So habe ich es gehört:
Als der Erhabene einst auf der Terrasse der Mutter des Migara im Ostpark bei Sāvatthi weilte, kam zu ihm der Brahmane Gānaka Moggallāna (Moggallāna der Rechner), begrüßte ihn, setzte sich zu ihm und sprach:
«Wie man bei dieser Terrasse der Mutter des Migara einen allmählichen Aufstieg beobachten kann, nämlich bis zur letzten Treppenstufe, so kann man auch bei den Brahmanen einen allmählichen Aufstieg beobachten, nämlich beim Lernen, ebenso bei den Bogenschützen, nämlich bei den Schießübungen, und bei den Rechnern, nämlich beim Zählen. Wenn ich Schüler angenommen habe, lasse ich sie zuerst von eins bis hundert zählen. Kann man, Herr Gotama, auch in Eurer Lehre einen solchen allmählichen Aufstieg nachweisen?»
«Ja, Brahmane, das kann man. Wie ein gewandter Rossebändiger, wenn er ein gutes, reinrassiges Pferd erhält, dieses zuerst am Gebiß abrichtet und dann weitere Übungen machen läßt, so gibt der Vollendete, wenn er einen Menschen zur Erziehung erhält, diesem zuerst die Anweisung: <Wohlan, Bhikkhu, sei sittenrein, halte dich streng an die Ordenspflichten, befleißige dich eines guten Benehmens, hüte dich vor den geringsten Verfehlungen, nimm die Lebensregeln an und befolge sie!>
Wenn er das ausführt, gebe ich ihm die weitere Anweisung: <Bewache die Tore der Sinne! Wenn du eine Gestalt siehst, einen Ton hörst, einen Duft riechst, einen Saft schmeckst, einen Tastgegenstand berührst oder eine Vorstellung wahrnimmst, so hafte weder am Ganzen noch an den Einzelheiten! Weil böse, unheilsame Regungen, wie Begierde und Verdruß, den anwandeln, der seine Sinne nicht dauernd bewacht, darum hüte und bewache deine Sinne!>
Wenn er das ausführt, gebe ich ihm die weitere Anweisung: <Beim Essen halte Maß, nimm die Nahrung mit Bedacht ein, nicht zum Vergnügen und zum Behagen, nicht um schön und üppig zu werden, sondern nur um den Fortbestand dieses Körpers zu sichern, um Schaden zu verhüten und einen reinen Lebenswandel führen zu können. Dabei bedenke: So werde ich das Ergebnis früheren Wirkens absterben lassen und kein Ergebnis neuen Wirkens aufkommen lassen, ich werde meinen Lebensunterhalt haben, keinen Tadel verdienen und mich wohl befinden.>
Wenn er das ausführt, gebe ich ihm die weitere Anweisung: <Sei wachsam! Am Tage, wenn du umhergehst oder sitzt, läutere dein Denken von hinderlichen Regungen, ebenso im ersten Drittel der Nacht. Im mittleren Drittel der Nacht lege dich zum Schlafen nieder auf die rechte Seite wie ein Löwe, einen Fuß auf dem anderen, und denke achtsam und wissensklar daran, wann du wieder aufstehen willst. Im letzten Drittel der Nacht stehe auf und läutere, umhergehend oder sitzend, dein Denken von hinderlichen Regungen.>
Wenn er das ausführt, gebe ich ihm die weitere Anweisung: <Sei immer wissensklar! Wenn du fortgehst, zurückkommst, geradeausblickst oder umherblickst, wenn du ein Glied krümmst oder ausstreckst, wenn du Gewand und Schale trägst, wenn du ißt, trinkst, kaust oder kostest, wenn du deine Notdurft verrichtest, wenn du gehst, stehst, sitzt, einschläfst, aufwachst, sprichst oder schweigst, immer sei wissensklar!>
Wenn er das ausführt, gebe ich ihm die weitere Anweisung: <Suche dir einen einsamen Aufenthaltsplatz in einer menschenleeren Gegend, unter einem Baum, auf einem Berg, in einer Schlucht, in einer Felshöhle, auf einem Totenacker, in einer bewaldeten Hochebene, unter freiem Himmel oder auf einem Strohhaufen.>
Nach der Mahlzeit setzt er sich mit gekreuzten Beinen nieder, den Oberkörper gerade aufgerichtet, und beginnt mit der Achtsamkeitsübung (satipatthāna). Er legt weltliches Begehren ab, bleibt frei davon und läutert seinen Geist von weltlichem Begehren; er legt Mißgunst und Schadenfreude ab und bleibt frei davon; nur bedacht auf aller Wesen Wohlsein, läutert er seinen Geist von Mißgunst und Schadenfreude; er legt Trägheit und Schlaffheit ab und bleibt frei davon; klaren Geistes, besonnen und wissensklar läutert er seinen Geist von Trägheit und Schlaffheit; er legt Aufregung und Gewissensunruhe ab und bleibt frei davon; innerlich ruhig geworden, läutert er seinen Geist von Aufregung und Gewissensunruhe; er legt Zweifelsucht ab und bleibt frei davon; ohne noch fragen zu müssen, was heilsam sei, läutert er seinen Geist von Zweifelsucht.
