Anguttara Nikaya, 2. Buch
3. Das Kapitel der Toren 3. Bāla Vagga - (Pali)
A.II.22 Weise und Toren
- Zweierlei Toren gibt es, ihr Mönche.
- Denjenigen, der ein Vergehen nicht als Vergehen anerkennt, und
- denjenigen, der das Vergehen des Bekennenden nicht ordnungsgemäß
entgegennimmt.
Zweierlei Weise gibt es, ihr Mönche.
- Denjenigen, der ein Vergehen als Vergehen anerkennt, und
- denjenigen, der das Vergehen des Bekennenden ordnungsgemäß entgegennimmt.
- Zwei, ihr Mönche, machen falsche Aussagen über den Vollendeten. Welche
zwei?
- Der Böse in übler Gesinnung und
- der blind Vertrauende aus Unverstand.
Diese beiden machen falsche Aussagen über den Vollendeten.
-
- Zwei, ihr Mönche, machen falsche Aussagen über den Vollendeten. Welche
zwei?
-
Derjenige, der das vom Vollendeten Nichtgesprochene und Nichtgelehrte für
das vom Vollendeten Gesprochene und Gelehrte ausgibt; und
- derjenige, der das vom Vollendeten Gesprochene und Gelehrte für das vom
Vollendeten Nichtgesprochene und Nichtgelehrte ausgibt.
Diese beiden machen falsche Aussagen über den Vollendeten.
-
- Zwei, ihr Mönche, machen keine falschen Aussagen über den Vollendeten.
Welche zwei?
-
Derjenige, der das vom Vollendeten Nichtgesprochene und Nichtgelehrte für
vom Vollendeten nicht gesprochen und nicht gelehrt erklärt; und
- derjenige, der das vom Vollendeten Gesprochene und Gelehrte für vom
Vollendeten gesprochen und gelehrt erklärt.
Diese beiden machen keine falschen Aussagen über den Vollendeten.
-
- Zwei, ihr Mönche, machen falsche Aussagen über den Vollendeten. Welche
zwei?
-
Derjenige, der eine Lehrrede mit einem der Deutung bedürfenden Sinne für
eine Lehrrede mit ausgemachtem Sinne erklärt; (*1) und
- derjenige, der eine Lehrrede mit ausgemachtem Sinne für eine Lehrrede mit
der Deutung bedürfenden Sinne erklärt (*2).
Diese beiden machen falsche Aussagen über den Vollendeten.
-
- Zwei, ihr Mönche, machen keine falschen Aussagen über den Vollendeten.
Welche zwei?
-
Derjenige, der eine Lehrrede mit einem der Deutung bedürfenden Sinne für
eine ebensolche erklärt; und
- derjenige, der eine Lehrrede mit ausgemachtem Sinne für eine ebensolche
erklärt.
Diese beiden machen keine falschen Aussagen.
(*1) K: Wenn es in den Lehrreden heißt: »Ein Wesen (puggala) gibt es
...« (I, 22) oder »Zwei Wesen gibt es ...« (II, 53), so hat dies einen der
Deutung (oder näherer Erklärung) bedürfenden Sinn (neyy'attha). Wenn auch
der Buddha derart sprach, so gibt es doch im höchsten oder strikten Sinne (paramattha)
kein beharrendes Wesen, keine beharrende Persönlichkeit (puggala). Der
Sinn obiger Aussprüche ist also einer näheren Erklärung bedürftig. Doch jener
(in unserem Text Erwähnte) glaubt törichterweise, daß dies eine Lehrrede 'mit
ausgemachtem Sinn' (nīt'attha) sei.
-
- (*2) K: Wenn jedoch der Erhabene davon spricht, daß (alles Gewordene)
vergänglich, leidvoll und ichlos ist, so hat es eben diesen und keinen anderen
Sinn. Doch jener (im Text Erwähnte) glaubt törichterweise, daß dies einen der
Deutung bedürfenden Sinn hat und behauptet, daß es (im höchsten Sinne) etwas
Ewiges, Glückhaftes und ein Ich gebe.
- Für einen Menschen von versteckter Handlungsweise, ihr Mönche, steht einer
der beiden Ausgänge zu erwarten:
- Für einen von offener Handlungsweise steht einer der beiden Ausgänge zu
erwarten:
-
Götterwelt oder
- Menschentum
- Für einen Menschen mit falscher Ansicht, ihr Mönche, steht einer der
beiden Ausgänge zu erwarten:
- Für einen mit rechter Erkenntnis steht einer der beiden Ausgänge zu
erwarten:
-
Götterwelt oder
- Menschentum.
