- 1. Die Betrachtung über den Tod (marana-sati)
- 2. Die Betrachtung über den Körper
- 3. Achtsamkeit auf Ein- und Ausatmung (ānâpāna-sati)
- 4. Die Betrachtung über den Frieden (upasamânussati)
Nunmehr sind wir angelangt bei der Darstellung der Entfaltung der
'Betrachtung über den Tod', die (in der Aufzählung) unmittelbar hierauf (d.i.
auf die Betrachtung über die Himmelswesen) folgt.
Als "Betrachtung über den Tod" gilt die betreffs des Todes aufgestiegene
Betrachtung; damit bezeichnet man jene Achtsamkeit, die das Erlöschen der
Lebenskraft zum Vorstellungobjekte hat.
Hierbei nun bedeutet 'Tod' das Erlöschen der durch ein einzelnes Dasein
begrenzten Lebenskraft. Gemeint ist also nicht etwa der als Aufhebung des
Leidens der Daseinsrunde geltende und 'in völliger Aufhebung bestehende Tod'
("d.i. der in der gänzlichen Erlöschung der Daseinsgruppen bestehende Tod des
Arahat", Komm.), auch nicht der als das augenblickliche Abbrechen der
Daseinsgruppen geltende und 'alle Augenblicke stattfindende Tod'
(khanika-marana); auch ferner nicht das, was man in konventioneller Weise
als Tod bezeichnet, wenn man z.B. von einem toten Baume, von totem Erz u. dgl.
spricht. Sondern das, was hier gemeint ist, sind diese beiden Arten des Todes:
der rechtzeitige Tod und der unzeitige Tod.
Von diesen erfolgt der rechtzeitige Tod (kāla-marana) durch Versiegung
des Verdienstes (oder, im Falle einer leidvollen Daseinsfährte, wie als Tier
usw., durch Versiegung des schuldvollen Karma), Versiegung der Lebensdauer, oder
Versiegung beider. Der unzeitige Tod (akāla-marana) erfolgt durch ein die
Früchte früheren Wirkens zerstörendes Wirken (Kamma).
Wenn z.B., trotz des Vorhandenseins der zum Lebensprozesse nötigen
Bedingungen, lediglich infolge der ausgereiften Frucht des
wiedergeburterzeugenden (früheren guten) Wirkens der Tod eintritt, so erfolgt
dieser Tod durch Versiegung des Verdienstes. Wenn der Tod eintritt auf Grund der
Versiegung des Lebens, wie bei den heutigen Menschen, deren Leben infolge
Mangels an günstiger Daseinsform (wie sie etwa bei den Himmelswesen anzutreffen
ist), Zeit (wie sie etwa bei den dem ersten Weltzeitalter angehörenden Wesen
anzutreffen ist; diese sollen ein unermeßlich hohes Lebensalter erreicht haben".
Kom.), Nahrung ("wie sie etwa den Bewohnern von Uttarakuru beschieden ist".
Kom.) usw. nur noch mit hundert Jahren bemessen ist, so erfolgt dieser Tod durch
Versiegung der Lebensdauer. Wenn aber, wie bei Dūsi-Māra (Mahr dem Verderber)
(s. Therag. 1187), dem
König Kalābu (s. Jāt.313,
Jāt.522) u. a., der Tod der
Lebensprozesse dadurch eintritt, daß sie zerstört werden durch eine Tat, die
Einen plötzlich von der Stelle abscheiden lassen kann, oder dadurch, daß sie auf
Grund vorgeburtlichen Wirkens zerstört werden durch Handlungen wie Erstechung
usw., so ist dies ein unzeitiger Tod. Alles das nun ist eingeschlossen in der
besagten Art des Erlöschens der Lebenskraft.
