Majjhima Nikāya, Mittlere Sammlung

ZWEITER TEIL: DIE MITTLEREN FÜNFZIG - Majjhimapannāsam

IX. BUCH: KÖNIGE - Rājavaggo

89. Denkmäler für die Lehre - Dhammacetiya Sutta

 

So habe ich es gehört:

   Einst weilte der Erhabene in dem Städtchen Medalumpa im Lande der Sakyer. Damals war König Pasénadi von Kósala nach Nangāraka gekommen, um dort etwas zu besorgen. Von dort machte er eine Vergnügungsfahrt in die Umgebung und sah dabei, in einem Park lustwandelnd, prächtige Bäume, unter denen man ungestört meditieren konnte. Dieser Anblick erinnerte ihn an den Erhabenen, der unter solchen Bäumen zu meditieren pflegte, und er fragte seinen Beamten Digha, wo sich der Erhabene aufhalte. Digha sagte, der Erhabene weile in Medalumpa, das sei nicht weit, nur drei Meilen entfernt, man könne noch vor dem Abend hinkommen. Darauf ließ der König wieder anspannen, fuhr nach Medalumpa und ging dann zu Fuß in den dortigen Park, wo er einigen Bhikkhus begegnete. Diese fragte er, wo sich der Erhabene aufhalte, und sie erwiderten: «In diesem Rasthaus ist die Tür geschlossen. Gehe leise hin, tritt ohne Eile in die Vorhalle, räuspere dich und klopfe an! Dann wird dir der Erhabene die Tür öffnen.» Darauf reichte der König sein Schwert und seinen Turban dem Digha, der daraus ersah, daß der König allein sein wollte und er dort warten sollte, und der König tat, wie ihm die Bhikkhus gesagt hatten. Der Erhabene öffnete die Tür, der König trat ein, kniete vor dem Erhabenen nieder, umfing mit den Händen die Füße des Erhabenen und küßte sie. Dann nannte er seinen Namen: «Herr, ich bin der König Pasénadi von Kosala.» - «Majestät», erwiderte der Erhabene, «was bezweckt Ihr damit, daß Ihr diesem Körper eine so hohe Huldigung erweist?» - «Herr», sagte der König, «ich bin zu dem Schluß gekommen daß der Erhabene voll erwacht ist, daß er die Lehre gut verkündet hat und daß des Erhabenen Jüngergemeinde auf dem rechten Wege ist. Ich habe gesehen, daß manche Samanas und Brahmanen nur eine begrenzte Zeit lang, zehn oder zwanzig oder dreißig oder vierzig Jahre lang, das Reinheitsleben führen und danach gebadet, gesalbt, mit gepflegtem Haar und Bart im Genuß dessen leben, was die fünf Sinne bieten. Hier aber sehe ich, daß die Bhikkhus ihr ganzes Leben lang einen vollkommen reinen Lebenswandel führen, wie ich ihn sonst nirgends gefunden habe. Daraus schließe ich, daß der Erhabene vollkommen erwacht ist, daß er die Lehre gut verkündet hat und daß des Erhabenen Jüngergemeinde auf dem rechten Wege ist.

Es streiten Könige mit Königen, Adlige mit Adligen, Brahmanen mit Brahmanen, Bürger mit Bürgern, die Mutter mit dem Sohn, der Sohn mit der Mutter, der Vater mit dem Sohn, der Sohn mit dem Vater, der Bruder mit dem Bruder, der Gefährte mit dem Gefährten. Hier aber sehe ich, daß die Bhikkhus einträchtig und freundschaftlich miteinander leben ohne zu streiten, wie ich es sonst nirgends gefunden habe. Auch daraus schließe ich, daß der Erhabene voll erwacht ist, daß er die Lehre gut verkündet hat und daß des Erhabenen Jüngergemeinde auf dem rechten Wege ist.

Ich bin durch manchen Garten und manchen Park gewandert und habe dort Samanas und Brahmanen gesehen, die elend, abgemagert, häßlich, abstoßend anzusehen waren, und ich hatte den Eindruck, daß sie ungern den Reinheitswandel führen oder irgendeine Missetat zu verheimlichen haben, und ich fragte sie, warum sie so elend aussähen. Darauf antworteten sie, sie hätten Heimweh[1]. Hier aber sehe ich, daß die Bhikkhus froh und heiter, fröhlichen Sinnes, sorglos und munter sind, wie das Reh im Walde. Da sagte ich mir: Sicherlich haben diese Ehrwürdigen in der Lehre des Erhabenen ein vortreffliches, nach und nach zu erreichendes Ergebnis gefunden und sind deshalb so froh und heiter. Auch daraus schließe ich, daß der Erhabene voll erwacht ist, daß er die Lehre gut verkündet hat und daß des Erhabenen Jüngergemeinde auf dem rechten Wege ist.

