So habe ich es gehört:
Einst weilte der Erhabene im Lande der Kurus; in dem Städtchen Kammassadhamma nahm er Aufenthalt im Feuertempel eines Brahmanen aus der Familie Bharadvaja auf einer Grasmatte. Eines Morgens ging er mit Obergewand und Schale in das Städtchen, um Speise zu sammeln, und nachdem er gespeist hatte, begab er sich in einen Wald und setzte sich dort unter einen Baum, wo er den Nachmittag über blieb. Da kam der Wandermönch Magāndiya auf einem Spaziergange zum Feuertempel jenes Brahmanen aus der Familie Bharadvaja. Als er dort die bereitgelegte Grasmatte sah, fragte er den Brahmanen, für wen sie bereitgelegt sei, sie sehe aus wie die Lagerstätte eines Samana. Der Brahmane erwiderte: «Es ist der Samana Gotama, der Sakyer, der aus der Familie der Sakyer in die Heimatlosigkeit gezogen ist. Von ihm wird gerühmt, er sei der Erhabene, der Heilige, der völlig Erwachte, in Wissen und Wandel vollkommen, er sei auf dem guten Wege, kenne die Welten und sei der beste Menschenerzieher, der Lehrer der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene. Für diesen Herrn Gotama ist die Lagerstätte bereitet.» - «Dann», erwiderte Magāndiya, «sehe ich wirklich etwas Übles, wenn ich die Lagerstätte des Herrn Gotama sehe, des Schnüfflers[1].» - «Hüte dich, Magāndiya», sagte darauf der Brahmane, «so zu reden! Viele kluge Adlige, Brahmanen, Bürger und Samanas bekennen sich zu dem edlen Weg und zu der heilsamen Lehre des Herrn Gotama und sind darin geschult.» - «Ins Gesicht sagen würde ich es dem Herrn Gotama, daß er ein Schnüffler ist, und zwar deshalb, weil er in unseren Lehrsätzen herumschnüffelt.» - «Wenn Ihr nichts dagegen habt, Herr Magāndiya, würde ich das dem Herrn Gotama sagen.» - «Ihr solltet Euch nicht bemühen, Herr Bharadvaja, aber Ihr mögt es sagen.»
Mit dem reinen, übermenschlichen Gehör vernahm der Erhabene das Gespräch des Brahmanen Bharadvaja mit dem Wandermönch Magāndiya. Als er gegen Abend seine Andacht beendet hatte, ging er zum Feuertempel des Brahmanen Bharadvaja und setzte sich auf die Grasmatte, und der Brahmane begab sich zu ihm, begrüßte ihn und setzte sich zu ihm. Da fragte ihn der Erhabene, ob er mit Magāndiya über die Grasmatte gesprochen habe. Bestürzt und erschrocken antwortete der Brahmane: «Gerade das wollte ich Euch, Herr Gotama, erzählen, aber Ihr habt meinen Bericht überflüssig gemacht.» Kaum war dieses Gespräch beendet, als auch schon der Wandermönch Magāndiya, der gerade spazierenging, zum Feuertempel kam, den Erhabenen höflich begrüßte und sich zu ihm setzte. Da sprach der Erhabene zu ihm:
«Das Gesicht, das sich an den sichtbaren Gestalten erfreut, das Gehör, das sich an den Tönen erfreut, der Geruch, der sich an den Düften erfreut, der Geschmack, der sich an den Säften erfreut, der Leib, der sich an den Tastungen erfreut, das Denkvermögen, das sich an den Vorstellungen erfreut, die hat der Vollendete gebändigt, bewacht und beherrscht, und er lehrt, wie sie beherrscht werden. Hast du, Magāndiya, daran gedacht, als du sagtest, der Samana Gotama sei ein Schnüffler?» - «Ja, Herr Gotama, daran habe ich gedacht, als ich das sagte; denn Ihr schnüffelt in unseren Lehrsätzen herum.» - «Was meinst du, Magāndiya: wenn jemand früher mit dem Gesicht die sichtbaren Gestalten, mit dem Gehör die Töne, mit dem Geruch die Düfte, mit dem Geschmack die Säfte, mit dem Leib die Tastungen und mit dem Denkvermögen die Vorstellungen genossen hat, die ihm erwünscht, lieblich, angenehm, begehrenswert erschienen, später aber wahrheitsgemäß gesehen hat, wie sie entstehen und dahinschwinden, was dabei das Erfreuliche und was dabei das Nachteilige ist und wie man ihnen entrinnt, und wenn er dann die Begierde nach sichtbaren Gestalten, Tönen, Düften, Säften, Tastungen und Vorstellungen aufgegeben, das leidenschaftliche Verlangen danach vertrieben hat und wunschlos und innerlich ganz beruhigt lebt, was hast du dagegen einzuwenden?» - «Nichts, Herr Gotama.» - «Als ich noch in der Häuslichkeit lebte und genoß, was die fünf Sinne bieten, erfreute ich mich mit dem Gesicht der sichtbaren Gestalten, mit dem Gehör der Töne, mit