Somit gilt als 'Betrachtung über den Tod' das Gedenken des als Aufhebung der
Lebenskraft geltenden Todes. Wer aber diese zu entfalten wünscht, begebe sich in
die Einsamkeit, und abgeschieden stelle er in gründlicher Weise ("planmäßig"
sagt der Kom.) die Erwägung an: 'Einst wird kommen der Tod; die Lebenskraft wird
versiegen!'; oder: 'Sterben muß ich! Sterben muß ich!' Wer nämlich die Erwägung
nicht gründlich anstellt ("nämlich planlos, und ohne Achtsamkeit, Ergriffenheit
und Einsicht zu erwirken." Kom.), dem steigt Kummer auf, sobald er über den Tod
geliebter Menschen nachsinnt, genau wie der leiblichen Mutter, wenn sie an den
Tod ihres Kindes denkt; und beim Nachsinnen über den Tod unliebsamer Menschen
steigt ihm Freude auf, genau wie den Feinden, wenn sie an den Tod ihres Feindes
denken; beim Nachsinnen über den Tod eines ihm gleichgültigen Menschen aber
kommt es zu keiner Ergriffenheit, genau so wenig wie in dem Leichenverbrenner
beim Anblick einer Leiche; und beim Nachsinnen über den eigenen Tod steigt ihm
Entsetzen auf, genau wie der einen Mörder mit gezücktem Schwert Erblickende voll
Entsetzen ergriffen wird. Dies alles ist bedingt durch Mangel ('virahato'
ist adverbial gebrauchte Abl. von 'vihara', Trennung, Abwesenheit,
Mangel) an Achtsamkeit, Ergriffenheit und Einsicht.
So möge man denn, wenn man hier oder da Erschlagene oder andere Tote
erblickt, nachsinnen über den Tod von solchen verstorbenen Wesen, die einst im
Glücke gelebt haben, und möge die Achtsamkeit, Ergriffenheit und Einsicht
anspornen und in den Worten: 'Eintreten wird der Tod usw.' die Erwägung
anstellen. Wer nämlich in dieser Weise die Erwägung anstellt, der tut es
gründlich, d.h. er stellt sie planmäßig an. Denn nur in einem, der sie so
anstellt, werden die Hemmungen zurückgedrängt, festigt sich die Achtsamkeit
infolge der Vorstellung des Todes und erreicht die geistige Übung die
'Angrenzende' Stufe.
Wem aber solches nicht vergönnt ist, möge auf folgende acht Weisen den Tod
betrachten:
1. 'Wie einen vor ihm stehenden Mörder' bedeutet hier: als ob ein Mörder vor
ihm stehe. Er soll also denken: 'Gerade als ob ein Mörder mit gezücktem Schwerte
vor uns stände und uns das Messer zur Kehle führte, um uns das Haupt
abzuschlagen: genau so wartet der Tod auf uns'. Und inwiefern? Eben weil der Tod
gleichzeitig mit der Geburt gekommen ist und uns des Lebens beraubt. Gerade wie
der Keimling des Schlangenhutpilzes mit dem Kopfe die Erde auf sich nehmend
emporsproßt, so auch nehmen die Wesen bei ihrer Geburt das Alter und den Tod auf
sich. Denn sobald ihr Wiedergeburtsbewußtsein, unmittelbar nach dem Entstehen,
den Verfall erreicht, gelangt es, zusammen mit den damit verbundenen
Daseinsgruppen, zur Auflösung, genau wie der vom Gipfel des Berges
herunterfallende Felsen zerschellt. Somit ist der 'alle Augenblicke
stattfindende Tod' gleichzeitig mit der Geburt gekommen. Aber auch der hier
gemeinte Tod ist, insofern er eben dem Geborenen mit Gewissheit beschieden ist,
gleichzeitig mit der Geburt gekommen. Daher eilt dieses Wesen, von der Zeit der
Geburt ab, gerade wie die aufgegangene Sonne beständig dem Untergange entgegen;
und wo immer es hingelangt, von da kehrt es auch nicht für einen Augenblick mehr
zurück. Oder gleichwie der reißende Gebirgsstrom mit seinen raschen Fluten
dahinfließt, genau so eilt das Wesen, ohne auch nur für einen Augenblick mehr
umzukehren, beständig dem Tode entgegen. Darum heißt es (Jātaka
510): "Von jener einen ersten Nacht ab, in der der Mensch im Mutterleibe
weilt, eilt er, einer aufgestiegenen Wolke gleich, dahin; und dahineilend kehrt
er nimmermehr zurück".
Gleichwie unter der Glut der Sommerhitze die Bäche versiegen, wie die Früchte
der Bäume mit ihren von Feuchtigkeit durchdrungenen Stielen in der Frühe
abfallen, wie mit dem Hammer angeschlagen die irdenen Gefäße zerbrechen, wie von
den Sonnenstrahlen getroffen die Tautropfen zergehen: so auch ist dem also
Dahineilenden der Tod jederzeit nahe. Darum heißt es:
"Die Tage und Nächte entfliehen,
Es schwindet das Leben dahin;
Der Sterblichen Leben versieget
Wie's Wasser in dem winz'gen Fluß.
(s. IV. 10.)"Gleichwie am Morgen man befürchtet
Das Fallen der gereiften Frucht:
So fürchten stets sich vor dem Tode
Die sterblichen Geschöpfe all.