-
- Dem Sittenlosen, ihr Mönche, wird zweierlei Aufnahme: Hölle oder
Tierreich.
-
- Dem Sittenreinen wird zweierlei Aufnahme: Götterwelt oder Menschentum.
Zwei Gründe gewahrend, ihr Mönche, suche ich im Walde einsame, abgelegene
Stätten auf.
- Welches sind die beiden Gründe?
- Mein eigenes gegenwärtiges Wohlsein und
- Mitleid mit späteren Generationen.
- Diese beiden Gründe gewahrend, suche ich im Walde einsame, abgelegene
Stätten auf.
- Zwei Eigenschaften, ihr Mönche, führen zum Wissen. Welche zwei?
- Geistesruhe und
-
Hellblick.
- Wird, ihr Mönche, die Geistesruhe geübt, welchen Vorteil gewinnt man da?
Der Geist entfaltet sich. Ist aber der Geist entfaltet, welchen Vorteil
gewinnt man da?
Was da an Gier besteht, das schwindet (*1).
-
Wird aber, ihr Mönche, der Hellblick geübt, welchen Vorteil gewinnt man da?
Die Weisheit entfaltet sich. Ist aber die Weisheit entfaltet, welchen
Vorteil gewinnt man da?
Was da an Verblendung besteht, das schwindet.
-
Nicht wird der von Gier betrübte Geist befreit, noch kommt die von
Verblendung getrübte Weisheit zur Entfaltung. So entsteht denn durch Loslösung
von der Gier die Gemütserlösung, durch Loslösung von der Verblendung die
Weisheitserlösung (*2).
- (*1) Das endgültige Schwinden jeder Form der Gier vollzieht sich jedoch
erst auf der Stufe der 'Nichtwiederkehr'; und das der Verblendung erst mit
erreichter Heiligkeit.
-
- (*2) 'Gemütserlösung' (ceto-vimutti;
s. Wtb); 'Weisheitserlösung' (paññā-vimutti;).
Vgl A.II, 231.
4. Das Kapitel des Gleichmuts 4. Samacitta Vagga - (Pali)
»Die Weise des schlechten Menschen, ihr Mönche, will ich euch erklären, und
die Weise des guten Menschen. So höret denn und achtet wohl auf meine Worte.« -
»Ja, o Herr!« erwiderten jene Mönche dem Erhabenen. Und der Erhabene sprach:
»Was ist nun, ihr Mönche, die Weise des schlechten Menschen? Der schlechte
Mensch ist undankbar und nicht erkenntlich. Denn Undankbarkeit und mangelnde
Erkenntlichkeit sind bezeichnend für schlechte Charaktere. Undank und mangelnde
Erkenntlichkeit bilden den Grundzug eines schlechten Menschen.
Der gute Mensch aber, ihr Mönche, ist dankbar und erkenntlich. Denn
Dankbarkeit und Erkenntlichkeit sind bezeichnend für gute Charaktere.
Dankbarkeit und Erkenntlichkeit bilden den Grundzug eines guten Menschen.«
Zweien, sage ich, ihr Mönche, kann man das Gute schwerlich vergelten. Welchen
zweien?
Sollte man gar imstande sein, auf einer Schulter seine Mutter zu tragen und
auf der anderen Schulter seinen Vater, und dabei hundert Jahre alt werden,
hundert Jahre am Leben bleiben; ihnen dabei mit Salben, Kneten, Baden und
Gliederreiben aufwarten, und sollten jene dabei sogar ihre Notdurft verrichten -
nicht genug, ihr Mönche, hätte man für seine Eltern getan, hätte noch nicht das
Gute vergolten.
Und sollte man seinen Eltern selbst die Oberherrschaft über die weite Erde
übertragen, der an den sieben Schätzen reichen - nicht genug, ihr Mönche, hätte
man für seine Eltern getan, hätte noch nicht das Gute vergolten. Aus welchem
Grunde aber? Gar viel, ihr Mönche, tun die Eltern für ihre Kinder: sind ihre
Erhalter und Ernährer, zeigen ihnen diese Welt.
