Digha Nikaya

1. Der Teil über Moral

2. Der Große Teil

3. Der Teil des Patika

Vorwort

Digha Nikāya - Die Längere Sammlung

VORWORT DES HERAUSGEBERS (1957)

Dem Hauptteil des Pali-Kanons, der glorreichen Mittleren Sammlung der Reden Gotamo Buddhos, die der erste Band dieser Gesamtausgabe der Übertragungen Karl Eugen Neumanns enthielt, folgen hier im zweiten die vierunddreißig Reden und Gespräche der Längeren Sammlung.

Auch unter ihnen so außerordentliche, wie die mächtige erste Rede, mit ihrer Exposition der Schranken alles spekulativen Philosophierens; wie die zweite vom sichtbaren Lohn der Asketenschaft; die elfte über das wahre Wunder; die wundervolle fünfzehnte, mit ihrer Erhellung der so tief verborgenen, notwendig wirkenden und dennoch bloß bedingten Entstehung aller Dinge; und die Darstellung des geraden Weges, der zur Überwältigung des Schmerzes und Jammers führt, in der großen zweiundzwanzigsten Rede.

Am Ende der Sammlung die beiden ungemein wichtigen Darlegungen von Sāriputta, in denen er, in zweifach verschiedener Anordnung, eine Übersicht über alle Punkte der Lehre gibt.

Durchhin verstreut herrliche Legenden, wie sie z.B. im fünften und im siebzehnten Gespräch erscheinen; im weiteren die erstaunlichen Sagen vom Kaiser und vom Voranfang, alle in zauberhaft schöner Sprache erzählt.

Und in der Mitte die Krone der Suttas, das Mahāparinibbānasutta: der Bericht über jene heiligen, vor nun zweieinhalb Jahrtausenden stattgefunden Ereignisse, welche jüngst von den Millionen des Ostens und auch schon allerorts im Westen verehrend gefeiert wurden: der letzten Wanderungen, letzten Unterweisungen, und dem siegreichen Ausgang, der Erlöschung des vollkommen Erwachten.

 

Von diesem längsten, nicht nur dieser Sammlung, sondern aller Pali-Texte, hat Karl Eugen Neumann 1911 eine Sonderausgabe unter dem Titel «Die letzten Tage Gotamo Buddhos» erscheinen lassen, deren gehaltvolle Vorrede auf S. V wieder abgedruckt ist.

 

Über die Arbeit Karl Eugen Neumanns an der Längeren Sammlung enthalten seine Briefe an De Lorenzo im Anhang zum dritten Band manche Aufschlüsse. So über seine Absicht, alle vierunddreißig Reden in einem Band herauszugeben, die er aber, nach Übertragung des ersten Teiles, wie immer ungern, wieder aufgab.

Nun ist es, fünfzig Jahre später, doch geworden, wie er es plante. Und auch die Anmerkungen zum dritten Teil, die einen so großen Umfang erreicht hatten, daß ihre Erstausgabe einen eigenen Band beanspruchte, konnten nun, ungekürzt, mit denen des ersten und zweiten Teiles vereinigt werden. Für alle diese fast unübersehbar reichhaltigen Anmerkungen ist ein eigenes, möglichst vollständiges Register angefertigt worden, mit dessen Hilfe einmal gelesene Stellen unschwer wieder aufgefunden werden können.

 

Die Übertragung der Reden der Längeren Sammlung und der in den Anmerkungen enthaltenen hundertzwanzig Stücke aus dem Anguttara- und Samyutta Nikāya, so wie der jede Rede begleitende Kommentar, ist das letzte Werk Karl Eugen Neumanns, die Summe seines Wissens und seiner Kunst.

Es ist auch ein Zeugnis des Triumphes über die immer schwieriger werdenden Lebensumstände und der geschwächten Gesundheit seiner letzten Jahre. Dessen ungeachtet setzte er die Arbeit an dem großen Werk seiner Annotationen zum dritten Teil, das schließlich für sich selbst zu einem der lebendigsten und belehrendsten Bücher wurde, fort.