(Jāt. 461; vgl, Snp. 576.)
"Wie jedes irdene Gefäß,
Gebildet von des Töpfers Hand -
Ganz einerlei ob klein ob groß,
Ob schon gebrannt ob ungebrannt -
Am Ende doch zerbrochen wird,
So gilt's vom Menschenleben auch.
(vgl. Snp. 576.; S.3.22; Dhp. 40)"Dem Tautropfen vor Sonnenaufgang,
Der an der Grashalmspitze hängt:
Dem gleicht das Leben aller Menschen,
Drum halt' mich liebe Mutter, nicht!" (Jāt. 460.)
(m.a.W.: 'Halte mich nicht ab von meinem Entschlusse, dem Weltleben zu
entsagen'.- Das Gleichnis vom Tautropfen, sowie das obige Gleichnis vom
reißenden Gebirgsstrom finden sich ausführlich in der weiter unten angeführten
Sutte aus A.VII.70.)
So also ist der Tod - gleichsam wie ein Mörder mit gezücktem Schwerte -
gleichzeitig mit der Geburt gekommen. Und wie der Mörder uns das Messer an die
Kehle setzt und uns des Lebens beraubt, so auch beraubt uns der Tod des Lebens,
und nimmermehr kehrt man zurück. Darum steht der Tod, sofern er eben
gleichzeitig mit dem Leben gekommen ist und uns des Lebens beraubt, wie ein
Mörder mit gezücktem Schwerte stets vor uns.
Auf diese Weise hat man den Tod zu betrachten wie einen vor uns stehenden
Mörder.
2. 'Mit Rücksicht auf Segen und Mißgeschick' bedeutet hier: Nur solange leuchtet einem der Segen, solange einen das Mißgeschick nicht übermannt. Und keinen einzigen Segen gibt es, der dem Mißgeschicke entginge und dauernd wäre. So nämlich heißt es :
"Der ganzen Erde Lust genießend
Gab hundert Kotis hin der Frohe,
Und doch besaß zuletzt er nur
Die Hälfte einer Nellifrucht.
(König Asoka soll nach irgend einem Kommentare als Wurm in einer Nellifrucht
wiedergeboren worden sein)
"Und schon bei Lebzeiten geriet,
Als sein Verdienst erloschen war,
Beim Anblicke des nahen Todes
Asoka in gar großes Leid."
Überdies endet alles Gesundsein in Krankheit, alle Jugend im Verfall, alles
Leben im Tode; und jede Daseinsform wird von Geburt gefolgt, von Verfall ereilt,
vom Tode zerstört. Darum heißt es:
"Gleichwie das mächt'ge Felsgebirge,
Empor sich reckend himmelhoch,
Das Land durchziehet ringsumher
Und allerwärts es niederdrückt:
"So drückt das Alter und der Tod
Die Wesen nieder in der Welt,
Die Krieger, Priester, Bürger, Knechte,
Die Feger, die Verstoßenen.
Nichts lassen beide unverschont,
Zermalmen alles, was da ist.
"Da helfen Elefanten nichts,
Kein Fußheer, auch kein Wagenheer;
Ja, selbst durch Zauberkraft und Schätze
Man nimmer sie besiegen kann."
So hat man also über den Tod nachzusinnen mit Rücksicht auf Segen und
Mißgeschick, indem man erwägt, daß des Lebens Segen im Mißgeschick des Todes
endet.
3. 'Mit Rücksicht auf die Schlußfolgerungen' bedeutet: indem man von den anderen auf sich selber schließt. Hier nun hat man beim Nachsinnen über den Tod auf siebenfache Weise Schlußfolgerungen anzustellen: hinsichtlich der Größe des Ruhmes, der Größe des Tugendverdienstes, der Größe der Kraft, der Größe der magischen Fähigkeiten, der Größe des Wissens, hinsichtlich des Zustandes eines Einzelerleuchteten und hinsichtlich des Zustandes eines Allerleuchteten. Und in welcher Weise?
Der Tod hat doch ohne Zweifel selbst jene ruhmesgewaltigen, von großem
Gefolge umgebenen, an Schätzen und Wagen reichen Könige befallen, wie
Mahāsammata (Jāt. 422), Mandhātā (A.IV.15),
Mahāsudassana, Dalha-Nemi, Nimippabhūti (s.
Jāt. 541). Wie sollte er mich da wohl
nicht befallen! (D.26).