Wer aber seine Eltern, wenn sie kein Vertrauen [zum Buddha] haben, zum
Vertrauen anspornt, sie darin bestärkt und festigt; wenn sie sittenlos sind, sie
zur Sittlichkeit anspornt, sie darin bestärkt und festigt; wenn sie geizig sind,
sie zur Freigebigkeit anspornt, sie darin bestärkt und festigt; wenn sie
unwissend sind, sie zum Wissenserwerb anspornt, sie darin bestärkt und festigt:
der, ihr Mönche, hat wahrlich genug für seine Eltern getan, hat ihnen das Gute
vergolten, ja mehr als vergolten.
Einst begab sich ein gewisser Brahmane zum Erhabenen. Dort angelangt,
wechselte er mit dem Erhabenen höflichen Gruß, und nach Austausch freundlicher
und zuvorkommender Worte setzte er sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend
sprach nun jener Brahmane zum Erhabenen also:
- »Was lehrt wohl der Herr Gotama, welche Lehre verkündet er?«
- »Das Tun lehre ich, Brahmane, und das Nichttun (*1) lehre ich.«
»Inwiefern aber lehrt der Herr Gotama das Tun sowohl wie das Nichttun?«
- »Das Nichttun lehre ich, Brahmane; denn ich lehre das Nichttun schlechter
Taten in Werken, Worten und Gedanken, sowie das Nichttun der mannigfachen
üblen, unheilsamen Dinge.
- Doch auch das Tun lehre ich, Brahmane; denn ich lehre das Tun edler Taten
in Werken, Worten und Gedanken, sowie das Tun der mannigfachen heilsamen
Dinge. Insofern, Brahmane, lehre ich das Tun und lehre ich das Nichttun.«
-
- »Vortrefflich, Herr Gotama! Vortrefflich, Herr Gotama! ... So nehme ich
meine Zuflucht zum Herrn Gotama, zur Lehre und zur Mönchsgemeinde. Als
Anhänger möge mich der Herr Gotama betrachten, als einen, der von heute ab
zeitlebens Zuflucht genommen hat.«
(*1) 'Tun' (kiriya), 'Nichttun' (akiriya). Dies ist eine
Anspielung auf die Lehren von der Wirkungskraft bzw. Wirkungslosigkeit
sittlichen Handelns wie in der Karma-Lehre und im Fatalismus (akiriya-vāda;
s. Anm. zu I, 27, 30; und III, 62). Lt. K war es die Absicht des Brahmanen, den
Buddha in Widersprüche zu verwickeln.
- Der Fragende: (*1) Anāthapindika, der Hausvater.
-
- »Wer wohl in der Welt, o Herr, ist der Gaben würdig, und wo mag man Gaben
darreichen?«
-
- »Zwei in der Welt, o Hausvater, sind der Gaben würdig: der
Schulungstüchtige und der Schulungsledige. Diese beiden sind der Gaben würdig
in dieser Welt, und ihnen mag man Gaben darreichen.«
-
- Dies sprach der Erhabene. Und nach diesen Worten sprach er, der Gesegnete,
der Meister, noch dieses:
-
- »Die sich in hoher Schulung üben
- und die der Schulung ledig sind,
- sie sind die Gabenwürdigen der Welt.
-
- Die aufrecht sind in ihren Werken,
- im Denken auch und ihrem Wort,
- sie sind das Saatfeld für die Geber:
- dort bringt die Gabe reichen Lohn.«
(*1) Stereotype Einleitungssätze ohne Ortsangabe werden, wenn gleich lautend
mit Text 35, künftighin nur durch die Bezeichnung des oder der Fragenden
ersetzt.
- So habe ich gehört. Einst weilte der Erhabene im Jetahaine bei Sāvatthī,
im Kloster des Anāthapindika. Zu jener Zeit nun lebte der ehrwürdige Sāriputta
im Ostkloster bei Sāvatthī, im Terrassenbau der Mutter Migāras (Visākhā).
Dort wandte sich der ehrwürdige Sāriputta an die Mönche:
-
- »Den diesseits gefesselten (*2) Menschen, o Brüder, will ich euch weisen
und den jenseits gefesselten. So höret denn und achtet wohl auf meine
Worte.«-»Ja, Bruder!« erwiderten jene Mönche dem ehrwürdigen Sāriputta. Und
der ehrwürdige Sāriputta sprach:
-
- »Wer ist nun, ihr Brüder, ein diesseits gefesselter Mensch? Da, ihr
Brüder, ist ein Mönch sittenrein, befolgt die Ordenssatzung, ist vollkommen im
Wandel und Umgang, und vor den geringsten Vergehen zurückschreckend, übt er
sich in der Befolgung der Übungsregeln. Bei der Auflösung des Körpers, nach
dem Tode, erscheint er in einer Götterwelt, und von dort abgeschieden wird er
ein Rückkehrender (āgāmi) kehrt er zu dieser Welt zurück. Diesen, ihr
Brüder, nennt man den diesseits gefesselten Menschen, (*3) der ein
Rückkehrender ist, der zu dieser Welt zurückkehrt.
