So habe ich es gehört:
Einst weilte der Erhabene in Anāthapindikas Bhikkhuheim im Jetahain bei Sāvatthi. Damals hielt sich der junge Brahmane Subha, ein Sohn Todeyyas, im Hause eines Bürgers in Sāvatthi auf, um etwas zu besorgen. Er fragte den Bürger: «Ich habe gehört, in Sāvatthi gebe es Heilige. Welchen Samana oder Brahmanen könnte ich wohl aufsuchen?» Der Bürger empfahl ihm, zum Erhabenen in Anāthapindikas Bhikkhuheim zu gehen. Das tat dann Subha, begrüßte den Erhabenen höflich, setzte sich zu ihm und sprach:
«Herr Gotama, die Brahmanen sagen, nur wer in der Häuslichkeit lebe, könne den rechten Weg finden und zum Heil gelangen, nicht wer in die Heimatlosigkeit gezogen sei. Was meint Ihr dazu?» - «Junger Herr», erwiderte der Erhabene, «ich unterscheide hierbei: Schlechten Lebenswandel lobe ich nicht, weder bei einem, der im Hause lebt, noch bei einem, der in die Heimatlosigkeit gezogen ist; denn wegen ihres schlechten Lebenswandels können beide nicht den rechten Weg finden und zum Heil gelangen. Dagegen lobe ich rechten Lebenswandel sowohl bei einem, der im Hause lebt, als auch bei einem, der in die Heimatlosigkeit gezogen ist, denn wegen ihres rechten Lebenswandels können beide den rechten Weg finden und zum Heil gelangen.» - «Herr Gotama, die Brahmanen sagen: Die Tätigkeit im Hausleben, die viel Arbeit, Mühe und Anstrengung erfordert, trägt reiche Frucht, die Tätigkeit eines Hauslosen aber, die wenig Arbeit, Mühe und Anstrengung erfordert, trägt geringe Frucht. Was meint Ihr dazu?» - «Auch hier unterscheide ich: Eine Tätigkeit, die viel Arbeit, Mühe und Anstrengung erfordert, trägt geringe Frucht, wenn sie fehlschlägt, sie trägt aber reiche Frucht, wenn sie gelingt; eine Tätigkeit, die wenig Arbeit, Mühe und Anstrengung erfordert, trägt geringe Frucht, wenn sie fehlschlägt, sie trägt aber reiche Frucht, wenn sie gelingt. So trägt Ackerbau, der viel Arbeit, Mühe und Anstrengung erfordert, wenn er fehlschlägt, geringe Frucht, wenn er aber gelingt, reiche Frucht. Ebenso trägt Tätigkeit im Hausleben, wenn sie fehlschlägt, geringe Frucht, wenn sie aber gelingt, reiche Frucht. Handel, der wenig Arbeit, Mühe und Anstrengung erfordert, trägt, wenn er fehlschägt, geringe Frucht, wenn er aber gelingt, reiche Frucht. Ebenso trägt die Tätigkeit eines Hauslosen, wenn sie fehlschlägt, geringe Frucht, wenn sie aber gelingt, reiche Frucht.» - «Herr Gotama, die Brahmanen geben fünf Bedingungen dafür an, daß man Verdienst erwirbt und zum Heil gelangt.» - «Junger Herr, wenn es dir nicht unpassend erscheint, dann sage mir, bitte, die fünf Bedingungen.» - «Es erscheint mir nicht unpassend, wenn Herren oder ihresgleichen miteinander reden.» - «Also sprich!» - «Die fünf Bedingungen sind: Wahrhaftigkeit, Askese, Keuschheit, Vedastudium und Entsagung.» - «Wie ist das: gibt es irgendeinen Brahmanen, der gesagt hat, er habe die Wirkung dieser fünf Bedingungen selbst erkannt und erlebt?» - «Nein, Herr Gotama.» - «Oder gibt es einen Lehrer oder Lehrerslehrer der Brahmanen bis zur siebenten Generation rückwärts, der das gesagt hat?» - «Nein, Herr Gotama.» - «Haben die Seher der Vorzeit, die Verfasser der Sprüche, die gesammelt wurden und heute von den Brahmanen ihnen nachgesungen und nachgesprochen werden, wie Atthaka, Vāmaka, Vāmadeva, Vessamitta, Yamataggi, Angirasa, Bharadvaja, Vasettha, Kāssapa und Bhagu, - haben diese gesagt, sie hätten die Wirkung der fünf Bedingungen selbst erkannt und erlebt?» - «Nein, Herr Gotama.» - «Es gibt also keinen, der das gesagt hat. Wie in einer Reihe Blinder, die sich aneinander festhalten, der vorderste nichts sieht, der mittlere nichts sieht und der hinterste nichts sieht, ebenso erweist sich die Überlieferung der Brahmanen gewissermaßen als eine Reihe Blinder, von denen der vorderste nichts sieht, der mittlere nichts sieht und der hinterste nichts sieht.»