"Die ruhmesreichen, hehren Fürsten,
Wie Mahāsammata und andre,
Des Todes Macht verfallen sind,
Was gilt von solchen erst wie mir!"
Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die Größe
des Ruhmes.
Und in welcher Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die Größe des Tugendverdienstes?
"Jotika, Jatila, Ugga,
Mendaka sowie Punnaka,
Wie alle andern in der Welt
Von hohem Ruhme und Verdienst:
Sie alle sind dem Tod verfallen.
Was gilt von solchen erst wie mir!"
Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die Größe des Tugendverdienstes.
In welcher Weise aber hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die
Größe der Kraft?
"Solch' mächt'ge Herr'n wie Vāsudeva (Jāt. 454)
Und Bhīmasena, Yuddhitthila (Jāt. 536)
Wie Cānura, Piyadā, Malla (Jāt. 454)
Erlagen all des Todes Macht."Mit solcher Macht und Kraft begabt
Und hochberühmt in aller Welt,
Verfielen dennoch sie dem Tode.
Was gilt von solchen erst wie mir!"
Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die Größe der Kraft.
In welcher Weise aber hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die
Größe der magischen Fähigkeiten?
"Er, der mit seiner großen Zehe
Erschütterte Indra's Siegerschloß,
Der erste unter allen Magiern,
Der zweite von den besten Jüngern,
(Gemeint ist Mogallāna der nach Sāriputta der hervorragendste
Jünger war und von allen Mönchen die höchsten magischen Kräfte besaß
"Selbst er mit seiner Magierkraft
Eilt' in des Todes Schreckensschlund,
Wie's scheue Wild in den des Leu.
Was gilt von solchen erst wie mir!"
Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die Größe der magischen Fähigkeiten.
In welcher Weise aber hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die
Größe des Wissens?
"Vom Weltenlenker abgesehen,
Weiß von den andern Wesen all'
Auch Keiner nur ein Sechszehntel
Von dem, was Sāriputta weiß."Doch jener beste Jünger selbst,
Den solches hohe Wissen ziert,
Fiel in des Todes Machtbereich,
Was gilt von solchen erst wie mir!"
Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die Größe des Wissens.
In welcher Weise aber hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf den
Zustand eines Einzelerleuchteten?
,Selbst Jene, die durch eigene Erkenntnis und Willenskraft ihre Feinde, die
trübenden Leidenschaften, vertilgt und den Zustand der Einzelerleuchtung
errungen haben, die dem Nashorn (vergleiche die schönen Gleichnisse vom Nashorn
in Snp. 35-75) Gleichenden, aus sich
selber heraus Gewordenen, auch jene bleiben nicht verschont vom Tode. Wie sollte
wohl ich davon befreit sein!'
"Ja, solche hohe Weisen selbst,
Die alle Dinge wägen ab,
Durch eigne Wissenskraft erwacht,
In denen aller Wahn zerrann,
"Die einsam wandeln, einsam weilen,
Wie's Nashorn in der Einsamkeit,
Selbst sie entgehen nicht dem Tod.
Was gilt von solchen erst wie mir!"
Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf den
Zustand eines Einzelerleuchteten.
In welcher Weise aber hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf den Zustand eines Allerleuchteten? (Pug. 28).
,Selbst jener Erhabene, dessen stofflicher Körper mit den 80 Nebenmerkmalen
(welches diese Nebenmerkmale sind, ist mir nicht klar) ausgestattet und mit den
32 Kennzeichen eines großen Mannes geschmückt ist, und dessen Tugendkörper
gesegnet ist mit den Tugendkleinodien, als wie mit dem in jener Hinsicht
geläuterten Gebiete der Sittlichkeit, der Sammlung und des Wissens, der
vollendet ist in hohem Ruhme, hohem Tugendverdienste, hoher Standhaftigkeit,
hohen Geisteskräften, hohem Wissen, ohne seinesgleichen, ohne Ebenbürtigen, ohne
Rivalen, der Heilige, Allerleuchtete: selbst er ist - gleichwie eine mächtige
Feuermasse nach Eintritt eines Regenschauers erlischt - nach Eintritt des
Todesschauers auf der Stelle erloschen.'
"Selbst ihm, dem also Mächtigen,
Dem also hohen weisen Mann,
Ihm unterwarf der Tod sich nicht,
Aus Furcht nicht und auch nicht aus Scham.
"Wie sollte da wohl dieser Tod,
Der keine Scham kennt, keine Scheu,
Der alle Wesen niedertritt,
Nicht überwältigen auch mich!"
Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf den
Zustand eines Allerleuchteten.
Wer also von den anderen, die mit solchem hohen Ruhme und den anderen hohen Dingen ausgestattet sind, hinsichtlich der Anteilschaft am Tode auf sich selber schließt, daß nämlich, gerade wie für solche hervorragenden Wesen auch für ihn der Tod eintreten wird, bei dem hat die Übung den 'angrenzenden' Zustand erreicht.
Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die
Schlußfolgerungen.
4. 'Mit Rücksicht darauf, daß der Körper vielen angehört': Diesen Körper
besitzen viele gemeinsam: achtzig Würmerarten gehört er gemeinschaftlich an. Die
in der Oberhaut lebenden Wesen nähren sich von der Oberhaut; die in der
Lederhaut lebenden von der Lederhaut, die im Fleische lebenden vom Fleische, die
in den Sehnen lebenden von den Sehnen, die in den Knochen lebenden von den
Knochen, die im Mark lebenden vom Mark. Dortselbst entstehen, altern und sterben
sie, verrichten ihre Ausscheidung, und der Körper dient ihnen als Geburtsort,
als Krankenhaus, Leichenfeld, Kotstätte und Harnbehälter. Und durch Erregung
dieser Würmerarten verfällt er dem Tode. Wie nun der Körper den achtzig
Würmerarten gemeinsam angehört, so auch ist er eine Beute für die den Tod
bewirkenden vielen Hunderte von inneren Krankheiten und äußeren Anlässe wie
Schlangen, Skorpione u. dgl.
Wie nämlich an der am Treffpunkte vierer Straßen aufgestellten Zielscheibe
die von allen Seiten heranfliegenden Pfeile, Speere, Lanzen und Steine
anprallen, genau so fallen den Körper alle möglichen Bedrängnisse an. Und durch
den Ansturm dieser Bedrängnisse verfällt er dem Tode. Darum hat der Erhabene
gesagt (A.VIII.74):
"Sobald, ihr Mönche, der Tag zur Neige geht und die Nacht anbricht, da denkt
der Mönch bei sich: 'Wahrlich, viele Möglichkeiten zum Sterben bestehen für
mich: es möchte mich eine Schlange beißen, oder ein Skorpion oder ein Hundertfuß
möchte mich stechen, und so möchte ich ums Leben kommen. Das aber wäre für mich
ein Hindernis (nämlich zur Verwirklichung des heiligen Wandels und Erreichung
des Zieles). Ich möchte straucheln und hinfallen, oder die genossene Speise
möchte mir schlecht bekommen; oder Galle, Schleim oder stechende Gase möchten
erregt werden, und so möchte ich ums Leben kommen. Das aber wäre für mich ein
Hemmnis."
Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Rücksicht darauf, daß
der Körper vielen angehört.
5. 'Mit Rücksicht auf die Ohnmacht des Lebens' (jīvita): Dieses Leben
ist machtlos, ist ohnmächtig. Denn das Leben der Wesen ist an Ein- und Ausatmung
gebunden, sowie an die verschiedenen Körperstellungen, an Hitze und Kälte, an
die vier Hauptstoffe und an die Nahrung.
Nur solange das Leben eine gleichmäßige Tätigkeit der Ein- und Ausatmung
erfährt, funktioniert es; sobald aber die Luft durch die Nase nach Außen tritt
ohne wieder einzutreten, oder eintritt ohne wieder auszutreten, so gilt man als
tot.
Nur solange das Leben eine gleichmäßige Tätigkeit der Körperstellungen
erfährt, funktioniert es; durch ein Übermaß der einen oder anderen
Körperstellung aber werden die Lebensfunktionen zerstört.
Nur solange das Leben gleichmäßige Hitze und Kälte erfährt, funktioniert es.
Wer aber von übermäßiger Hitze oder Kälte bedrückt wird, dem schwindet das
Leben.
Nur solange das Leben eine gleichmäßige Tätigkeit der vier Hauptstoffe
erfährt, funktioniert es; bei Erregung aber irgend eines der vier Elemente, wie
des festen, flüssigen usw. (d.i. des erhitzenden und flüchtigen), geht selbst
eine kraftstrotzende Person zugrunde, sei es mit erstarrtem Körper, oder einem
durch Ruhr feucht und faul gewordenen Körper, oder durch große Hitze erschöpft,
oder mit zerrissenen Sehnenbändern.
Nur, wer zur richtigen Zeit stoffliche Nahrung erhält, bei dem funktioniert
das Leben; wer aber keine Nahrung erhält, bei dem geht es zugrunde.
Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Rücksicht auf die
Ohnmacht des Lebens.
6. 'Mit Rücksicht auf das Fehlen von Anzeichen' bedeutet: mit Rücksicht auf
die Unbestimmtheit und das Fehlen einer Festlegung. Denn hinsichtlich des Todes
der Lebewesen heißt es:
"Die Lebensdauer, Krankheit, Zeit,
Der Sterbeort, der Daseinsweg:
Das sind fünf Dinge in der Welt,
Die nimmer man erkennen kann,
Da ohne Anzeichen sie sind."
Hierunter nun ist die Lebensdauer insofern ohne Anzeichen, als man nicht
feststellen kann, daß man so und so lange zu leben hat und nicht darüber hinaus.
Denn zur Zeit des Kalala-, Abbuda-, Pesi- und Ghana-Stadiums* sterben Wesen, wie
auch nach Verlauf von einem Monat, zwei, drei, vier, fünf und zehn Monaten,
sowie zur Zeit des Austrittes aus dem Mutterleibe, und weiter noch innerhalb von
hundert Jahren oder nachher.
*(Dies sind die 4 in den Texten erwähnten Embryonalstadien, denen bisweilen noch ein fünftes, nämlich 'pasākhā', wörtl. 'Abzweigungen', beigefügt ist. Siehe S.10.1.)
Hinsichtlich der Krankheit aber gibt es insofern kein Anzeichen, als man
nicht feststellen kann, daß die Wesen gerade an dieser oder jener Krankheit
sterben und an keiner anderen; denn sowohl an einer Augenkrankheit mögen die
Wesen sterben, als auch an einer Ohrenkrankheit, oder an irgend einer anderen
Krankheit.
Hinsichtlich der Zeit aber gibt es insofern kein Anzeichen, als man nicht
feststellen kann, daß man gerade zu dieser oder jener Tageszeit zu sterben hat
und nicht zu einer anderen; denn sowohl in der Frühe mögen die Wesen sterben als
auch zur Mittagszeit wie zu irgend einer anderen Zeit.
Hinsichtlich des Sterbeortes aber gibt es insofern kein Anzeichen, als man
nicht feststellen kann, daß die Sterbenden gerade da oder dort umkommen müssen
und nicht anderswo; denn die im Dorfe Geborenen mögen außerhalb des Dorfes
umkommen, und die außerhalb des Dorfes Geborenen im Dorfe, ebenso die auf dem
Lande geborenen Wesen im Wasser, und die im Wasser geborenen auf dem Lande: so
läßt sich dies auf vielerlei Weise weiter ausführen.
Hinsichtlich der Daseinsfährte (gati) gibt es insofern keine
Anzeichen, als man nicht feststellen kann, ob der von hier Abgeschiedene hier
wiedergeboren wird; denn die von der Welt der Himmelswesen Abgeschiedenen mögen
unter den Menschen wiedergeboren werden, und die von der Menschenwelt
Abgeschiedenen irgendwo unter den Himmelswesen oder in anderen Welten. Und so
eilt man in der Welt der fünf Daseinsfährten im Kreise herum wie ein an die
Ölmühle gespannter Ochse.
Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Rücksicht auf das Fehlen von Anzeichen*.
*[Obige Wahrheiten finden ihren bündigen Ausdruck
in dem Ausspruche des Abraham a Santa Clara:
"Wann sterben ist nicht gewiß,
wie sterben ist nicht gewiß,
wo sterben ist nicht gewiß;
aber sterben ist gewiß."]
7. 'Mit Rücksicht auf die Begrenztheit der Lebensdauer': Das Leben der
Menschen hat gegenwärtig eine kurze Dauer. Wer lange lebt, lebt hundert Jahre
oder etwas darüber. Darum sagt der Erhabene (S.4.10):
"Gar kurz, ihr Mönche, ist das Leben. Ins Jenseits müssen wir wandern. Gutes
sollte man tun, einen heiligen Wandel führen, denn kein Geborener entgeht dem
Tode. Wer, ihr Mönche, lange lebt, lebt hundert Jahre oder etwas mehr." (S.4.9).
"Gar flüchtig ist der Menschen Sein,
Verabscheu'n sollt's der edle Mann
Und leben, als ob's Haupt ihm brenne,
Denn keine Rettung gibt's vor'm Tod." (ib.)
Ferner hat der Erhabene gesagt (A.VII.70):
"Einst, ihr Mönche, da lebte ein Meister namens Araka": diese ganze mit sieben Gleichnissen ausgeschmückte Sutte ist weiter auszuführen.
