Vis. VII. 6. Die Betrachtung über die Himmelswesen (devatānussati)
Als "Betrachtung über die Himmelswesen" gilt die betreffs der Himmelswesen aufgestiegene Betrachtung; damit bezeichnet man jene Achtsamkeit, die die eigenen Vorzüge, wie Vertrauen usw., zum Vorstellungsobjekte hat und die Himmelswesen zu Zeugen nimmt.
Wer aber die Betrachtung über die Himmelswesen zu entfalten wünscht, sollte ausgestattet sein mit Vertrauen und den anderen Tugenden, wie sie auf Grund des Edlen Pfades aufsteigen. Dann begebe er sich in die Einsamkeit, und abgeschieden gedenke er der eigenen Tugenden, wie des Vertrauens usw., indem er die Himmelswesen zu Zeugen nehme, so nämlich:
Solches Vertrauen, von dem erfüllt jene Himmelswesen, von hier abgeschieden, dort wiedererschienenen sind, solches Vertrauen ist auch in mir anzutreffen. Solche Sittlichkeit - solches Wissen - solche Freigebigkeit - solche Einsicht, von der erfüllt jene Himmelswesen, von hier abgeschieden, dort wiedererschienen sind, solche Einsicht ist auch in mir anzutreffen" (A.III.71; A.VI.10, A.XI.12).
In der Suttensammlung (A.VI.10;
A.XI.12) aber heißt es: "Zu
einer Zeit, Mahānāma, wo der edle Jünger des bei ihm selber als auch bei jenen
Himmelswesen anzutreffenden Vertrauens gedenkt, sowie der Sittlichkeit, des
Wissens, der Freigebigkeit und der Einsicht, zu einer solchen Zeit ist sein
Geist nicht von Gier besessen". Trotz dieses Ausspruches aber hat man doch
anzunehmen, daß dies gesagt wurde, um das Vertrauen und die anderen Tugenden zu
zeigen, die die zu Zeugen zu nehmenden Himmelswesen mit einem selber gemeinsam
haben. Im Kommentar nämlich wird bloß mit Nachdruck gesagt: "Die Himmelswesen zu
Zeugen nehmend, gedenkt er der eigenen Tugenden". Während er also zuerst jener
Tugenden der Himmelswesen gedenkt, und späterhin der in ihm selber
anzutreffenden Tugenden, zu einer solchen Zeit ist sein Geist weder von Gier,
noch von Haß, noch von Verblendung besessen; aufgerichtet ist zu einer solchen
Zeit sein Geist angesichts der Himmelswesen. In wem solcherart in der oben
besprochenen Weise die Hemmungen gelähmt sind, in dem steigen gleichzeitig die
Vertiefungsglieder auf. Infolge der Unergründlichkeit der Tugenden wie Vertrauen
usw aber, oder infolge des Bestrebens, sich der vielartigen Tugenden zu
erinnern, erreicht die Vertiefung nicht die volle, sondern bloß die angrenzende
Stufe. Weil diese nun auf Grund der Erinnerung an die den Tugenden der
Himmelswesen gleichenden Tugenden wie Vertrauen usw. aufgestiegen ist, darum
gilt sie als die Betrachtung über die Himmelswesen.
Der dieser Betrachtung über die Himmelswesen hingegebene Mönch aber ist den
Himmelswesen lieb und angenehm, gewinnt ein immer größeres, volles Vertrauen,
ist erfüllt von Begeisterung und Frohsinn; und sollte auch ein solcher nicht
weiter vordringen, so ist er doch einer glücklichen Daseinsfährte gewiß.
Drum möge sich des ernsten Strebens
Befleißigen der weise Mann
In der Betrachtung über die Himmelswesen,
Die solche hohe Macht besitzt.
Dies nun ist die ausführliche Darlegungsweise der Betrachtung über die Himmelswesen.
