: <He, Mann! In dieser Kürbisflasche ist Gift. Wenn du willst, so trinke! Farbe, Geruch und Geschmack werden dir nicht gefallen, und wenn du getrunken hast, wirst du sterben oder tödliche Schmerzen erleiden.> Ohne zu überlegen trinke der Mann und lehne nicht ab. Ihm gefalle weder die Farbe noch der Geruch, noch der Geschmack, und nachher sterbe er oder erleide tödliche Schmerzen. Damit vergleiche ich die Lebensführung, die gegenwärtig unerfreulich ist und unerfreuliche Folgen zeitigt.

Angenommen, in einer Trinkschale sei ein schön aussehendes, wohlriechendes und wohlschmeckendes Getränk enthalten, das aber mit Gift vermischt sei, und man sage zu einem Manne, der zu leben und nicht zu sterben wünscht: <He, Mann! Das Getränk in dieser Schale sieht schön aus, duftet gut und schmeckt gut, ist aber mit Gift vermischt. Wenn du willst, so trinke! Farbe, Geruch und Geschmack werden dir gefallen, aber wenn du getrunken hast, wirst du sterben oder tödliche Schmerzen erleiden., Ohne zu überlegen trinke der Mann und lehne nicht ab. Ihm mögen Farbe, Geruch und Geschmack gefallen, nachher aber sterbe er oder erleide tödliche Schmerzen. Damit vergleiche ich die Lebensführung, die gegenwärtig erfreulich ist, aber unerfreuliche Folgen zeitigt.

Angenommen, stinkender Urin[2] sei mit verschiedenen Arzneien vermischt und man sage zu einem Manne, der an Gelbsucht leidet: <He, Mann! Dieser Urin ist mit verschiedenen Arzneien vermischt. Wenn du willst, so trinke! Farbe, Geruch und Geschmack werden dir nicht gefallen, aber wenn du getrunken hast, wirst du dich wohl fühlen.> Mit Überlegung trinke der Mann und lehne nicht ab. Farbe, Geruch und Geschmack mögen ihm nicht gefallen, aber nachher fühle er sich wohl. Damit vergleiche ich die Lebensführung, die gegenwärtig unerfreulich ist, aber erfreuliche Folgen zeitigt.

Angenommen, Milch sei mit Honig, zerlassener Butter und Zucker vermischt und man sage zu einem Manne, der an blutiger Ruhr leidet: <He, Mann! Diese Milch ist mit Honig, zerlassener Butter und Zucker vermischt. Wenn du willst, so trinke! Farbe, Geruch und Geschmack werden dir gefallen, und wenn du getrunken hast, wirst du dich wohl fühlen.> Mit Überlegung trinke der Mann und lehne nicht ab. Farbe, Geruch und Geschmack mögen ihm gefallen, und nachher fühle er sich wohl. Damit vergleiche ich die Lebensführung, die gegenwärtig erfreulich ist und erfreuliche Folgen zeitigt.

Wie im letzten Monat der Regenzeit, im Herbst, die Sonne am wolkenlosen Himmel, wenn sie emporsteigt, alles den Luftraum erfüllende Dunkel verscheucht und leuchtet und glänzt und strahlt, ebenso verscheucht die gegenwärtig erfreuliche und in der Zukunft erfreuliche Folgen zeitigende Lebensführung das Gerede der gewöhnlichen Samanas und Brahmanen und leuchtet und glänzt und strahlt.

So sprach der Erhabene. Mit Freude und Dank nahmen die Bhikkhus seine Erklärung an.

 



[1]Im Text ausführlich mit denselben Worten wie im 44. Sutta.

[2]Verrotteter Kuhurin gilt in Indien als Heilmittel gegen Gelbsucht u. a.


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