("Einst, ihr Mönche, da lebte ein Meister und Glaubensstifter namens Araka, der der Sinnenlust entfremdet war. Der Meister Araka aber, ihr Mönche, hatte viele Hunderte von Jüngern. Diesen verkündete er das Gesetz:
"'Gar kurz, Brahmane, ist das Leben der Menschen, begrenzt und flüchtig, voller Leiden und Qualen. Weise sollte man dies erkennen, sollte Gutes tun und einen heiligen Wandel führen, denn kein Geborener entrinnt dem Tode.
"'Gleichwie, Brahmane, der Tautropfen an der Grashalmspitze beim Aufgehen der Sonne gar schnell zergeht, nicht lange bleibt: so auch, Brahmane, ist das dem Tautropfen gleichende Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig.
"'Oder gleichwie, Brahmane, beim Herabgießen einer mächtig geballten Regenwolke die Blasen auf dem Wasser gar schnell zergehen, nicht lange bleiben: so auch, Brahmane, ist das der Wasserblase gleichende Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig.
"'Oder gleichwie, Brahmane, die mit einem Stocke im Wasser gezogene Furche gar schnell verschwindet, nicht lange bleibt: so auch, Brahmane, ist das der Wasserfurche gleichende Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig.'
"'Oder gleichwie, Brahmane, der fernhin eilende, schnell strömende, alles mit sich fortreißende Gebirgsstrom auch nicht für einen Augenblick, eine Weile, eine Minute, stille steht, sondern immer weitereilt, weiterfließt, weiterströmt: so auch, Brahmane, ist das dem Gebirgsstrom gleichende Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig.
"'Oder gleichwie, Brahmane, ein kräftiger Mann mit der Zungenspitze einen Speichelkloß bildet und ohne jede Anstrengung ausspeit; so auch, Brahmane, ist das dem Speichelkloß gleichende Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig.
"'Oder gleichwie, Brahmane, wenn zur Mittagszeit man in einen glühend heißen Metalltopf ein Stück Fleisch wirft, dasselbe gar schnell zergeht, nicht lange bleibt: so auch, Brahmane, ist das dem Fleischklumpen gleichende Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig.
"'Oder gleichwie, Brahmane, das zum Schlachten bestimmte Schlachtvieh - ganz gleich welchen Fuß es auch erhebt - ganz nahe am Rande des Todes steht: so auch, Brahmane, ist das dem Schlachtvieh gleichende Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig, voller Leiden und Qualen' . . .")
Und fernerhin hat der Erhabene gesagt (A.VIII.73): "Wer da, ihr Mönche, von den Mönchen die Betrachtung über den Tod übt, indem er denkt: 'Ach, daß es mir doch vergönnt sei, noch einen Tag und eine Nacht am Leben zu bleiben - noch einen Tag - noch solange wie ein Almosenmahl dauert - wie das Zusammenballen und Hinunterschlucken von vier oder fünf Bissen Reis dauert! Ich möchte des Erhabenen Weisung noch überdenken. Gar viel möchte ich noch erwirken': von einem solchen Mönche, ihr Mönche, sagt man, daß er lässig lebt, daß er auf langsame Weise die Betrachtung über den Tod übt, um die Versiegung der üblen Einströmungen zu erreichen. Wer da aber, ihr Mönche, von den Mönchen die Betrachtung über den Tod übt, indem er denkt: 'Ach, daß es mir doch vergönnt sei, noch so lange am Leben zu bleiben, wie das Zusammenballen und Hinunterschlucken von einem Bissen Reis dauert - noch die kurze Zeitspanne am Leben zu bleiben, die zwischen einer Ein- und Ausatmung oder einer Aus- und Einatmung liegt! Ich möchte des Erhabenen Weisung noch überdenken. Gar viel möchte ich noch erwirken!': von diesem Mönche, ihr Mönche, sagt man, daß er unermüdlich verweilt und voll Eifer die Betrachtung über den Tod übt, um die Versiegung der üblen Einströmungen zu erreichen."
So kurz ist die Lebensdauer, daß sie ungewiß ist selbst für die Zeit, während man vier oder fünf Bissen ißt. Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Rücksicht auf die Begrenztheit der Lebensdauer.
