Majjhima Nikāya, Mittlere Sammlung

DRITTER TEIL: DIE SPÄTEREN FÜNFZIG – Uparipannāsam

XIII. BUCH: LEERHEIT – Suññatavaggo

130. Götterboten – Devadūta Sutta

 

Vorbemerkung: Die Legende von den Götterboten, die in ihrer älteren Fassung in Anguttara Nikāya III, 35 überliefert ist, erscheint hier in einer späteren Neubearbeitung. Ursprünglich waren es drei Götterboten, ein Greis, ein Kranker und ein Toter; hier sind es fünf, hinzugefügt wurden: ein Säugling und ein Verbrecher Auch die Beschreibung der Hölle ist hier noch grausiger als in der älteren Fassung, wo sie wahrscheinlich auch spätere Zutat ist. Dagegen scheinen die Verse, die am Schluß übereinstimmend in beiden Fassungen stehen, zum alten Bestand zu gehören.

 

So habe ich es gehört:

  In Anāthapindikas Bhikkhuheim im Jetahain bei Sāvatthi sprach der Erhabene zu den Bhikkhus:

  Wie jemand, der in der Mitte zwischen zwei Häusern steht, sieht, wie die Leute hinein- und herausgehen, so sehe ich mit dem himmlischen Auge, wie die guten und die schlechten Menschen nach dem Tode je nach ihren Taten im Himmel, in der Menschenwelt, im Gespensterreich, im Tierreich oder in der Hölle wiedererscheinen. Kommt ein Mensch, der einen schlechten Lebenswandel in Werken, Worten und Gedanken geführt hat, in die Hölle, dann packen ihn die Höllenwächter an beiden Armen, bringen ihn vor den Totenrichter, den König Yama, und sagen: <Dieser Mensch war lieblos, ohne Ehrerbietung gegen Samanas und Brahmanen, er achtete nicht die Ältesten seiner Familie. Herr, bestraft ihn!> Dann forscht ihn König Yama aus über den ersten Götterboten: <Mensch, sahst du nicht unter den Menschen den ersten Götterboten erscheinen?> Er aber spricht: <Herr, ich sah ihn nicht.> Da spricht König Yama zu ihm:

  [<Mensch, sahst du nicht unter den Menschen einen Säugling in seinem Unrat liegen?> Jener erwidert: <Herr, einen solchen habe ich allerdings gesehen.> Da fährt Yama fort: <Mensch, der du mit Vernunft begabt und alt genug warst, kam dir da nicht der Gedanke: Auch ich muß notwendig (wieder) geboren werden, kann dem nicht entgehen; so will ich denn Gutes tun in Werken, Worten und Gedanken? Jener aber spricht: <Herr, ich konnte nicht, ich war leichtsinnig.> Da spricht Yama zu ihm: <Aus Leichtsinn hast du weder in Werken noch in Worten noch in Gedanken Gutes getan. Wahrlich, gemäß deinem Leichtsinn wird man es dir vergelten. Denn jene schlechten Taten hat nicht deine Mutter getan, noch dein Vater, noch dein Bruder, noch deine Schwester, noch deine Freunde und Verwandten, noch Samanas oder Brahmanen, noch Geister, sondern du selbst hast sie getan, und du selbst sollst ihre Vergeltung erfahren.>]