Pakiṇṇakakathā
In der ausführlichen Erklärung dieser sechs Betrachtungen heißt es zuerst:
"Aufgerichtet ist zu einer solchen Zeit sein Geist angesichts des Vollendeten
usw.", und darauf: "bei aufgerichtetem Geiste aber, Mahānāma, gewinnt der edle
Jünger Verständnis für den Sinn, Verständnis für das Gesetz, gewinnt die mit dem
Gesetze verbundene Freude, und im Erfreuten erhebt sich die Verzückung." "Er
gewinnt Verständnis für den Sinn" (attha-veda) wird hier gesagt wegen der
Zufriedenheit, die sich erhebt infolge des Sinnes solcher Aussprüche wie:
'Wahrlich, er, der Erhabene, ist ein Heiliger usw. "Er gewinnt Verständnis für
da Gesetz" (dhamma-veda) wird gesagt mit Beziehung auf die Zufriedenheit,
die sich infolge des Textes erhebt. "Er gewinnt die mit dem Gesetze verbundene
Freude" ist als mit Beziehung auf beide gesagt aufzufassen. Wenn in der
Betrachtung über die Himmelswesen gesagt wird: "angesichts der Himmelswesen", so
hat man das zu verstehen als gesagt mit Beziehung auf den anfangs anlässlich der
Himmelswesen eingetretenen Bewußtseinszustand, der aufgestiegen ist infolge der
den Tugenden der Himmelswesen gleichenden und den Zustand der Himmelswesen
herbeiführenden Tugenden.
Diese sechs Betrachtungen aber gelingen bloß den edlen Jüngern vollkommen,
denn bloß ihnen sind die Vorzüge des Erleuchteten, des Gesetzes und der
Jüngergemeinde vollkommen klar. Und sie besitzen solche Sitten, die ungebrochen
sind und die übrigen Vorzüge aufweisen, besitzen die vom Schmutze des Geizes
befreite Freigebigkeit und jene anderen Tugenden, die den Tugenden der
hochmächtigen Himmelswesen gleichen.
Auf die Frage nach einer förderlichen Beschäftigung wurden vom Erhabenen in
der Rede an Mahānāma (A.VI.10), um dem Sotapan eine förderliche Beschäftigung zu
zeigen, eben diese Betrachtungen ausführlich dargelegt.
Auch in der Rede von der Begierde (A.VI.25) werden sie fernerhin dem edlen Jünger, der seinen Geist durch Betrachtung geläutert hat, zur Gewinnung der absoluten Reinheit erklärt, in den Worten: "Da, ihr Mönche, gedenkt der edle Jünger des Vollendeten: 'Wahrlich, er, der Erhabene, ist ein Heiliger usw.'.... Aufgerichtet ist zu einer solchen Zeit sein Geist, dem Dickicht entronnen, davon befreit, hat sich darüber erhoben 'Dickicht', ihr Mönche, ist eine Bezeichnung für die 5 Sinnenobjekte (*). Auch solche Betrachtung zum Vorstellungsobjekte nehmend, ihr Mönche, erlangen da gewisse Wesen die Reinheit.
(*) [gedha ist offenbar die korrumpierte Form eines Wortes, das etwa
'Gestrüpp' oder auch 'Sumpf' bedeuten muß; in dieser Bedeutung nicht im PTS.
Dict. Auf alle Fälle kann es hier nicht 'Gier' (grdha) bedeuten, denn daß
die 5 kāmagunas nur die Objekte der Begierde, nicht aber die Begierde
selber bezeichnen, wird ausdrücklich betont in
A.VI.58.
In A.III.51 heißt es: "Wie aber, ihr Mönche, lebt ein großer Räuber im Dickicht? Da, ihr Mönche, lebt der große Räuber im Grasgestrüppe oder Gestrüppe (gahana) von Bäumen, oder im Dickicht (Lesarten: gedha, rodha, godha), oder in einem großen Waldhaine".
Ferner in M.Nid.p.151 (zu Snp. 819): "Bewußte Lüge ist ein großes Dickicht (gedha), ein großer Wald, ein großes Gestrüpp (gahana), eine große Wüste, eine große Unebenheit, ein großer Schlamm (panka), ein großer Sumpf (palipa), ein großes Hindernis (palibodha), eine große Fessel".