dem Geruch der Düfte, mit dem Geschmack der Säfte, mit dem Leib der Tastungen und mit dem Denkvermögen der Vorstellungen, die mir erwünscht, lieblich, angenehm und begehrenswert erschienen. Ich hatte drei Paläste, einen für die Regenzeit, einen für den Winter und einen für den Sommer. In dem ersten war ich während der vier Monate der Regenzeit von weiblichen Musikanten umgeben und stieg nicht hinunter aus dem Palast. Nach einiger Zeit sah ich wahrheitsgemäß, wie die Sinnenfreuden entstehen und dahinschwinden, was dabei das Erfreuliche und was dabei das Nachteilige ist und wie man ihnen entrinnt, und ich gab die Begierde nach Sinnenfreuden auf, vertrieb das leidenschaftliche Verlangen danach und lebte wunschlos und innerlich ganz beruhigt. Ich sah, wie die anderen Wesen, die nach Sinnenfreuden verlangen, von dem Durst danach verzehrt und von der Begierde eingehüllt werden, indem sie sich den Sinnenfreuden hingeben, und ich verlangte nicht danach und fand kein Gefallen daran, weil ich jenes Wohlbehagen erlangt hatte, das jenseits der Sinnenfreuden und jenseits unheilsamer Regungen als ein himmlisches Glück unvergänglich ist, und weil ich an jenem Wohlbehagen Gefallen fand, darum verlangte ich nicht mehr nach dem gemeinen und wünschte es mir nicht.
Magāndiya, nimm an: ein reicher Hausherr oder dessen Sohn hat genossen, was die fünf Sinne bieten, er hat aber in Werken, Worten und Gedanken einen guten Lebenswandel geführt und ist nach dem Tode auf dem guten Weg in das Himmelreich zur Gemeinschaft mit den Göttern der Dreiunddreißig gekommen. Dort genießt er im Lusthain, umgeben von einer Schar himmlischer Nymphen, fünffache himmlische Freuden. Was meinst du, würde der sich wohl nach den menschlichen Sinnenfreuden sehnen und zu ihnen zurückkehren wollen?» - «Nein, Herr Gotama, denn die himmlischen Freuden sind den menschlichen vorzuziehen.» - «Ebenso habe ich das Verlangen nach Sinnenfreuden aufgegeben, nachdem ich jenes Wohlbehagen erlangt hatte, das jenseits der Sinnenfreuden und jenseits unheilsamer Regungen als ein himmlisches Glück unvergänglich ist.
Oder, Magāndiya, nimm an: ein Aussätziger mit offenen Wunden am ganzen Körper, der von Würmern zerfressen wird und mit den Fingernägeln die Wunden aufkratzt, läßt seinen Körper an einer Grube mit glühenden Kohlen dörren. Seine Freunde und Verwandten rufen einen tüchtigen Arzt, der ihm ein Heilmittel gibt, so daß er vom Aussatz geheilt wird. Nun ist er gesund, glücklich, sein eigener Herr und kann gehen, wohin er will. Dann sieht er einen anderen Aussätzigen, der seinen Körper an einer Grube mit glühenden Kohlen dörrt. Meinst du, der Geheilte würde diesen Aussätzigen beneiden um die Kohlengrube oder um die Behandlung mit dem Heilmittel?» - «Nein, Herr Gotama, denn nur, solange er krank war, bedurfte er der Behandlung mit dem Heilmittel; da er nicht mehr krank ist, bedarf er dessen nicht mehr.» - «Ebenso habe ich das Verlangen nach Sinnenfreuden aufgegeben, nachdem ich jenes Wohlbehagen erlangt hatte, das jenseits der Sinnenfreuden und jenseits unheilsamer Regungen als ein himmlisches Glück unvergänglich ist.
Oder, Magāndiya, nimm an: ein Aussätziger[2] ist geheilt worden. Wenn ihn nun zwei starke Männer an den Armen packen und zur Kohlengrube schleppen, meinst du nicht, daß er seinen Leib hin und her winden würde, um freizukommen?» - «Ja, Herr Gotama, denn die Berührung dieses Feuers ist schmerzhaft, scharf brennend und quälend.» - «Meinst du, daß die Berührung dieses Feuers erst jetzt schmerzhaft, scharf brennend und quälend ist, oder war es schon früher so?» - «Es war schon früher so, aber bei dem Aussätzigen waren infolge seiner Qualen die Sinne verwirrt, und er glaubte, während er vom Feuer schmerzlich berührt wurde, das tue ihm wohl.» - «Ebenso war schon früher die Berührung der Sinnenfreuden schmerzlich, scharf brennend und quälend, sie wird es künftig sein und sie ist es jetzt, und bei den Wesen, die von der Gier nach Sinnenfreuden nicht lassen können, sind die Sinne verwirrt, und sie glauben, während sie von den Sinnenfreuden schmerzlich berührt werden, das tue ihnen wohl.