-
- Wer aber, Brüder, ist ein jenseits gefesselter Mensch? Da ist ein Mönch
sittenrein, befolgt die Ordenssatzung, ist vollkommen im Wandel und Umgang,
und, vor den geringsten Vergehen zurückschreckend, übt er sich in der
Befolgung der Übungsregeln. Er gewinnt dann eine gewisse friedvolle
Gemütsbefreiung (*4). Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, erscheint
er in einer Götterwelt, und von dort abgeschieden ist er kein Rückkehrender,
(*5) kehrt nicht mehr zu dieser Welt zurück.
-
- Und ferner noch, ihr Brüder: Da ist ein Mönch sittenrein, befolgt die
Ordenssatzung, ist vollkommen im Wandel und Umgang, und, vor dem geringsten
Vergehen zurückschreckend, übt er sich in der Befolgung der Übungsregeln. Sein
Wandel dient der Abkehr und Loslösung von den Sinnenlüsten, dient ihrer
Aufhebung; sein Wandel dient der Abkehr und Loslösung von den Daseinsformen,
dient ihrer Aufhebung; sein Wandel dient der Vernichtung des Begehrens, der
Vernichtung der Gier. Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, erscheint
er in einer Götterwelt, und, von dort abgeschieden, ist er kein Rückkehrender,
kehrt nicht mehr zu dieser Welt zurück. Diesen, ihr Brüder, nennt man den
jenseits gefesselten Menschen, (*6) der kein Rückkehrender ist, nicht mehr
zurückkehrt zu dieser Welt.«
-
- Darauf nun begaben sich zahlreiche, ein Ebenmaß des Geistes (*7)
besitzende Gottheiten zum Erhabenen. Dort angelangt, begrüßten sie den
Erhabenen ehrfurchtsvoll und stellten sich zur Seite hin. Zur Seite stehend,
sprachen jene Gottheiten zum Erhabenen also: »Jener ehrwürdige Sāriputta, o
Herr, hat im Ostkloster, im Terassenbau der Mutter Migāras, den Mönchen den
diesseits gefesselten Menschen gewiesen und den jenseits gefesselten. Erfreut,
o Herr, war die Hörerschaft. Gut wäre es, o Herr, wenn der Erhabene sich zum
ehrwürdigen Sāriputta begeben wollte, von Mitleid bewogen.«
-
- Durch Schweigen gab der Erhabene seine Zustimmung zu erkennen. Gleichwie
nun ein starker Mann den gebeugten Arm streckt oder den gestreckten Arm beugt,
ebenso verschwand da der Erhabene aus dem Jetahaine und erschien im
Ostkloster, im Terrassenbau der Mutter Migāras, vor dem ehrwürdigen Sāriputta.
Es nahm der Erhabene auf dem angebotenen Sitze Platz. Und auch der ehrwürdige
Sāriputta, nachdem er den Erhabenen ehrfurchtsvoll begrüßt hatte, setzte sich
seitwärts nieder. Und der Erhabene sprach also zum ehrwürdigen Sāriputta:
-
»Es kamen da, Sāriputta, zahlreiche, ein Ebenmaß des Geistes besitzende
Gottheiten zu mir, begrüßten mich ehrfurchtsvoll und standen zur Seite. Zur
Seite stehend, sprachen jene Gottheiten zu mir also: 'Jener ehrwürdige
Sāriputta, o Herr, hat im Ostkloster, im Terrassenbau der Mutter Migaras, den
Mönchen den diesseits gefesselten Menschen gewiesen und den jenseits
gefesselten. Erfreut, o Herr, war die Hörerschaft. Gut wäre es, o Herr, wenn
sich der Erhabene zum ehrwürdigen Sāriputta begeben wollte, von Mitleid
bewogen.' Jene Gottheiten aber, Sāriputta, standen in Gruppen von zehn, zwanzig,
dreißig, vierzig, fünfzig und sechzig auf einem Fleck, der bloß so groß war wie
der Stich einer Nadelspitze; doch keiner belästigte den anderen.