Hat er die fünf Hemmnisse überwunden, so löst er sich ab von dem Verlangen nach Sinnengenüssen und unheilsamen Regungen und erreicht die mit Nachdenken und Überlegen verbundene, aus dieser Ablösung entstandene, von Freude und Wohlbehagen erfüllte erste Stufe der Versenkung und bleibt darin. Dann bringt er das Nachdenken und Überlegen zur Ruhe, in seinem Innern wird es still, sein Geist ist auf einen einzigen Gegenstand gerichtet, und so erreicht er die aus der Geistessammlung entstandene, von Nachdenken und Überlegen freie, von Freude und Wohlbehagen erfüllte zweite Stufe der Versenkung und bleibt darin. Wenn dann die freudige Erregung abgeklungen ist, bleibt er gleichmütig, andächtig und wissensklar und empfindet körperlich ein Wohlbehagen, von dem die Edlen sagen: Bei Gleichmut und Andacht fühlt man sich beglückt. So erreicht er die dritte Stufe der Versenkung und bleibt darin. Dann geht er über Glück und Leid hinweg, auch die Erinnerung an frühere frohe und trübe Stimmungen schwindet dahin, und er erreicht die über Glück und Leid erhabene vierte Stufe der Versenkung, bei der Gleichmut und Andacht in höchster Reinheit bestehen, und bleibt darin.
Solchen Bhikkhus, die noch Schüler sind, die den höchsten inneren Frieden noch nicht erreicht haben und noch danach streben, gilt diese meine Unterweisung; solchen aber, die Heilige sind, die alle Anwandlungen abgewehrt, den Reinheitswandel durchgeführt, alles Nötige getan, die Bürde abgeworfen, das höchste Heil erreicht, die Daseinsfesseln abgestreift haben und durch rechtes Wissen erlöst sind, dienen diese Dinge (die Versenkungen) zu glücklichen Zuständen im gegenwärtigen Leben.»
Nach diesen Worten fragte Gānaka-Moggallana den Erhabenen, ob alle seine von ihm unterwiesenen Jünger das ewige Heil, das Nirwana erreichen oder ob einige es nicht erreichen. Der Erhabene erwiderte: «Manche erreichen das Nirwana, manche nicht.» Weiter fragte Gānaka Moggallāna, woran es liege, daß manche von Herrn Gotama unterwiesene Jünger das Nirwana erreichen und manche nicht, da doch feststehe, daß es ein Nirwana gibt, daß es einen Weg zum Nirwana gibt und daß Herr Gotama den Weg zeigt. «Hierzu will ich dich etwas fragen», erwiderte der Erhabene, «und du magst antworten, wie es dir richtig scheint: Kennst du den Weg nach Rājagaha?» – «Ja, Herr, den kenne ich.» – «Nimm an, jemand käme, der nach Rājagaha gehen will, und fragte dich nach dem Wege dorthin, und du sagtest ihm: Dieser Weg führt nach Rājagaha; gehe eine Weile diesen Weg, dann wirst du ein gewisses Dorf sehen; von dort gehe eine Weile weiter, dann wirst du ein gewisses Städtchen sehen; von dort gehe wieder eine Weile weiter, dann wirst du den lieblichen Park, den freundlichen Hain, die schöne Wiese und den Lotusteich von Rājagaha sehen. Der Mann schlüge aber einen Seitenweg ein und ginge in verkehrter Richtung. Dann käme ein zweiter, der nach Rājagaha gehen will und dich nach dem Wege fragte, und du beschriebst ihm den Weg ebenso, wie dem ersten; dieser Mann gelangte heil nach Rājagaha. Woran liegt es nun, daß der eine nach Rājagaha kommt und der andere nicht, während doch feststeht, daß es Rājagaha gibt, daß es einen Weg nach Rājagaha gibt und daß du den Weg zeigst?» – «Was kann ich dazu tun, Herr Gotama? Ich bin nur der Wegweiser.» – «Ebenso, Brahmane, steht fest, daß es ein Nirwana gibt, daß es einen Weg zum Nirwana gibt und daß ich den Weg weise. Von den Jüngern, die ich unterweise, erreichen einige das ewige Heil, das Nirwana, einige nicht. Was kann ich dazu tun, Brahmane? Ich bin nur der Wegweiser.»
Nach diesen Worten sagte der Brahmane Gānaka-Moggallana: «Leute, die ungläubig, nur um versorgt zu sein, Bhikkhu werden, Gauner, Betrüger, freche, aufdringliche Schwätzer, die ihre Sinne nicht bewachen, die beim Essen nicht Maß halten, sich nicht der Wachsamkeit befleißigen, sich nicht um die Ordenspflichten kümmern, die üppig leben wollen, sich vordrängen, nicht allein sein wollen, energielose Wirrköpfe, die sich nicht sammeln können, beschränkte und stumpfe Menschen, – mit solchen gibt sich Herr Gotama nicht ab. Ehrbare Männer aber, die vertrauensvoll Bhikkhu werden, aufrichtige, ehrliche, tüchtige Menschen, die ihre Sinne bewachen, beim Essen Maß halten, sich der Wachsamkeit befleißigen, die Ordenspflichten erfüllen, auf üppiges Leben verzichten, bescheidene, die gern allein sind, tatkräftige, Achtsamkeit übende, gesammelte, weise Männer, – mit solchen gibt sich Herr Gotama ab. Wie unter den Wurzeldüften das schwarze Anusarika, unter den Holzdüften das rote Sandelholz, unter den Blumendüften der Jasmin am höchsten geschätzt werden, so ist des Herrn Gotama Belehrung die beste unter den heutigen Lehren.»
Dann nahm Gānaka-Moggallana mit den üblichen Worten seine Zuflucht zu Gotama, zur Lehre und zur Jüngergemeinde und bekannte sich als Laienanhänger.