Oder, Magāndiya, nimm an: ein Aussätziger läßt seinen Körper an einer Grube mit glühenden Kohlen dörren. Je mehr er das tut, um so unsauberer, stinkender und fauliger werden seine Wunden, und doch ist es für ihn eine Annehmlichkeit und Erleichterung wegen des Juckreizes der Wunden. Ebenso ist es bei den Wesen, die von der Gier nach Sinnenfreuden nicht lassen können: je mehr sie sich den Sinnenfreuden hingeben, um so mehr wächst diesen Wesen der Durst danach, und um so mehr werden sie von der Begierde eingehüllt, und doch ist es für sie eine Annehmlichkeit und Erleichterung infolge der fünf Sinne. Magāndiya, hast du schon jemals gesehen oder gehört, daß ein König oder ein Minister, der im Vollbesitz der fünf Arten von Sinnenfreuden ist und der den Durst nach Sinnenfreuden nicht überwunden hat, wunschlos und innerlich friedvoll war oder ist oder sein wird?» - «Nein, Herr Gotama.» - «Gut, Magāndiya, auch ich habe das niemals gesehen oder gehört. Aber alle Samanas und Brahmanen, die wunschlos und innerlich friedvoll waren oder sind oder sein werden, haben wahrheitsgemäß erkannt, wie die Sinnenfreuden entstehen und dahinschwinden, was in ihnen angenehm und was das Nachteilige ist und wie man ihnen entrinnen kann, sie haben den Durst und das Verlangen nach Sinnenfreuden aufgegeben, und so waren sie wunschlos und innerlich friedvoll oder sind es oder werden es sein.» Bei dieser Gelegenheit sprach der Erhabene folgenden Spruch:
«Gesundheit ist das höchste Gut, Nirwana höchste Seligkeit,
Der beste Weg der achtfache zum Frieden, zur Unsterblichkeit.»
Darauf sagte Magāndiya: «Das ist ein wundervoller Ausspruch des Herrn Gotama: Gesundheit ist das höchste Gut, Nirwana höchste Seligkeit. Das habe ich auch schon von Wandermönchen alter Zeit gehört, schon die Lehrer ihrer Lehrer sagten dasselbe wie Herr Gotama.» - «Was bedeutet dabei aber Gesundheit und Nirwana?» - Nach diesen Worten strich Magāndiya mit der Hand über seine Glieder und sagte: «Gesundheit und Nirwana ist ein und dasselbe. Ich bin jetzt gesund und fühle mich wohl, mir fehlt nichts.» Darauf sprach der Erhabene:
«Nimm an, Magāndiya: ein Blindgeborener sieht nichts Schwarzes, nichts Weißes, nichts Blaues, nichts Gelbes, nichts Rotes, nichts Grünes, er sieht nicht, was eben und was uneben ist, er sieht weder Sterne noch den Mond noch die Sonne. Dieser hört einen Sehenden sagen: <Hübsch ist ein weißes Gewand, das schön, fleckenlos und sauber ist.> Dann sucht er sich ein weißes Gewand zu verschaffen; aber ein anderer betrügt ihn mit einem ölfleckigen, schäbigen Gewand, indem er sagt: <Sieh hier! Dies ist ein weißes Gewand, das schön, fleckenlos und sauber ist.> Das zieht der Blinde an und ruft freudig: <Jetzt habe ich ein weißes, schönes, fleckenloses, sauberes Gewand!> Was meinst du, wenn der Blinde es erkennen und sehen könnte, würde er wohl das ölfleckige, schäbige Gewand anziehen und seine Freude äußern, oder sagt er das, weil er dem Sehenden glaubte?» - «Weil der Blinde es nicht erkannte und nicht sah, nahm er es an, und er sprach so, weil er dem Sehenden glaubte.» - «Ebenso sind die Wandermönche anderer Schulen blind und können nicht sehen, sie wissen nicht, was Gesundheit bedeutet, sie sehen nicht, was Nirwana bedeutet. Darum sagen sie: <Gesundheit ist das höchste Gut, Nirwana höchste Seligkeit.> Die Heiligen, völlig Erwachten der alten Zeit aber sprachen:
<Gesundheit ist das höchste Gut, Nirwana höchste Seligkeit,
Der beste Weg der achtfache zum Frieden, zur Unsterblichkeit.>
Dieser Spruch ist jetzt allmählich ein volkstümliches Sprichwort geworden. Magāndiya, dieser Leib ist allerlei Krankheiten ausgesetzt, und im Hinblick auf diesen Leib sagst du, Gesundheit und Nirwana sei dasselbe! Du hast eben kein edles Auge, mit dem du erkennen könntest, was Gesundheit bedeutet, und sehen könntest, was Nirwana bedeutet.»