- Du magst nun denken, Sāriputta, daß wohl in der dortigen Welt jene
Gottheiten ihr Gemüt derart ausgebildet haben, daß sie in Gruppen von zehn,
zwanzig, dreißig, vierzig, fünfzig und sechzig auf je einem Fleck zu stehen
vermögen, der bloß so groß ist wie der Stich einer Nadelspitze, ohne sich
einander zu belästigen. Doch so ist das nicht zu verstehen. Hier nämlich, in
dieser Welt, Sāriputta, haben jene Gottheiten ihr Gemüt derart ausgebildet,
daß sie in Gruppen von zehn, zwanzig, dreißig, vierzig, fünfzig und sechzig
auf einem Fleck zu stehen vermögen, der bloß so groß ist wie der Stich einer
Nadelspitze, ohne einander zu belästigen.
-
- Darum, Sāriputta, sei euer Streben: 'Mit gestillten Sinnen wollen wir
verweilen, besänftigten Herzens!' Danach, Sāriputta, sollt ihr streben'! Denn
wenn ihr, Sāriputta, mit gestillten Sinnen verweilt, besänftigten Herzens, so
werden eben eure Werke sanft sein, eure Gedanken sanft sein. 'Ein Opfer der
Sanftmut wollen wir den Ordensbrüdern darbingen!', das, Sāriputta, sei euer
Streben! Schade, Sāriputta, ist es um die andersfährtigen Pilger, die sich
diese Darlegung der Lehre nicht angehört haben.«
(*2) 'Diesseits gefesselt' (ajjhatta-samyojana), wtl: 'innerhalb
gefesselt', nämlich innerhalb der Sinnenwelt, und zwar durch die 'niederen (oder
diesseitigen) Fesseln' (orambhāgiya-samyojana):
- Persönlichkeitsglaube,
- Zweifelsucht,
- Hängen an Regeln und Riten,
- Sinnenbegehren,
- Haß.
Von diesen besteht die 4. und 5. in geschwächtem Maß auch noch für den
Einmalwiederkehrer, der im folg. Abschnitt genannt wird.
'Jenseits gefesselt' (bahiddhā-samyojana): wtl.: 'außerhalb
gefesselt', nämlich außerhalb der Sinnenwelt, an die feinkörperlichen und
unkörperlichen Welten; das Verlangen nach ihnen gehört zu den fünf 'höheren
(oder jenseitigen) Fesseln' (uddhambhāgiya-samyojana):
- Begehren nach feinkörperlichem Dasein,
- Begehren nach unkörperlichem Dasein,
- Dünkel,
- Aufgeregtheit,
- Nichtwissen.
Diese bestehen auch noch im Nichtwiederkehrer und schwinden erst im Heiligen.
Siehe Wtb: samyojana, ferner
A.III.87 f.; A.IV.131.
Diese Einteilung in 'diesseits und jenseits gefesselt' bezieht sich jedoch,
lt. K, nicht auf unerlöste Weltlinge (puthujjana). Da diese in sämtlichen
Daseinsbereichen wiedergeboren werden können, ist für sie die hier gegebene
Festlegung hinsichtlich der Wiedergeburt nicht möglich. Sie trifft vielmehr nur
auf die drei ersten der Hohen Menschen (ariya-puggala) zu, den
Stromergriffenen, den Einmalwiederkehrer und den Nichtwiederkehrer. Vgl.
Pug. 69 f.
(*3) K: Dies bezieht sich auf einen, der nach Übung des Reinen Hellblicks (sukkha-vipassanā;
d.h. ohne Erreichung der Vertiefungen), [z.B.] mit dem Objekt der vier
materiellen Elemente (s. Wtb:
dhātu-vavatthāna) die unteren zwei heiligen Pfade und Früchte erreicht
hat, nämlich Stromeintritt und Einmalwiederkehr.
(*4) K: die vier Vertiefungen.
(*5) 'Kein Rückkehrender' (anāgāmī), d.i. ein Nichtwiederkehrer, die
3. Heiligkeitsstufe.
K: Dies betrifft einen, der die volle Sammlung [in den Vertiefungen] erwirkt
und dann die drei heiligen Pfade und Früchte erreicht. In jener Götterwelt, den
sogen. Reinen Gefilden (suddhāvāsa) erreicht er dann die völlige Erlösung
(nibbāna).
(*6) Dies bezieht sich, lt. K, auf die Hellblick-Übung eines Stromergriffenen
oder Einmalwiederkehrers, die auf die Erlangung des Pfades der Nichtwiederkehr
abzielt, wo das Begehren nach den fünf Sinnenlüsten aufgehoben ist, ferner auf
die Hellblick-Übung des Nichtwiederkehrer, die auf die Erlangung des Heiligkeits-Pfades
abzielt, wo das Begehren nach allen Daseinsformen aufgehoben ist.