Die Erklärung des Kom. als panka u. palipa stammt offenbar aus obiger Quelle. ]
Auch in der vom ehrwürdigen Mahā-Kaccāna vorgetragenen Sutte von dem "Ausweg
aus dem Gedränge" (A.VI.26)
werden, um die Erreichung des Zugangs zum Zustande der absoluten Reinheit zu
zeigen, dem edlen Jünger eben jene Betrachtungen erklärt, in den Worten:
"Wunderbar ist es, o Bruder, erstaunlich ist es, o Bruder, wie er, der Erhabene,
der Kenner, der Seher, der Heilige, der Allerleuchtete, inmitten des Gedränges
die Erreichung eines Zuganges erkannt hat zu der Wesen Reinheit... zur
Verwirklichung des Nirwahns, nämlich die 6 Gegenstände des Gedenkens: welche
sechs? Da, o Bruder, gedenkt der edle Jünger des Vollendeten ... Auf diese Weise
gewinnen da gewisse Menschen die Reinheit."
Auch in der Fasttagssutte (A.III.71)
werden, um zu zeigen, welch hohe Frucht der Fasttag auf Grund der geistigen
Läuterungsübungen bringt, eben dem den Fasttag befolgenden edlen Jünger diese
Betrachtungen erklärt, in den Worten: "Welcherart aber, Visakha, ist der Edlen
Fasttag? Er besteht, Visākhā, in der durch richtiges Vorgehen zustande kommenden
Läuterung des befleckten Geistes. Wie aber, Visākhā, kommt durch richtiges
Vorgehen die Läuterung des befleckten Geistes zustande? Da, Visākhā, gedenkt der
edle Jünger des Vollendeten ..."
Auch auf die Frage im Elferbuch (A.XI.13): "Wir, o Ehrwürdiger die wir uns mit vielerlei Dingen beschäftigen, womit sollen wir die Zeit verbringen?", da werden, um eben dem edlen Jünger eine Beschäftigung zu zeigen, diese Betrachtungen erklärt, in den Worten: "Nur der Vertrauensvolle, Mahānāma, hat Erfolg, nicht der vertrauenslose; nur der Willenstarke ... nur der der Achtsamkeit Gewärtige ... nur der Gesammelte ... nur der Einsichtige, nicht der Einsichtslose. Sobald du aber, Mahānāma, in diesen 5 Dingen gefestigt bist, mögest du noch 6 weitere Dinge entfalten. Da, Mahānāma, mögest du des Vollendeten gedenken: 'Wahrlich, er, der Erhabene, ist ein Heiliger usw.'"
Trotzdem aber soll auch der mit geläuterter Sittlichkeit und mit den andern
Tugenden ausgestattete Weltling diese Betrachtungen erwägen; denn auch in
demjenigen, der der Vorzüge des Erleuchteten usw. gedenkt, erheitert sich auf
Grund des Nachdenkens sein Geist, kraft dessen er die Hemmungen zurückdrängt
und, erfüllt von hoher Freude, den Hellblick entfaltend, die Heiligkeit
verwirklichen mag, gleichwie der in Kata-Kandara wohnende Ordensältere
Phussadeva. Jener Verehrte, so heißt es, sagte sich beim Anblick eines vom Mahr
gezeugten Bildnisses des Erleuchteten also: 'Dieser da, obgleich noch voll von
Gier, Haß und Verblendung, leuchtet schon so! Wie muß da erst der Erhabene
leuchten, der gänzlich frei ist von Gier, Haß und Verblendung!' Nachdem er auf
diese Weise die mit der Vorstellung des Erleuchteten verbundene Verzückung
gewonnen hatte, entfaltete er den Hellblick und erreichte die Heiligkeit.
Hier endet des zur Beglückung guter Menschen abgefaßten "Weges zur Reinheit" 7.
Teil: die auf die Entfaltung der Sammlung sich beziehende Darstellung der sechs
Betrachtungen.