Nun sagte Magāndiya: «Herr Gotama, ich glaube, Ihr könntet es mir so erklären, daß ich verstehe, was Gesundheit bedeutet, und einsehe, was Nirwana bedeutet.» Und der Erhabene fuhr fort:
«Magāndiya, nimm an: zu einem Blindgeborenen rufen seine Freunde und Verwandten einen fähigen Arzt. Dieser gibt ihm ein Heilmittel, der Blinde nimmt das Heilmittel, aber er kann seine Augen nicht öffnen, nicht klar machen. Wären da nicht dem Arzt alle seine Bemühungen fehlgeschlagen!» - «Ja, Herr Gotama!» - «Ebenso wäre es für mich mühevoll und lästig, wenn ich dir erklärte, was Gesundheit und Nirwana bedeuten, wenn du es nicht verständest.» - «Ich glaube aber doch, Herr Gotama, Ihr könnt es mir so erklären, daß ich es verstehe.»
«Nimm an, Magāndiya, ein Blindgeborener hört, wie ein Sehender ein weißes Gewand rühmt, er sucht sich eines zu verschaffen, wird aber von einem andern mit einem ölfleckigen, schäbigen Gewand betrogen. Nun rufen seine Freunde und Verwandten einen tüchtigen Arzt, dessen Kur mit Brechmitteln, Abführmitteln, Antimon-Augensalbe, Einreibungen und Einspritzen heißen Öls durch die Nase Erfolg hat. Dem Blinden öffnen und klären sich die Augen, und da er nun sehen kann, verliert er die Lust an dem ölfleckigen, schäbigen Gewand, er betrachtet nun jenen Mann als seinen Feind und Widersacher und möchte ihn umbringen, weil er weiß, daß er lange Zeit von ihm mit dem schäbigen Gewand betrogen worden ist. Ebenso würdest du, wenn ich dir erkläre, was Gesundheit und Nirwana bedeuten, und du es verstehst und sehend wirst, die Lust an den fünf Gruppen des Anhaftens verlieren. Dann würdest du wissen, daß du lange Zeit von deiner Denkweise betrogen worden bist, so daß du haftetest an der Körperlichkeit, an der Empfindung, an der Wahrnehmung, an den unbewußten gestaltenden Tätigkeiten und am Bewußtsein; du würdest wissen, daß infolge des Anhaftens Leben zustande kommt, infolge von Leben Geburt, infolge von Geburt Altern und Sterben, Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung, und daß auf diese Weise die ganze Masse der Übel entsteht.»
Darauf sagte Magāndiya: «Ich glaube, Herr Gotama, Ihr könnt es mir so erklären, daß ich von der Blindheit geheilt bin, wenn ich von diesem Sitz aufstehe.» - «Dann, Magāndiya, schließe dich guten Menschen an! Dann wirst du die wahre Lehre hören, und wenn du sie gehört hast, wirst du sie genau befolgen, und dann wirst du richtig erkennen und einsehen, daß diese (fünf Gruppen) krankhaft und elend sind, daß aber hier das Krankhafte und Elende restlos verschwindet. Wenn dann bei dir das Anhaften aufhört, hört Leben auf, wo kein Leben ist, gibt es keine Geburt, wo keine Geburt ist, gibt es kein Altern und Sterben, keinen Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und keine Verzweiflung. So schwindet diese ganze Masse der Übel dahin.»
Hierauf erklärte sich Magāndiya mit den üblichen Worten[3] für überzeugt, nahm seine Zuflucht zu Buddha, zur Lehre und zur Jüngergemeinde und bat um Aufnahme in den Orden, und der Erhabene erteilte ihm die erste und die zweite Weihe[4]. Magāndiya zog sich zurück, übte eifrig und erreichte bald das Nirwana. So wurde auch er ein Heiliger.
[1] bhūnahu: die Bedeutung dieses Wortes ist unbekannt, aber aus der nachher gegebenen Begründung ist zu entnehmen, daß <Schnüffler> gemeint sein wird. {KEN hat "Kernbeißer" übersetzt; WG]
[2] Im Text beschrieben wie vorher.
[3] Im Text ausführlich mit denselben Worten wie im 4. Sutta am Schluß.
[4] Im Text mit denselben Worten wie im 57. Sutta am Schluß.