(*7) sama-citta (= der Pali-Titel dieses Textes). K: das Ebenmaß eines
verfeinerten Geisteszustandes. Diese Lehrrede wurde vom Arahant Mahinda bald
nach seiner Ankunft in Ceylon vorgetragen (s. Mahāvamsa, XIV, 34).
- So habe ich gehört. Zu einer Zeit weilte der ehrwürdige Mahā-Kaccāna bei
Varanā, am Ufer des Schlammsees. Da nun begab sich der Brahmane Arāmadanda
dorthin, wo der ehrwürdige Mahā-Kaccāna weilte. Dort angelangt, wechselte er
mit dem ehrwürdigen Mahā-Kaccāna höflichen Gruß, und nach Austausch
freundlicher und zuvorkommender Worte setzte er sich zur Seite nieder. Zur
Seite sitzend, sprach nun der Brahmane Arāmadanda zum ehrwürdigen Mahā-Kaccāna
wie folgt:
-
- »Was ist wohl, Herr Kaccāna, die Ursache, was ist der Grund, daß da Adlige
mit Adligen streiten, Priester mit Priestern, Hausleute mit Hausleuten?«-
-
- »Wegen der Lust an Sinnendingen (kāma-rāga, ditthi-rāga), wegen des
Hangens und der Sucht, der Bindung, Befangenheit und Leidenschaft dabei,
deswegen, Brahmane, streiten Adlige mit Adligen, Priester mit Priestern,
Hausleute mit Hausleuten.«-
- »Was ist aber, Herr Kaccāna, die Ursache, was ist der Grund, daß Asketen
mit Asketen streiten?«-
-
- »Wegen der Lust an Theorien, wegen des Hanges und der Sucht, der Bindung,
Befangenheit und Leidenschaft dabei, deswegen, Brahmane, streiten Asketen mit
Asketen.«-
-
- »Gibt es wohl aber, Herr Kaccāna, irgendeinen in der Welt, der sowohl
diese Lust an Sinnendingen wie auch diese Lust an Theorien überwunden hat, den
Hang und die Sucht, die Bindung, Befangenheit und Leidenschaft dabei?«-
-
- »Es gibt, Brahmane, einen in der Welt, der sowohl diese Lust an
Sinnendingen wie auch diese Lust an Theorien überwunden hat, den Hang und die
Sucht, die Bindung, Befangenheit und Leidenschaft dabei.«-
-
- »Wer ist aber, Herr Kaccāna, jener in der Welt, der sowohl diese Lust an
Sinnendingen wie auch diese Lust an Theorien überwunden hat, den Hang und die
Sucht, die Bindung, Befangenheit und die Leidenschaft dabei?«-
-
- »Es liegt, Brahmane, in den östlichen Landen eine Stadt, Sāvatthī genannt.
Dort weilt jetzt jener Erhabene, Heilige, völlig Erwachte. Wahrlich, jener
Erhabene hat sowohl diese Lust an Sinnendingen wie auch diese Lust an Theorien
überwunden, den Hang und die Sucht, die Bindung, Befangenheit und die
Leidenschaft dabei.«-
-
- Nach diesen Worten stand Arāmadanda, der Brahmane, von seinem Sitze auf,
schlug das Gewand über eine Schulter, beugte das rechte Knie zur Erde, und,
indem er die zusammengelegten Hände nach der Richtung des Erhabenen
ausstreckte, ließ er dreimal den feierlichen Ruf ertönen:
-
- »Ehre sei ihm, dem Erhabenen, Heiligen, vollkommen
Erwachten!
- Ehre sei ihm, dem Erhabenen, Heiligen, vollkommen Erwachten!
- Ehre sei ihm, dem Erhabenen, Heiligen, vollkommen Erwachten!
-
- Denn überwunden hat jener Erhabene diese Lust an Sinnendingen, überwunden
hat er diese Lust an Theorien, den Hang und die Sucht, die Bindung,
Befangenheit und die Leidenschaft dabei!