Aufgebracht und ärgerlich über dieses Gleichnis fuhr Subha den Erhabenen an: «Der Samana Gotama sollte sich schämen!» und sagte dann: «Der Brahmane Pokkharasati, der Opamannya vom Glückswald, hat gesagt: Manche Samanas und Brahmanen rühmen sich übermenschlicher Fähigkeiten und allerhöchster edler Weisheit. Solches Gerede ist lächerlich, unsinnig, leer und hohl. Daß ein menschliches Wesen solche Fähigkeiten hätte, ist unmöglich.» - «Hat denn der Brahmane Pokkharasati, der Opamannya, den Geist aller Samanas und Brahmanen geistig durchschaut?» - «Nicht einmal bei seiner rundlichen Magd kann er den Geist geistig durchschauen, wie sollte er den Geist aller Samanas und Brahmanen geistig durchschauen können?» - «Junger Herr, wenn ein Blindgeborener, der nichts Schwarzes, nichts Weißes, nichts Blaues, nichts Gelbes, nichts Rotes und nichts Grünes sieht, der nicht sieht, was eben und uneben ist, der weder Sterne noch Mond und Sonne sieht, wenn der sagte: Es gibt nichts Schwarzes, nichts Weißes, nichts Blaues, nichts Gelbes, nichts Rotes und nichts Grünes, nichts Ebenes und nichts Unebenes, weder Sterne noch Mond und Sonne, es gibt niemand, der das sieht, denn alles das kenne ich nicht und sehe ich nicht, also gibt es das nicht, - würde der wohl richtig reden?» - «Nein, Herr Gotama, denn es gibt ja Schwarzes und Weißes usw., es gibt Sterne, Mond und Sonne, es gibt Menschen, die das alles sehen. Wer sagen würde: Ich kenne das nicht und sehe es nicht, also gibt es das nicht, der würde nicht richtig reden.» - «Ebenso blind ist Pokkharasati, der Opamannya. Es ist nicht möglich, daß er übermenschliche Fähigkeiten und allerhöchste edle Weisheit kennt, schaut und begreift. Was meinst du, junger Herr: wenn die vornehmen Brahmanen von Kósala, wie Canki, Tarukkha, Pokkharasati, Janussoni und dein Vater Todeyya reden, ist es da besser, sie reden übereinstimmend mit der allgemeinen Meinung oder abweichend?» - «Übereinstimmend.» - «Reden sie besser klug oder unklug?» - «Besser klug.» - «Reden sie besser mit Überlegung oder ohne Überlegung?» - «Besser mit Überlegung.» - «Reden sie besser sachlich oder unsachlich?» - «Besser sachlich.» - «Was meinst du: ist der Ausspruch des Brahmanen Pokkharasati, des Opamannya übereinstimmend mit der allgemeinen Meinung, ist er klug, wohl überlegt und sachlich?» - «Nein, er ist abweichend, unklug, unüberlegt und unsachlich.»
«Junger Herr, es gibt folgende fünf Hemmnisse: Verlangen nach Sinnenfreuden, Mißgunst, Trägheit und Schlaffheit, Aufregung und Gewissensunruhe, Zweifelsucht. Durch diese fünf Hemmnisse behindert und befangen, kann der Brahmane Pokkharasati, der Opamannya, übermenschliche Fähigkeiten und allerhöchste edle Weisheit nicht kennen, nicht schauen und nicht begreifen.
Es gibt fünf Arten von Sinnenfreuden: die sichtbaren Gestalten, die Töne, die Düfte, die Säfte und die Tastungen, soweit sie dem Auge, dem Ohr, der Nase, der Zunge und dem Tastsinn als erwünscht, lieblich, angenehm und reizend erscheinen. Durch diese fünf Arten von Sinnenfreuden ist der Brahmane Pokkharasati, der Opamannya, gefesselt, gelähmt, gefangen, so daß er sie genießt, ohne das Nachteilige dabei zu sehen und ohne zu wissen, wie man ihnen entrinnen kann. Auch deshalb kann er übermenschliche Fähigkeiten und allerhöchste edle Weisheit nicht kennen, nicht schauen und nicht begreifen.