Als rechtmäßiger König kann ich Verbrecher mit dem Tode, mit Vermögenseinziehung oder mit Verbannung bestrafen. Wenn ich zu Gericht sitze, macht man Zwischenrufe, und ich bitte vergebens, keine Zwischenrufe zu machen und mich die Verhandlung zu Ende führen zu lassen, aber immer wieder machen sie Zwischenrufe. Hier aber sehe ich, daß, wenn der Erhabene einer Versammlung von mehreren Hunderten die Lehre darlegt, bei den Hörern nicht einmal der Laut eines Niesens oder Räusperns zu hören ist. Als einmal bei einem Lehrvortrag des Erhabenen in einer Versammlung ein Hörer sich räusperte, stieß ihn einer seiner Mitbrüder mit dem Knie an, damit er sich still verhalte, solange der Meister sprach. Da dachte ich, es sei doch erstaunlich, daß eine Gesellschaft ohne äußere Zwangsmittel so gut erzogen werden kann. Nirgends sonst habe ich eine so wohlerzogene Gesellschaft gefunden. Auch daraus schließe ich, daß der Erhabene voll erwacht ist, daß er die Lehre gut verkündet hat und daß des Erhabenen Jüngergemeinde auf dem rechten Wege ist.

Ich sah[2] gelehrte Adlige, Brahmanen und Bürger, die Disputierkünstler waren, Haare spalten und mit ihrem Scharfsinn die Lehrsätze gewissermaßen zersplittern konnten. Diese hörten, der Samana Gotama werde dieses oder jenes Dorf besuchen, und bereiteten eine Frage vor, die sie ihm vorlegen wollten. Sie nahmen sich vor, wie sie ihn widerlegen wollten, wenn er so oder anders antworten würde. Als dann Gotama das Dorf besuchte, gingen sie zu ihm, und Gotama hielt ihnen eine lehrreiche, zum Nachdenken anregende Ansprache. Darauf legten sie ihm keine Frage vor, geschweige denn, daß sie ihn widerlegten, sondern sie wurden seine Anhänger. Auch daraus schließe ich, daß der Erhabene voll erwacht ist, daß er die Lehre gut verkündet hat und daß des Erhabenen Jüngergemeinde auf dem rechten Wege ist.

Ich sah auch gelehrte Samanas von derselben Art wie jene Adligen. Als Gotama ihnen eine Ansprache gehalten hatte, verließen sie ihr Haus und schlossen sich ihm als Bhikkhus an. Als Bhikkhus strebten sie fleißig und unermüdlich und erkannten bald jenes Ziel heiligen Strebens, um dessentwillen ehrbare Männer in die Heimatlosigkeit ziehen, schon in diesem Leben selbst, schauten es und gewannen es zu dauerndem Besitz. Diese sprachen: <Wir hatten gänzlich unsern Verstand verloren! Obwohl wir keine (echten) Samanas waren, glaubten wir Samanas zu sein, obwohl wir keine Brahmanen waren, glaubten wir Brahmanen zu sein, obwohl wir keine Heiligen waren, glaubten wir Heilige zu sein. Jetzt erst sind wir (echte) Samanas, jetzt erst sind wir (echte) Brahmanen, jetzt erst sind wir Heilige.> Auch daraus schließe ich, daß der Erhabene voll erwacht ist, daß er die Lehre gut verkündet hat und daß des Erhabenen Jüngergemeinde auf dem rechten Wege ist.

Die beiden Offiziere Isidatta und Purāna sind meine Angestellten, ich gebe ihnen den Unterhalt und sorge für ihren Ruhm. Trotzdem erweisen sie mir nicht solche Huldigung wie dem Erhabenen. Als ich einmal mit dem Heer ausgezogen war, nahm ich mit Isidatta und Purana, um sie zu beobachten, in einem engen Hause Aufenthalt. Da verbrachten die beiden einen großen Teil der Nacht mit Gesprächen über die Lehre, dann legten sie sich nieder mit dem Kopf dorthin, wo, wie sie gehört hatten, der Erhabene war, die Füße aber zu mir hin. Da dachte ich: Sicherlich haben diese Ehrwürdigen in der Lehre des Erhabenen ein vortreffliches, nach und nach zu erreichendes Ergebnis gefunden. Auch daraus schließe ich, daß der Erhabene voll erwacht ist, daß er die Lehre gut verkündet hat und daß des Erhabenen Jüngergemeinde auf dem rechten Wege ist.

Der Erhabene ist adlig, ist ein Kósaler, ist achtzig Jahre alt, auch ich bin adlig, bin ein Kósaler, bin achtzig Jahre alt. Darum geziemt es mir, dem Erhabenen eine so hohe Huldigung zu erweisen. - Nun aber will ich gehen, ich habe noch viel zu erledigen.» - «Majestät, tut, was Ihr für recht haltet!» Darauf stand der König auf, schritt rechts um den Erhabenen herum und ging fort. Bald danach sagte der Erhabene zu den Bhikkhus: «Was der König Pasénadi von Kósala gesagt hat, waren Denkmäler für die Lehre. Merkt euch diese Denkmäler, lernt sie auswendig, behaltet sie im Gedächtnis! Diese Denkmäler für die Lehre sind heilbringend, sie stehen im Einklang mit dem Reinheitswandel.»

So sprach der Erhabene. Mit Freude und Dank nahmen die Bhikkhus seinen Ausspruch an.

 


 

[1] Statt bandhukaroga, dessen Bedeutung unbekannt ist, schlägt das P.T.S. Dict. vor panduroga = Gelbsucht zu lesen, wie es in den Burmesischen Handschriften steht. Wahrscheinlich hat aber Gräfin Matuschka recht, die das Wort als bandhu- (Verwandten-) roga (krankhafte Sehnsucht), d.h. Heimweh deutet.

[2] Das Folgende steht wörtlich so im 27. Sutta.


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