-
- Vortrefflich, Herr Kaccāna! Vortrefflich, Herr Kaccāna! Gleichwie man,
Herr Kaccāna, das Umgestürzte wieder aufrichtet oder das Verborgene enthüllt
oder den Verirrten den Weg weist oder in die Finsternis ein Licht bringt,
damit, wer Augen hat, die Dinge sehen kann, ebenso hat der Herr Kaccāna auf
mancherlei Weise die Lehre aufgezeigt. So nehme ich, Herr Kaccāna, meine
Zuflucht zu jenem erhabenen Herrn Gotama, zur Lehre und zur Mönchsgemeinde.
Als Anhänger möge mich der Herr Kaccāna betrachten, als einen, der von heute
ab zeitlebens Zuflucht genommen hat.«
Einst weilte der ehrwürdige Mahā-Kaccāna bei Madhura, (*1) im Gundā-Walde. Da
nun begab sich Kandarāyana, der Brahmane, dorthin, wo der ehrwürdige
Mahā-Kaccāna weilte. Dort angelangt, wechselte er mit dem ehrwürdigen
Mahā-Kaccāna höflichen Gruß, und nach Austausch freundlicher und zuvorkommender
Worte setzte er sich zur Seite nieder.
- Zur Seite sitzend, sprach nun Kandarāyana, der Brahmane, zum ehrwürdigen
Mahā-Kaccāna also:
»Gehört habe ich, Herr Kaccāna, daß der Asket Kaccāna alten, ergrauten,
angesehenen, hochbejahrten, im Alter gereiften Brahmanen weder seinen Gruß
entbietet, noch sich vor ihnen erhebt, noch ihnen einen Sitz anbietet. Dies,
Herr Kaccāna, verhält sich tatsächlich so; denn nicht entbietet ja der Herr
Kaccāna alten, ergrauten, angesehenen, hochbejahrten, im Alter gereiften
Brahmanen seinen Gruß, nicht erhebt er sich vor ihnen, noch bietet er ihnen
einen Sitz an. Das aber, Herr Kaccāna, ist nicht recht (*2).«-
»Es wurde, Brahmane, von ihm, dem Erhabenen, dem Kenner, dem Seher, dem
Heiligen, vollkommen Erwachten der Rang der Gereiften dargetan und der Rang der
Unreifen (*3). Selbst wenn einer alt ist, o Brahmane, von seiner Geburt ab
achtzig, neunzig oder hundert Jahre zählt, dabei aber die Sinnenfreuden genießt,
in Begierden lebt, vor Begierdefieber brennt, von begehrlichen Gedanken verzehrt
wird und voll Eifer nach Genüssen sucht, so rechnet er eben als ein kindlicher
Tor (*4) und nicht als ein Älterer (*5). Und selbst wenn einer noch jung ist, o
Brahmane, ein Jüngling mit schwarzem Haar, im Besitze seiner besten Jugend, im
ersten Mannesalter, dabei aber die Sinnenfreuden nicht genießt, nicht in
Begierden lebt, nicht vor Begierdefieber brennt, nicht von begehrlichen Gedanken
verzehrt wird und nicht voll Eifer nach Genüssen sucht, so gilt er eben als ein
Weiser und Älterer.«
Nach diesen Worten stand Kandarāyana, der Brahmane, von seinem Sitze auf,
schlug das Gewand über eine Schulter, berührte in Verehrung mit seinem Haupte
die Füße der noch ganz jungen Mönche und sprach:
»Gereift sind die Herren, stehen im Rang der Gereiften; unreif aber sind wir,
stehen im Rang der Unreifen. Vortrefflich, Herr Kaccāna! vortrefflich, Herr
Kaccāna! ... Als Anhänger möge mich der Herr Kaccāna betrachten, als einen, der
von heute ab zeitlebens Zuflucht genommen hat.
- (*1) Gemeint ist nicht die bekannte Stadt in Südindien, sondern ein Ort an
der Jumna (Yamuna) im Süden des heutigen Delhi. Vgl. Madhura-sutta,
M. 84.
- (*2) Gleiche Vorwürfe wurden auch dem Buddha selber gemacht; s.
A.IV.22; A.V.192;
A.VIII.11.
- (*3) Wtl: Rang der Erwachsenen (vuddha-bhūmi), Rang der Jugend (dabara-bhūmi).
- (*4) Das entsprechende Pali-Wort (bāla) bedeutet sowohl 'Kind' wie
'Tor'.
- (*5) Thero: Älterer, Ehrwürdiger; auch 'Ordensälterer', mit zehn
Ordensjahren und darüber. Vgl. Dhp.
260f.