Was meinst du, junger Herr: Wenn man mit Stroh oder Holz Feuer anzündet oder wenn man unter Verzicht auf Stroh und Holz Feuer anzündet, welches Feuer würde heller leuchten?» - «Wenn es möglich wäre, unter Verzicht auf Stroh und Holz Feuer anzuzünden, so würde solches Feuer heller leuchten.» - «Es ist aber nicht möglich, unter Verzicht auf Stroh und Holz Feuer anzuzünden, außer durch Zauberei. Wie ein Feuer, das mittels Stroh oder Holz brennt, betrachte ich die Freude, die aus dem Genuß der Sinne erwächst, aber wie ein Feuer, das unter Verzicht auf Stroh und Holz brennt, betrachte ich die Freude, die abseits von Sinnenlust und abseits von unheilsamen Regungen erwächst. Diese Freude, junger Herr, entsteht, wenn ein Bhikkhu sich ablöst von dem Verlangen nach Sinnengenüssen und von unheilsamen Regungen und die erste Stufe der Versenkung erreicht und darin bleibt. Dann bringt er das Nachdenken und Überlegen zur Ruhe, in seinem Innern wird es still, sein Geist ist auf einen einzigen Gegenstand gerichtet, und so erreicht er die aus der Geistessammlung entstandene, von Nachdenken und Überlegen freie, von Freude und Wohlbehagen erfüllte zweite Stufe der Versenkung und bleibt darin. Dies ist eine Freude abseits von sinnlicher Lust und abseits von unheilsamen Regungen.
Junger Herr, von den fünf Bedingungen dafür, daß man Verdienst erwirbt und zum Heil gelangt, erklären die Brahmanen welche für die wirksamste?» - «Die Entsagung.» - «Nehmen wir an: ein Brahmane hat ein großes Opferfest veranstaltet, und zwei andere Brahmanen kommen, um daran teilzunehmen. Der eine wünscht sich, beim Opfermahl den besten Platz, das beste Getränk und die beste Speise zu erhalten, aber der andere Brahmane erhält den besten Platz, das beste Getränk und die beste Speise. Darüber ärgert sich der erste Brahmane und wird ungehalten. Was wird nach der Lehre der Brahmanen die Folge davon sein?» - «Die Brahmanen spenden ihre Gaben nicht, damit sich jemand ärgert und ungehalten wird, sondern sie spenden sie aus Erbarmen.» - «Ist in diesem Falle nicht das Erbarmen der sechste Beweggrund der Brahmanen, um Verdienst zu erwerben?» - «Ja, das Erbarmen ist für die Brahmanen der sechste Beweggrund, um Verdienst zu erwerben.»
«Hast du die fünf Bedingungen der Brahmanen, um Verdienst zu erwerben und zum Heil zu gelangen, mehr bei den Leuten beobachtet, die in der Häuslichkeit leben, oder mehr bei denen, die in die Hauslosigkeit gezogen sind?» - «Mehr habe ich sie bei denen beobachtet die in die Heimatlosigkeit gezogen sind, weniger bei den Leuten, die in der Häuslichkeit leben. Diese letzteren sind ja viel beschäftigt, haben viel zu besorgen und können nicht immer die volle Wahrheit sagen, können nicht immer Askese üben, nicht ganz keusch leben, nicht viel studieren, nicht viel entsagen. Dagegen kann jemand, der in die Heimatlosigkeit gezogen ist, der wenig beschäftigt ist und wenig zu besorgen hat, immer die volle Wahrheit sagen, immer Askese üben, ganz keusch leben, viel studieren und ganz entsagen.» - «Die fünf Bedingungen der Brahmanen, um Verdienst zu erwerben und zum Heil zu gelangen, nenne ich Hilfsmittel des Denkens, denn sie helfen, das Denken freizuhalten von Haß und Mißgunst. Wenn ein Bhikkhu wahrhaftig ist, Askese übt, keusch lebt, studiert und entsagt, dann ist er sich bewußt, daß er so lebt, und er gewinnt dadurch Verständnis für das Heil und für die Wahrheit und jene innere Befriedigung, die verdienstvolles Tun verleiht. Das nenne ich Hilfsmittel des Denkens, denn es hilft, das Denken freizuhalten von Haß und Mißgunst.»