  Darauf forscht ihn König Yama aus über den zweiten Götterboten: <Mensch, sahst du nicht unter den Menschen den zweiten Götterboten erscheinen?> Er aber spricht: <Herr, ich sah ihn nicht.> Da spricht König Yama zu ihm: <Mensch, sahst du nicht unter den Menschen ein Weib oder einen Mann von achtzig, neunzig oder hundert Jahren, abgelebt, gekrümmt wie Dachsparren, auf eine Krücke gestützt, schlotternden Ganges dahinschleichend, siech, mit klaffenden Zahnlücken, mit grauen Haaren oder kahl, den Kopf voller Runzeln, die Glieder mit Flecken besät?> Jener erwidert: <Herr, solche habe ich allerdings gesehen.> Da fährt Yama fort: <Mensch, der du mit Vernunft begabt und alt genug warst, kam dir da nicht der Gedanke: Auch ich muß notwendig altern, kann dem nicht entgehen; so will ich denn Gutes tun in Werken, Worten und Gedanken?> Jener aber spricht: <Herr, ich konnte nicht, ich war leichtsinnig.> Da spricht Yama zu ihm: <Aus Leichtsinn hast du weder in Werken noch in Worten noch in Gedanken Gutes getan. Wahrlich, gemäß deinem Leichtsinn wird man es dir vergelten. Denn jene schlechten Taten hat nicht deine Mutter getan, noch dein Vater, noch dein Bruder, noch deine Schwester, noch deine Freunde und Verwandten, noch Samanas oder Brahmanen, noch Geister, sondern du selbst hast sie getan, und du selbst sollst ihre Vergeltung erfahren.>

  Dann forscht ihn König Yama ebenso über den dritten Götterboten aus: <Sahst du nicht ein Weib oder einen Mann, krank, elend, schwer leidend, im eigenen Unrat sich wälzend, die, wenn sie lagen, von einem andern aufgerichtet und wieder niedergelegt werden mußten? Kam dir da nicht der Gedanke: Auch ich bin der Krankheit ausgesetzt, so will ich denn Gutes tun?>

  [Dann forscht ihn König Yama ebenso aus über den vierten Götterboten: <Sahst du nicht, wie ein Verbrecher ergriffen und hart bestraft wurde[1]? Kam dir da nicht der Gedanke: So wird man schon in diesem Leben bestraft, wenn man Böses getan hat; wie wird es dann erst in der andern Welt sein? So will ich denn Gutes tun?>]

  Dann forscht ihn König Yama ebenso über den fünften Götterboten aus: <Sahst du nicht ein Weib oder einen Mann einen Tag oder zwei oder drei Tage nach dem Tode, aufgequollen, mit bläulichen Leichenflecken, in beginnender Verwesung?> Jener erwidert: <Herr, solche habe ich allerdings gesehen.> Da fährt Yama fort: <Mensch, der du mit Vernunft begabt und alt genug warst, kam dir da nicht der Gedanke: Auch ich muß notwendig einst sterben, kann dem nicht entgehen; so will ich denn Gutes tun in Werken, Worten und Gedanken?> Jener aber spricht: <Herr, ich konnte nicht, ich war leichtsinnig.> Da hält ihm Yama zum fünften Mal vor, daß er für seine Taten selbst verantwortlich ist und deshalb auch selbst die Vergeltung erfahren soll.

  Nun beginnen die Höllenwächter, den Menschen furchtbar zu quälen.[2]

  Früher einmal dachte König Yama: Wenn ich doch einmal ein Mensch werden könnte und ein Vollendeter in der Welt erschiene, so daß ich den Erhabenen verehren könnte und er mir die Lehre darlegte und ich sie verstände!

  Das habe ich nicht von einem Samana oder einem Brahmanen gehört, sondern ich habe es selbst gesehen und erkannt. Darum sage ich es.

  Darauf sprach der Erhabene noch folgende Verse:

 

  Wer leichtsinnig nicht sieht, daß Götterboten winken,
  Erfährt viel Leid, er muß zu niederem Dasein sinken.
  Die Guten aber, die, wenn Götterboten kommen,
  Mit Ernst den Sinn verstehn, gehören zu den Frommen,
 
  Sie sehen die Gefahr, die im Anhaften liegt.
  Nicht haftend, haben sie Geburt und Tod besiegt.
  Den Frieden haben sie erlöschend schon gefunden
  Und, ohne Schuld und Furcht, das Leid ganz überwunden.

 



[1] Im Text ausführlich wie im 129. Sutta.

[2] Hier folgt eine Beschreibung der Hölle wie im 129. Sutta.


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