Was ihn dabei aufrecht erhielt, war die immer erneute Freude an seinen Funden unter den Schätzen des überlieferten geistigen Erbes, die er in seinem Anmerkungsteil aufschichtete.

Sie klingt deutlich aus seinen Worten über den Reichtum der Pali-Texte, auf S. 1007: «denn auch die herrlichsten Kuppelmale und Felsendome, Säulenhallen und Pyramiden sind immer noch unbedeutend gegen die unermeßliche Höhe und Schönheit großer Gedanken in ewiger Gestaltung.»

Die treibende Kraft aber seines Lebenswerkes war die nie versiegende Liebe, der wissende Enthusiasmus für seinen Stern der höchsten Höhe, für den größten der großen Lehrer der Menschheit, dem als Dolmetsch zu dienen er sich in seiner Jugend zur Lebensaufgabe erwählte.

Sie hat ihn, als seine Gesundheit sich mehr und mehr verschlechterte - «Ich bin jetzt unter unsäglichen Qualen mit dem 3. Band im Ms fertig geworden» - bis zum letzten Augenblick arbeitend ausharren lassen.

Der kam am Morgen seines fünfzigsten Geburtstages, am 18. Oktober 1915, als eine Lungenentzündung sein geschwächtes Herz zum Stillstand brachte. «Ich glaube Herz und Lunge halten's nicht mehr lange aus», schrieb er bereits am 2.Juli 1914 an De Lorenzo. Im gleichen Brief die Ahnung, daß der dritte Teil erst spät, als postumem, erscheinen dürfte.

 

Und so ist es leider gewesen. Da war nach seinem Verscheiden sein so voluminöses Manuskript, kalligraphiert und, bis auf Vorrede, Register und Randzahlen des siamesischen Textes, druckfertig. Da war seine Bestimmung über die Herausgabe seines Werkes.

Doch da war auch der unselige Krieg, und so dauerte es denn drei Jahre, bis seinem letzten Willen entsprochen werden konnte. 1918 erschien der Text des dritten Teiles, noch ohne die Anmerkungen, diese erst 1927, als letzter Band der inzwischen veranstalteten ersten Gesamtausgabe seiner Übertragungen (siehe darüber Band I, p. XVIf.).

 

Mit dem Erscheinen des Nachlasses und der in tausenden Exemplaren verbreiteten Neuausgaben der Werke trat ein, was zu Lebzeiten Karl Eugen Neumanns nicht der Fall gewesen war: sein Werk gelangte zur Kenntnis der geistigen Elite seiner Zeitgenossen, auf die es einen wahrhaft überwältigenden Eindruck machte.

Die Erschließung der Reden Gotamo Buddhos wurde als eine epochemachende Tat gepriesen, der Entdeckung eines neuen Weltteils verglichen; die Übertragung ein sprachschöpferisches Werk, wie es nur selten einmal erscheint, genannt, ein stolzer, unvergänglicher Besitz der deutschen Literatur, wie Luthers Bibel, Schlegels Shakespeare.

 

So war denn der Ruhm, den Karl Eugen Neumann nie für sich erstrebte, einem Werk zuteil geworden, dessen beginnende Wirkung nicht lange danach von der Nacht des zweiten Krieges verdunkelt wurde, da nur vermutet werden kann, was es gerade in ihr manchem an Trost und Stärkung bedeutet haben mag.

Nach Kriegsende hat es dann, wie schon bemerkt, noch Jahre gedauert, bis die mittlerweile gänzlich vergriffenen Bände wieder zum Dasein gebracht werden konnten. Wie schwer oder leicht das gewesen - hier sind sie nun wieder «genug schon zum Frohsinn, genug zur Freude» in neuem Gewande, in alter Pracht mögen sie viele erquicken und beglücken, vielen den Weg, der aus Leiden führt, zeigen.

London, Februar 1957. E.R.