8. 'Mit Rücksicht auf die Kürze des Bewußtseinsaugenblickes': Im höchsten Sinne (paramatthato) haben die Wesen nur einen sehr kurzen Augenblick zu leben, nur solange wie ein Bewußtseinsmoment dauert. Gleichwie das Wagenrad beim Rollen wie, beim Stillstehen sich jedesmal bloß auf einem einzigen Punkte der Peripherie befindet: genau so währt das Leben der Wesen nur für die Dauer eines einzigen Bewußtseinsmomentes. Sobald dieser Bewußtseinsmoment erloschen ist, gilt auch das Wesen als erloschen. Denn es heißt:
"Das Wesen des vergangenen Bewußtseinsmomentes (citta-kkhana) hat
gelebt, lebt jetzt nicht mehr, wird auch später nicht mehr leben. Das Wesen des
zukünftigen Bewußtseinsmomentes hat noch nicht gelebt, lebt auch jetzt noch
nicht, wird erst später leben. Das Wesen des gegenwärtigen Bewußtseinsmomentes
hat früher noch nicht gelebt, lebt nur jetzt, wird aber später nicht mehr
leben."
"Das Leben, sowie alles Dasein,
Wie alle Freude, aller Schmerz,
Hängt bloß an einem Denkmoment
Und schnell eilt der Moment dahin.""Die Daseinsgruppen, die erloschen,
Bei Lebzeiten oder beim Tod,
Sind ganz in gleicher Weise nun
Dahin auf Nimmerwiederkehr."Nicht lebt im künftigen Moment man,
Lebt jetzt in diesem Denkmoment;
Wenn der erlischt, erlischt die Welt:
Dies Wort ist wahr im höchsten Sinn."
Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Rücksicht auf die Kürze des Bewußtseinsmoments.
Wer also in der einen oder anderen von diesen acht Weisen nachsinnt, dessen Geist erlangt durch wiederholtes Erwägen Fertigkeit darin, infolge der Vorstellung des Todes festigt sich die Achtsamkeit, die Hemmungen werden gelähmt, und die Vertiefungsglieder steigen auf. Weil das Objekt eine gegenständliche Natur hat (sabhāva; wtl.: Eigennatur) und weil es zur Ergriffenheit führt, erreicht die Vertiefung nicht die 'volle', sondern bloß die 'angrenzende' Stufe. Die 'überweltliche' Vertiefung " zwar, sowie die zweite und vierte Vertiefung in der formlosen Sphäre, erreichen, trotz ihrer gegenständlichen Beschaffenheit, eben infolge der Vorzüglichkeit der Entfaltung die 'volle' Stufe; denn die 'überweltliche' Vertiefung erreicht die 'volle' Stufe durch fortschreitende Entfaltung der Reinheitsstufen, und die formlose Vertiefung durch Übung in der Überwindung der Vorstellung. Die in die 'volle' Stufe eingetretene Vertiefung besteht dabei bloß in Überwindung des Objekts (der vorhergehenden Vertiefung) der Vorstellung. Hier jedoch gibt es dies beides nicht, darum erreicht die Vertiefung hier bloß die 'angrenzende' Stufe. Weil nun diese Vertiefung auf Grund der Betrachtung über den Tod aufgestiegen ist, so wird sie auch selber als die Betrachtung über den Tod bezeichnet.
Der Mönch aber, der dieser Betrachtung über den Tod hingegeben ist, ist allzeit unermüdlich, erreicht hinsichtlich aller Daseinsformen die Vorstellung der Begehrlosigkeit, verliert die Begierde zum Leben, verabscheut das Böse, speichert nichts auf, ist hinsichtlich der Bedarfsartikel frei vom Schmutze des Geizes, die Vorstellung der Vergänglichkeit wird ihm vertraut, und während er diese noch weiter verfolgt, wird ihm die Vorstellung des Leidens und der Ichlosigkeit gewärtig.
Wie nun die Wesen, die die Betrachtung über den Tod nicht entfaltet haben, in
der Sterbestunde in Angst, Schrecken und Verstörung geraten, als ob sie
plötzlich von wilden Tieren, Gespenstern, Schlangen, Räubern oder Mördern
überfallen würden: so stirbt ein solcher, ohne in einen derartigen Zustand zu
geraten, frei von Furcht und Verstörung. Und sollte er nicht schon bei Lebzeiten
das Todlose erreichen, so ist ihm doch beim Zerfall des Leibes eine glückliche
Daseinsfährte beschieden.
Drum möge sich des ernsten Strebens
Befleißigen der weise Mann
In der Betrachtung über'n Tod,
Die solche hohe Macht besitzt.
Hier nun endet die ausführliche Darlegungsweise der Betrachtung über den Tod.