Zu einer Zeit, ihr Mönche, wenn die Räuber die Macht besitzen, zu der Zeit
sind die Fürsten machtlos, und zu der Zeit ist es dem Fürsten nicht leicht, ein
und aus zu gehen oder im Grenzgebiete Anordnungen zu treffen. Auch den Brahmanen
und Hausleuten ist es zu jener Zeit nicht leicht, ein und aus zu gehen oder
draußen ihre Arbeiten zu beaufsichtigen. Ebenso nun auch, ihr Mönche, sind zu
einer Zeit, wenn die schlechten Mönche die Macht besitzen, die guten Mönche
machtlos, und zu einer solchen Zeit sinnen die guten Mönche inmitten der
Mönchsversammlung still vor sich hin oder suchen entlegene Gegenden auf. Das
aber, ihr Mönche, gereicht vielen zum Schaden, vielen zum Unglück und Unheil,
zum Schaden und Leiden für Götter und Menschen.
Zu einer Zeit, ihr Mönche, wenn die Fürsten die Macht besitzen, zu der Zeit
sind die Räuber machtlos, und zu der Zeit ist es dem Fürsten leicht, ein und aus
zu gehen und im Grenzgebiete Anordnungen zu treffen. Auch den Brahmanen und
Hausleuten ist es zu jener Zeit leicht, ein und aus zu gehen und draußen ihre
Arbeiten zu beaufsichtigen. Ebenso nun auch, ihr Mönche, sind zu einer Zeit,
wenn die guten Mönche die Macht besitzen, die schlechten Mönche machtlos, und zu
einer solchen Zeit sinnen die schlechten Mönche in der Mönchsversammlung still
vor sich hin oder sie begeben sich hierhin und dorthin. Das aber, ihr Mönche,
gereicht vielen zum Vorteil, vielen zum Glück und Heil, zum Segen und Wohl für
die Götter und Menschen.
Bei keinem von beiden lobe ich den schlechten Wandel, ihr Mönche, weder beim
Hausvater noch beim Hauslosen. Der Hausvater oder der Hauslose, wenn er einen
schlechten Wandel führt, hat eben infolge seines schlechten Wandels keinen
Erfolg in der heilsamen Pfadlehre (*1).
Bei beiden lobe ich den guten Wandel, beim Hausvater und beim Hauslosen. Der
Hausvater oder der Hauslose, wenn er einen guten Wandel führt, hat eben infolge
seines guten Wandels Erfolg in der heilsamen Pfadlehre.
- (*1) ñāyam dhammam kusalam; so auch in M. 96, 99. ñāya =
rechte Methode, Heilsweg, d.i. der achtfache Pfad; K: der (achtfache) Pfad
samt dem Hellblick.
- Jene Mönche, die durch Mißverstandene (*1) und [nur] wortgemäß aufgefaßte
Lehrreden (*2) die Lehre und ihren Sinn beiseite setzen, (*3) diese Mönche
wirken vielen zum Verderben, vielen zum Unglück und Unheil, zum Schaden und
Leiden für Götter und Menschen; sie schaffen sich große Schuld und bringen
diese Gute Lehre zum Untergang.
- Jene Mönche aber, die durch wohlverstandene und wortgemäß aufgefaßte
Lehrreden im Einklang sind mit der Lehre und ihrem Sinn, diese Mönche wirken
vielen zum Segen, vielen zum Wohle und Heil, zum Segen und Wohle für Götter
und Menschen; sie schaffen sich großes Verdienst und festigen diese Gute
Lehre.
Jene Mönche aber, die durch wohlverstandene und wortgemäß aufgefaßte
Lehrreden im Einklang sind mit der Lehre und ihrem Sinn, diese Mönche wirken
vielen zum Segen, vielen zum Wohle und Heil, zum Segen und Wohle für Götter und
Menschen; sie schaffen sich großes Verdienst und festigen diese Gute Lehre.
(*1) duggahitehi, wtl.: schlecht aufgefaßt, K: z.B. in unrichtiger
Reihenfolge; Subk: auch Entstellung des Textes durch Auslassungen, Zusätze,
falsch überlieferte Worte usw.
(*2) vyañjana-patirūpakehi suttehi; K: lediglich dem Wortlaut und den
grammatischen Regeln gemäß aufgefaßt.
(*3) K: Sie setzen die Sinnerklärung (atthakathā) und den Text (pāli)
wohlverstandener Lehrreden beiseite und lehren lediglich die Sinnerklärung und
den Text der von ihnen mißverstandenen Lehrreden, diesen den Vorzug gebend. Vgl.
A.II.20; A.IV.160.