Darauf sagte Subha: «Ich habe gehört, der Samana Gotama kenne den Weg, der zur Gemeinschaft mit Brahma führt.» - «Junger Herr, ist nicht das Dorf Nalakara hier in der Nähe?» - «Ja, Herr!» - «Was meinst du: Wenn man einen Menschen, der in Nalakara geboren und aufgewachsen ist, fragte, wie weit der Weg nach Nalakara sei, würde der mit der Antwort zögern und in Verlegenheit geraten?» - «Nein, Herr Gotama, warum auch? Ein solcher Mensch kennt ja alle Wege nach Nalakara.» - «Es könnte immerhin sein, daß ein solcher zögert und verlegen wird, aber ein Vollendeter[1], den man über die Brahmawelt und über den Weg dorthin befragt, zögert nicht und wird nicht verlegen. Ich kenne Brahma genau und kenne genau die Brahmawelt und den Weg dorthin und wie man dorthin gelangt.» - «Ich habe gehört, Herr Gotama, Ihr zeigt den Weg zur Gemeinschaft mit Brahma. Bitte, zeigt ihn mir!» - «Dann höre gut zu und merke es dir, junger Herr! Ich will es dir sagen: Dies ist der Weg: Man[2] durchdringt mit gütiger Gesinnung die Welt nach den vier Himmelsrichtungen, dann nach oben und unten und ringsum, die ganze Welt nach allen Seiten hin vollständig mit gütiger, umfassender, großer, grenzenloser, friedlicher und freundlicher Gesinnung. Wie ein kräftiger Muschelbläser ohne große Mühe sich nach allen vier Himmelsrichtungen hin vernehmbar macht, so gibt es für die Entfaltung der herzerlösenden Güte keine Grenze. Dies ist ein Weg zur Gemeinschaft mit Brahma. Ebenso durchdringt man mit Erbarmen, mit Mitfreude und mit Gleichmut die ganze Welt. Auch dies sind Wege zur Gemeinschaft mit Brahma.»
Nach diesen Worten dankte Subha in der üblichen Weise[3] für die Belehrung, nahm seine Zuflucht zu Buddha, zur Lehre und zur Jüngergemeinde und bekannte sich als Laienanhänger. Dann stand er auf, schritt rechts um den Erhabenen herum und ging fort.
Um dieselbe Zeit machte der Brahmane Janussoni[4] in einem weißen Verdeckwagen von Sāvatthi aus eine Morgenspazierfahrt. Dabei sah er Subha kommen und fragte ihn, woher er so früh am Morgen komme. «Vom Samana Gotama!», erwiderte Subha. «Glaubst du», fragte Janussoni weiter, «daß der Samana Gotama außerordentliche Weisheit besitzt? Man hält ihn für weise.» - «Wer bin ich und wer ist überhaupt imstande, die außerordentliche Weisheit Gotamas zu ermessen? Der müßte ihm gleichen, der seine außerordentliche Weisheit ermessen könnte.» - «Das ist ja eine gewaltige Lobpreisung für den Samana Gotama!» - «Wie könnte ich wagen, ihn zu preisen? Der Samana Gotama ist über alles Lob erhaben, er ist der Höchste bei Göttern und Menschen. Die fünf Bedingungen, um Verdienst zu erwerben und zum Heil zu gelangen, nennt der Samana Gotama Hilfsmittel des Denkens, weil sie helfen, das Denken freizuhalten von Haß und Mißgunst.» Darauf stieg Janussoni aus seinem Wagen, entblößte seine Schulter, verneigte sich mit zusammengelegten Händen in der Richtung nach dem Erhabenen hin und sprach feierlich: «Es ist ein großes Glück für den König Pasénadi von Kósala, daß in seinem Machtbereich der Vollendete weilt, der Heilige, der Vollerwachte!»
[1]tathāgata ist hier wohl in der ursprünglichen Bedeutung gebraucht: <der so Gekommene, der hier Anwesende> ein Ausdruck, den Buddha gebrauchte, um das Wort <ich> zu vermeiden. im Munde Buddhas ist tathāgata ein Ausdruck der Bescheidenheit, wenn aber seine Jünger dasselbe Wort mit Bezug auf den Meister gebrauchten, war es ein Ausdruck der Verehrung, weshalb wir es mit <der Vollendete> übersetzen (vgl. das 26. Sutta, Anm. 4).
[2]Im Text steht <ein Bhikkhu>, weil die Formel so lautet; der Zusammenhang erfordert hier aber die Übersetzung <man>.
[3]Wie im 4. Sutta.
[4]Von hier bis zu den Worten <Götter und Menschen> übereinstimmend mit dem Anfang des 27. Suttas.